Das Warten hat ein Ende. Endlich beginnt die 74. Berlinale. Wenn ihr immer auf dem neusten Stand der Premieren der LGBTQIA+ Filme sein wollt, dann seid ihr hier genau richtig! Jeden Tag informieren wir euch über die aktuellen Filme und Vorstellungszeiten. Neben den Premieren findet ihr hier auch interessante Interviews mit den Filmschaffenden im Laufe der nächsten zehn Tage.
Für noch mehr Informationen und Interviews zu den diesjährigen queeren Werken, folgt uns doch auf Instagram und Facebook.
Dann heißt es jetzt nur noch Kinoticket kaufen, Popcorn bestellen und die Vorführung genießen!
Die ersten Interviews mit den Filmschaffenden findet ihr hier:
Crossing
Lia, eine Lehrerin im Ruhestand, hat versprochen, ihre vor langer Zeit verschwundene Nichte Tekla zu finden. Ihre Suche führt sie nach Istanbul. Hier trifft sie Evrim, eine Anwältin für Trans-Rechte, und plötzlich fühlt sich Tekla so nah an wie nie zuvor.
Er besucht ihn während einer beruflichen Reise durch Europa. Seit 2015, damals in Beijing, haben sie sich nicht mehr gesehen. Dies könnte das letzte Mal sein, dass sie sich treffen.
Mit Tagebuchauszügen, Fotografien und Erinnerungen von Wegbegleiter*innen zeichnet der Film das Porträt des Künstlers Jürgen Baldiga, der mit seiner Kamera die queere Szene Westberlins der 1980er- und frühen 1990er-Jahre einfühlsam und authentisch einfing.
Lia, eine Lehrerin im Ruhestand, hat versprochen, ihre vor langer Zeit verschwundene Nichte Tekla zu finden. Ihre Suche führt sie nach Istanbul. Hier trifft sie Evrim, eine Anwältin für Trans-Rechte, und plötzlich fühlt sich Tekla so nah an wie nie zuvor.
Zsombor Bobák ist seit 2018 im TEDDY Team und hat seitdem nahezu alle queeren Filme der Berlinale gesehen. Mit seinen einfühlsamen und kompetenten Interviews und Gesprächen mit den Regisseur:innen ermöglicht er uns jedes Jahr auf TEDDYAWARD TV einen tiefen Einblick in die Welt des queeren Kinos und der Macher:innen. Er hat einen M.A. in Konservierung und Präsentation von Bewegtbild an der Universität Amsterdam erworben und ist Doktorand an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Sein Forschungsgebiet sind queere Archivierungsmethoden, die die LGBTQ+-Geschichte Mittel- und Osteuropas erlebbar machen. Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit queeren bewegten Bildern und hat vor kurzem begonnen, die produktive Verbindung von akademischer Forschung und Found-Footage-Filmemachen zu erforschen.
Mit BRIX SCHAUMBURG, GEORGETTE DEE, RASHA NAHAS, ZSOMBOR BOBÁK, MICHAEL STÜTZ und der TEDDY JURY 2022
Wir sind sehr glücklich, den TEDDY AWARD in diesem Jahr wieder live in der Volksbühne Berlin verleihen zu können. Auf der grossen Bühne dieses grossartigen Theaters, dass in den letzten Jahren zu einer lieben Heimat für die TEDDY AWARD Verleihung und die anschliessende grösste und heisseste Party der Berlinale geworden ist. Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass auch ein Virus uns nicht davon abhalten kann queeres Leben und queere Kreativität und Solidarität zu feiern. Mit dem 36. TEDDY AWARD wollen wir unseren Beitrag leisten und einen Regenbogen queerer Freude, Sichtbarkeit und Gemeinschaft mit euch teilen. Seid dabei und feiert mit uns, wenn am 18.02. ab 21 Uhr die TEDDY AWARDS live aus der Volksbühne Berlin auf TEDDYAWARD TV vergeben werden! Hier gehts zum Livestream.
Moderiert wird die 36. TEDDY AWARD Verleihung von:
BRIX SCHAUMBURG „Die Welt braucht mehr Glitzer und weniger Schubladendenken.“
Brix Schaumburg ist Deutschlands erster offiziell geouteter trans Schauspieler. Der mehrfache Award-Preisträger, Sänger und Speaker setzt sich aktiv mit Aufklärung und Sichtbarkeitsarbeit für mehr Akzeptanz ein. Wir schreiben das Jahr 2022 und sind fortschrittlicher denn je. Es gibt nichts, was es nicht gibt und doch sind in unserem Grundgesetz Art.3 queere Menschen nicht einmal erwähnt. Brix kämpft für mehr Gerechtigkeit, Offenheit und Liebe für alle Menschen und hostet Diversity-Coachings für Unternehmen, um für mehr Bewusstsein im Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Sprache zu sorgen.
VERZAUBERT WERDEN WIR VON:
GEORGETTE DEE „Deutschlands größte lebende Diseuse“ – Die Zeit
Mit ihren Liedern durchstöbert Georgette Dee Leben und Liebe, flattert mit einem Hauch von Melancholie allen Facetten der Gefühle mal hinterher, mal vorneweg, schlängelt sich gekonnt mühsam durch jeden Beziehungsdschungel und webt Geschichten, in denen jeder nach eigener Lust und Laune herumirren kann. Man möchte kein Wort, keine Geste und keines der Lieder verpassen – Und am Flügel lässt der fabelhafte Terry Truck die Gedanken und Lieder wie beiläufig in musikalisch großartigen Bildern erscheinen
Große Gesten, leise Töne, spitze Bösartigkeiten, lässige Provokationen, ergreifende Chansons – wahre Diven können das. Und Georgette Dee sowieso…
UND:
RASHA NAHAS „Nahas has the theatricality of Weimar cabaret with added violins and rockabilly.“ – The Guardian
Die in Berlin lebende palästinensische Singer-Songwriterin Rasha Nahas (geboren und aufgewachsen in Haifa) steht seit langem für einen Sound, der sich nahtlos zwischen frühem Rock ‘n’ Roll und den gewagten Tönen des Free Jazz bewegt und durch ihre ganz besondere Art des Songwriting, Storytelling und der Performance auszeichnet. Rashas musikalische Projekte erforschen stets neue Gebiete; ihr besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Narrativ. Ihr Debütalbum ‘Desert’ bescherte ihr hervorragende Kritiken. Sie beschreibt darin ihre persönliche und politische Reise von Palästina nach Deutschland und zurück und war damit im Programm ‘Loose Ends’ von BBC Radio 4, im Spotify Podcast: Mic Check und in der 3sat Kulturzeit sowie in vielen weiteren Radio- und Fernsehsendungen in Europa und der arabischen Welt zu sehen und zu hören. Rasha ist auf vielen Festivals und Veranstaltungen auf der ganzen Welt aufgetreten – unter anderem auf dem Glastonbury Festival, der Palestine Music Expo und dem Sim Sao Paolo. Im Juni 2022 erscheint ihr neues Album ‘Amrat’. Darin begibt sie sich auf eine Entdeckungsreise zu den Themen Heimat, Zugehörigkeit, Spiritualität, Freiheit und ihrer Muttersprache.
ÜBER DIE QUEEREN FILME DER 72. BERLINALE INFORMIERT UNS:
Zsombor Bobák im Gespräch mit der TEDDY Jury und Michael Stütz
Zsombor Bobák ist seit 2018 im TEDDY Team und hat seitdem nahezu alle queeren Filme der Berlinale gesehen. Mit seinen einfühlsamen und kompetenten Interviews und Gesprächen mit den Regisseur:innen ermöglicht er uns jedes Jahr auf TEDDYAWARD TV einen tiefen Einblick in die Welt des queeren Kinos und der Macher:innen. Er hat einen M.A. in Konservierung und Präsentation von Bewegtbild an der Universität Amsterdam erworben und ist Doktorand an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Sein Forschungsgebiet sind queere Archivierungsmethoden, die die LGBTQ+-Geschichte Mittel- und Osteuropas erlebbar machen. Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit queeren bewegten Bildern und hat vor kurzem begonnen, die produktive Verbindung von akademischer Forschung und Found-Footage-Filmemachen zu erforschen.
Michael Stütz ist Leiter der Sektion Panorama der Berlinale. Er wurde 1977 in Linz, Österreich, geboren und studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und der Freien Universität Berlin. Parallel arbeitete er für Filmproduktionen im Studio Babelsberg. Seit 2005 lebt und arbeitet er in Berlin. Nach einem Praktikum beim TEDDY wurde er 2006 Assistent des damaligen Panorama-Leiters Wieland Speck. In der Folge übernahm er in der Sektion Aufgaben von der Büroleitung bis zur Programmkoordination, Koordination des TEDDY AWARD und als Programmberater von Wieland Speck. Von Juli 2017 an war er als Kurator und Programmmanager des Panorama tätig, bis er 2020 die Leitung der Sektion übernahm.. Darüberhinaus war er bei zahlreichen anderen Festivals als Gastredner, Kurator oder Jurymitglied aktiv, darunter das Guadalajara International Film Festival, Crossing Europe, Mix Brazil oder das Tel Aviv International LGBT Film Festival.
DIE JURY DES 36. TEDDY AWARD
Faridah Gbadamosi hat in einer Vielzahl von Funktionen bei verschiedenen Filmfestivals und anderen Filmorganisationen gearbeitet, darunter das California Film Institute, Athena Film Festival, Tribeca, SIFF und viele andere. Neben ihrer Programmarbeit ist sie auch Vertriebsleiterin bei Open Your Eyes and Think MF, der Vertriebsabteilung von David Magdael & Associates, Beraterin für verschiedene Filmprojekte und freiberufliche Kulturkritikerin. Vor kurzem wurde sie zur künstlerischen Leiterin von Outfest ernannt und freut sich sehr darauf, die Zukunft der Organisation in ihrem 40 Jahr mitzugestalten.
Pepe Ruiloba ist Filmprogrammer und -kritiker aus Mexiko-Stadt. Er arbeitete in der Produktion von Filmen und Werbespots, bevor er sechs Jahre lang beim Internationalen Filmfestival von Guadalajara als Programmgestalter und Koordinator des Premio Maguey tätig war, einer Wettbewerbssektion, die LGBTQ+-Filme vorstellt. Derzeit programmiert er den Queer-Strang des Raindance Film Festivals in London und die Árbol Rojo Film Exhibition im Südosten Mexikos. Er arbeitet auch als Drehbuchautor und Supervisor in der lokalen Produktionsfirma Studio Palíndromo und ist Filmkritiker für die Zeitung Reforma, eines der größten Printmedienunternehmen in Mexiko und Lateinamerika.
Joanna Ostrowska hat in Geisteswissenschaften promoviert und ist Dozentin am Lehrstuhl für Judaistik an der Jagielloński Universität (Krakau), für Gender Studies an der Universität Warschau und für polnisch-jüdische Studien am Institut für Literaturforschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Sie forscht zum Thema der vergessenen Opfer des Holocaust und der queeren Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Sie ist Filmkritikerin, Mitglied des Auswahlkomitees für das Krakauer Filmfestival und Programmgestalterin des LGBT-Filmfestivals in Warschau.
Robert Moussa ist Gründer und Leiter des Soura Film Festivals, einem in Berlin ansässigen queeren Filmfestival, das filmische Talente aus der Region Südwestasien und Nordafrika (SWANA) ins Rampenlicht rückt und 2019 gegründet wurde. Er schloss sein Studium an der American University of Beirut mit einem Bachelor in Massenkommunikation ab und zog dann nach Prag, um seiner Leidenschaft für Film an der FAMU nachzugehen. Er wurde als Jurymitglied für die 15. Ausgabe des Xposed Film Festivals ausgewählt.
Freitag 11.02.2022 – 18:00 Uhr A TEDDY Jury Reception: Die traditionelle Vorstellung unserer TEDDY AWARD Jury Online. Zsombor Bobák im Gespräch mit der Jury des 36. TEDDY AWARD: Robert Moussa , Joanna Ostrowska, Faridah Gbadamosi & Pepe Ruiloba über ihre Festivals, die Arbeit der TEDDY-Jury und was ein Queer-Filmpreis für sie bedeutet.
Samstag 12.02.2022 – 16:00 Uhr TEDDY Talk: The TEDDY Winners Path through a Pandemic Samuel Girma im Gespräch mit Eliane Raheb & John Greyson Ein Gespräch mit Gewinner:innen des letztjährigen TEDDY AWARD darüber, wie der Gewinn des TEDDY AWARDs den Weg ihrer Filme im zweiten Jahr der aktuellen Pandemie beeinflusst hat und mit welchen Herausforderungen und Überraschungen sie und ihre preisgekrönten Filme im Laufe ihrer Festivaltour konfrontiert waren.
Sonntag 13.02.2022 – 16:00 Uhr TEDDY Talk: Evolving Experimentation Toby Ashraf im Gespräch mit Liz Rosenfeld, Mohammad Shawky Hassan & Gustavo Vinagre Filmemacher:innen, die die Norm herausfordern, nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der Form. Ein Gespräch mit drei Filmemacher:innen, deren Werke im Rahmen von Forum und Forum Expanded gezeigt werden, über die Bedeutung von Experimenten im Queer Cinema. Vom Entwicklungsprozess bis zur Geschichte, die die Form diktiert oder umgekehrt und über die Kämpfe, die mit der Entwicklung dieser Kunstform des Geschichtenerzählens verbunden sind.
Sonntag 13.02.2022 – 18:00 Uhr DIRECTORS EXCHANGE: Motivations Nastaran Tajeri-Foumani im Gespräch mit Idan Haguel, Alli Haapasalo & Antonio Marziale Drei Regisseur:innen, deren Werke bei der 72. Berlinale Premiere feiern, diskutieren die unterschiedlichen Motivationen, die ihre Filme beeinflusst haben. Von der ersten Idee bis zum finalen Schnitt – welche Rolle spielen brandheiße Themen in der Storyline und für die Charaktere? Wie schwierig ist es, komplexe Charaktere mit sozialkritischen Arbeiten zu verbinden?
Montag 14.02.2022 – 18.00 Uhr Queer Your Program: Online Speedy Film Pitches (nur mit Voranmeldung) Moderation: Bartholomew Sammut 25 Filmschaffende, deren Filme bereit für den Verleih sind, präsentieren ihre Projekte in zweiminütigen Pitches vor Filmverleihern, Programmchefs und Agenten.
20:00 Queer Industry Reception goes Online (nur mit Voranmeldung) Moderation: Bartholomew Sammut Einführung: Michael Stütz Die jährliche Zusammenkunft von Fachleuten aus der Queer-Film-Branche, von Filmemachern über Programmierer bis hin zu Verleihern und Vertriebsagenten. Was normalerweise persönlich mit einem Glas in der Hand und gekritzelten Namensschildern auf den Hemden geschieht, wird einmal mehr online stattfinden. Wir werden weiterhin als Gemeinschaft zusammenkommen, Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen, über das vergangene Jahr und die Filme, auf die wir uns freuen, plaudern und etwas dringend benötigte gemeinsame Zeit miteinander verbringen.
Zsombor Bobák im Gespräch mit Paz Lázaro und Michael Stütz – Kurator*innen des Panorama.
Im vergangenen Jahr hat sich das Panorama-Team deutlich verändert: Wieland Speck hat nach 25 Jahren einer neuen Generation von Kuratoren das Wort erteilt. Das 40-jährige Jubiläum der Sektion dieses Jahr bietet die perfekte Gelegenheit, die inspirierende Vergangenheit und damit die belebende Präsenz des Panoramas näher zu betrachten.
Ich habe mich mit den Kuratoren Paz Lázaro und Michael Stütz zusammengesetzt, um über die reiche Geschichte des Arthouse Abschnitts, ihre Schlussfolgerungen aus dem letzten Jahr, ihre Ansätze für dieses Jahr und ihre Ansichten über die Taktiken zum Schutz des queeren Filmerbes und des in den letzten Jahrzehnten aufgebauten globalen Netzwerks von queeren Filmfestivals zu diskutieren. Unsere lebhafte Diskussion beleuchtete die Triebkräfte des Panoramas und gab einen Einblick in das diesjährige spannende Programm.
Das ist euer zweites Jahr als Leiter der Panorama-Sektion. Inwiefern war es anders als im letzten Jahr und welche Schlussfolgerungen konntet ihr aus dem Jahr 2018 ziehen, die euch bei der Vorbereitung auf die diesjährige Ausgabe geholfen haben?
Michael: Ich denke, das letzte Jahr war sehr erfolgreich. Ich war wirklich begeistert von dem Programm, weil es sehr spezifisch war. Außerdem hatten wir ein sehr markantes und radikales queeres Programm, auf das ich sehr stolz bin. Wir hatten einen großen Pool an Filmen zur Auswahl. Paz: Ja, und das ist sehr wichtig, denn alles beginnt mit den Filmen. Wir werden nie ein vorgefertigtes Konzept haben, zuerst müssen wir die Filme finden – oder die Filme müssen uns finden. Aber das erste sind immer die Filme selbst. Das war unser Ausgangspunkt im vergangenen Jahr, genau wie dieses Mal. Michael: Das letzte Jahr war sehr interessant, weil es eine so große Vielfalt gab, was zum Beispiel die Darstellung von People of Colour betrifft. Filme wie Bixa Travesty, Shakedown, Game Girls oder Tinta Bruta schufen neue Visionen und konzentrierten sich auf Lebensentwürfe und Milieus, die nicht so oft im Film dargestellt werden. Ich denke, wir konnten auch ein neues Publikum gewinnen, zum Teil wegen der Vielfalt des Programms. Wir haben viele positive Reaktionen erhalten. Paz: Ja, und das war sehr ermutigend und bekräftigend. Mit unseren Instinkten lagen wir also letzten Endes nicht falsch. Es ist sehr wichtig für einen Kurator, gute Instinkte zu haben. Denn man kann nie wissen, wie die Filme oder Ihr Programm bei der Branche und dem Publikum ankommen werden. Man kann es nicht vorhersagen, man kann nur eine Intuition dafür haben. Deshalb war es uns auch sehr wichtig, das Leben der Filme nach dem Festival zu verfolgen und wir sind sehr stolz darauf, dass sie so extrem erfolgreich waren. Michael: Der TEDDY-Gewinner Tinta Bruta zum Beispiel ist wirklich von einem Filmfestivals zum anderen um die Welt gereist und hat viele Preise gewonnen. Am Ende des Jahres ist er auf vielen „Top 10“-Listen gelandet. Es war sehr gut zu sehen, dass der Film so gut aufgenommen wurde. Aber im Allgemeinen blieben die Filme das ganze Jahr über sichtbar, was nicht selbstverständlich ist. Dabei spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Ich denke, es spricht wirklich für ihre Qualität und ihren Kommentar zu sozialen und politischen Fragen. Das hatte viel mit den intersektionalen Ansätzen zu tun, die sie gewählt haben. Es waren nicht nur von der Suche nach Identität getriebene Stoffe, es wurden auch andere Themen eingebracht, die das Spektrum erweiterten. Das war sehr wichtig, und es war sicherlich ein Ziel, das wir hatten und immer noch haben. Aber jedes Jahr ändert sich etwas. Man weiß nie, was man entdecken wird und was im Programm landet. Paz: Genau. Und in diesem Sinne war dieses Jahr ganz anders als das letzte, einfach weil die Filme so markant waren. Zum Beispiel hatten wir im vergangenen Jahr viele Filme zur Auswahl, in denen es um lesbische Thematiken ging – in diesem Jahr nicht. Michael: Weil sie fast alle im Wettbewerbsprogramm gelandet sind! Paz (lacht): Ja, wir sind ein wenig eifersüchtig. Aber natürlich freuen wir uns sehr für sie. Michael: Und das ist das Schöne am TEDDY. Es gibt Filme aus allen Bereichen und wir freuen uns sehr, dass es in diesem Jahr so viele queere Inhalte beim Festival gibt.
Wie habt ihr die Filme in diesem Jahr ausgewählt und was sind die wichtigsten Themen des queeren Programms?
Michael: Wir interessieren uns für Filme, die Grenzen überschreiten. Wir sind auf der Suche nach Filmen mit einer unverwechselbaren individuellen Stimme und einer einzigartigen Vision. Eine intersektionale Art des Erzählens und der Struktur ist uns ebenfalls sehr wichtig. Paz: Teil der Arbeit ist es auch, sich verschiedene Filme anzusehen, denn es gibt viel zu lernen von dem, was in der Filmpraxis allgemein in einem bestimmten Jahr passiert. Alle Filme, die wir in diesem Jahr ausgewählt haben, haben ihre Brüder und Schwestern da draußen, die es aus verschiedenen Gründen nicht in unser Programm geschafft haben. Man könnte sagen, dass wir den Puls des Filmschaffens jedes Jahr abtasten. Und dieser Puls ist definitiv ganz anders als im letzten Jahr. Bei den queeren Materialien ist die sexuelle und geschlechtsbezogene Fluidität gerade bei jüngeren Generationen in den Mittelpunkt gerückt. Es ist alles sehr aufregend. Michael: Ja, auch Bisexualität wird in den diesjährigen Filmen breiter diskutiert, was im Kino ziemlich selten ist. Es wird ein immer größeres Thema. Genauso auch die Fluidität, die Paz erwähnt hat. Und das tun sie, weil sie die Realität der Dinge widerspiegeln. Die Dinge sind nicht mehr so stark festgelegt wie früher für unsere Generation oder die Generationen davor. Es existiert mittlerweile eine völlig andere Herangehensweise an Identität und sexuelle Fluidität, und das alles spiegelt sich in den diesjährigen queeren Filmen wider. Paz: Absolut. Die Filme stellen sehr wichtige und dringende Fragen. Warum muss ich mich definieren? Viele Filme beschäftigen sich in diesem Jahr mit dieser Frage. Das zu sehen, war sehr erfrischend. Vor allem, dass diese Filme geografisch betrachtet von sehr unterschiedlichen Orten stammen. Es scheint ein übergreifendes Thema zu sein, und ich freue mich sehr über diesen Trend. Michael: Auch die Kritik und Herausforderung der Norm ist als Thema in diesem Jahr sehr ausgeprägt. Das hatten wir schon immer, aber gerade dieses Jahr liegt der Schwerpunkt darauf. Wie beispielsweise in Normal. Das ist kein klassischer, typisch queerer Film, überhaupt nicht. Es ist ein Film, der binäre Geschlechtereinteilungen und Stereotypen dekonstruiert, indem er sich mit Ritualen beschäftigt, die wir in der Gesellschaft immer wieder durchführen und die als normales Geschlechtsverhalten betrachtet werden. Es wird untersucht, warum es in der Gesellschaft keinen Raum zwischen Hypermaskulinität und Hyperfeminität gibt, wie man entweder klar das eine oder das andere sein muss. Der Film ist sehr interessiert an diesem erzwungenen Binärsystem. Paz: Der Film macht wirklich Spaß. Vor allem, weil der einzige Kommentar, den er anbietet, der Titel ist: Normal. Ansonsten beobachtet die Kamera lediglich und es ist das Publikum, das sich entscheiden muss, was es daraus machen soll. Und dann haben wir das genaue Gegenteil davon, eine Dokumentation namens Searching Eva. Eva ist ein absoluter Freigeist. Sie weigert sich, sich in irgendeiner Weise zu definieren. Sie erfindet sich jeden Tag neu, so wie sie es will. Identität erscheint als etwas, das formbar ist und mit dem man spielen und es so gestalten kann, wie man es möchte. Sie hat die Welt wirklich zu ihrem Zuhause gemacht. Dieser Film spielt zum Beispiel sehr offen mit den Ideen der Fluidität. Und das nicht nur in Bezug auf Eva, die Hauptfigur, sondern auch in Bezug auf die Welt um sie herum. Diese Filme bilden also die zwei gegenüberliegenden Seiten eines Spektrums. Und was dazwischen liegt, kommt aus den anderen Filmen.
Konntet ihr im diesjährigen Programm eine bestimmte queere Art des Filmemachens identifizieren?
In diesem Jahr wird das Panorama 40 Jahre alt. Wie hat sich das Panorama im Laufe der Jahre verändert? Was sind seine Kernwerte und sein Erbe?
Michael: Die Landschaften von Kino und Filmkultur haben sich in diesen 40 Jahren drastisch verändert, und damit auch die Sektion. Digitalisierung, Internet, Fernsehen, Vertrieb, die Art, wie Menschen auf Filme zugreifen – alles hat sich verändert. Für eine gewaltige Anzahl an Filmen sind Filmfestivals die einzige Möglichkeit der Distribution. Auch der filmische Output ist viel größer und vielfältiger. Natürlich gab es in diesen 40 Jahren so viele ikonische Filme, so viele Filme auch aus der New Queer Cinema-Bewegung, aber es gibt trotzdem mittlerweile eine größere Vielfalt. Die Grundwerte waren von Anfang an vorhanden. Was den TEDDY betrifft, war das in erster Linie die Notwendigkeit, innerhalb eines A-Filmfestivals einen Raum für queere Filme zu schaffen. Paz: Am Anfang funktionierte das alles mehr als ein Sicherheitsnetz. Wenn die anderen Sektionen nicht genügend queere Inhalte hatten, haben wir nachgeholfen. Inzwischen ist es ein organischer Prozess geworden. Panorama ist kein Wachhund über queere Inhalte mehr. Die Berlinale hat sich schon vor langer Zeit davon emanzipiert. Michael: Ja, wir sind da sehr privilegiert. Diese Filme kommen und finden ihren Weg in das Programm auf ganz organische Weise. Das liegt natürlich auch daran, dass Wieland Speck und Manfred Salzgeber diese Bühne und Stimme und Aufmerksamkeit für die Filme geschaffen haben. Sie haben nicht nur einen Markt für diese Filme geschaffen, sondern auch ein Publikum, was eine immens wichtige Sache ist. Sie wussten, dass das Publikum da draußen ist. Wir befinden uns in einer so riesigen urbanen Landschaft wie Berlin, und Vielfalt ist natürlich da draußen, aber man muss die Menschen eben auch wachrütteln. Paz: Es war für die beiden immer ein langfristiges Projekt. Sie wussten, dass dafür Zeit nötig ist und bauten es energisch auf, was wirklich einzigartig ist. Ich kenne kein anderes Festival, bei dem das so reibungslos ablaufen würde wie hier auf der Berlinale. Michael: Eine weitere tolle Sache ist die Vielfalt, die damit einhergeht. Die Filme in den Sektionen Forum und Forum Expanded sind völlig anders als die im Wettbewerb, Generation oder hier im Panorama. Es gibt jedes Jahr eine sehr große Auswahl an queeren Filmen und dass das alles einfach so organisch geschieht, ist eine enorme Leistung. Es gibt eine Vielfalt an Narrativen, aber auch an Ästhetik und visuellen Ansätzen. Das ist auch etwas, was den TEDDY äußerst relevant macht. Paz: Die bahnbrechende Vision von Manfred und Wieland wächst jedes Jahr und wird auf anderen Festivals adoptiert, was wirklich wunderbar ist.
Anlässlich des Jahrestages der Sektion gibt es ein spezielles Panorama 40-Programm, das dieses Jahr kuratiert wurde und sich mit der Geschichte des Panoramas beschäftigt. Was kann ein Filmfestival wie die Berlinale tun, um das queere Filmerbe zu bewahren, dem das Panorama in diesen vier Jahrzehnten eine Plattform geboten hat?
Michael: Es ist eine sehr wichtige, aber auch schwierige Frage. Das Festival findet nur einmal im Jahr statt, was bereits ein Problem darstellt. In der Welt gibt es verschiedene Modelle. Einige Festivals haben ein eigenes Kino und programmieren ihre Filme das ganze Jahr über, sie bringen auch alte Filme zurück oder buchen sie später für eine ganze Kinolaufzeit. Wir haben diese Option nicht, also machen wir andere Sachen. Wir kuratieren zum Beispiel Programme für andere queere Filmfestivals und Initiativen. Paz: Diese Frage stellt sich der TEDDY schon seit langem. Wie kann man ein Archiv für queere Filme aufbauen? Wie stellt man sicher, dass diese Filme ihren Platz haben und geschützt sind? Wie finden sie den Weg zurück zum Publikum? Und so hat die Queer Academy tatsächlich angefangen, das war die Grundidee dahinter. Michael: Ja, die Idee und Plan für die Queer Academy sind schon länger vorhanden, aber es ist einfach keine leichte Aufgabe, ohne jegliche finanzielle Unterstützung ein lebendiges Archiv aufzubauen. Das Arsenal zum Beispiel leistet wunderbare Arbeit in der Archivierung und Kuratierung, und sie haben viel queeres Material in ihrem Archiv. Paz: Einen Treffpunkt für queere Filmfestivalprogrammer innerhalb eines der größten A-Filmfestivals bieten zu können, ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Es ist eine gute Grundlage, um darauf aufzubauen. Es gibt viel zu tun, aber die Grundstruktur ist vorhanden und sehr solide. Michael: Ja, wir wollten schon immer alle queeren Filmfestivals einbeziehen, denn – und das ist auch im Falle der Berlinale außergewöhnlich – das Netzwerk, das zwischen den queeren Filmfestivals und der Industrie und allen, die sich für solche Inhalte interessieren, aufgebaut wurde, ist ein überaus wichtiger Teil der globalen Pflege eines queeren Erbes. Letzten Endes ist es ein Treffpunkt für Programmer, Industrie und Publikum. Das ist ein ganz wesentlicher Teil und großer Vorzug. Aber wenn man nicht über die finanziellen Mittel verfügt, ist es schwierig. Man braucht die Leute, die es dann tatsächlich auf die Beine stellen werden, und letzten Endes ist es ein Luxus. Es ist sehr schwer, die finanzielle Unterstützung zu bekommen. Wir haben es viele Male versucht und bisher hat es nicht funktioniert. Aber wir werden nicht aufgeben. Das erfordert viel Aufmerksamkeit, viel Zeit, viel Konzentration. Paz: Auch wenn man sich den European Film Market (EFM) einmal ansieht, sieht man, dass queeres Kino dort mit offenen Armen begrüßt wird. Das ist ein großer Bestandteil der Berlinale selbst. Die Industrie, die allein für den Markt und seine queeren Filme kommt, ist riesig. Das existiert sonst nirgendwo. Was Matthijs Wouter Knol für den EFM getan hat, ist bemerkenswert. Es gibt keinen anderen Filmmarkt auf der Welt, in dem es eine Person gibt, die speziell an Diversität und Inklusion arbeitet, wie Themba Bhebhe beim EFM. Was der EFM auf dieser Ebene geleistet hat, ist historisch einzigartig! Michael: Und ich denke, es gibt kein anderes Festival, bei dem der Markt so eng mit dem Programmingteam zusammenarbeitet. Wir arbeiten wirklich Seite an Seite. Natürlich spielt der EFM eine entscheidende Rolle bei der lebendigen Verbreitung queerer Filme,was eben auch Teil der Arbeit ist, wenn es um den Schutz dieses Erbes und der queeren Filmkultur geht.
Die ungleiche Verteilung von queeren Filmfestivals und Filmtiteln auf der ganzen Welt ist immer noch ein dominantes Thema. Der Queer Academy Summit 2019 ist eine gute Initiative, um auch diese Problematik zu diskutieren. Networking und Zusammenarbeit scheinen der Schlüssel zur Lösung zu sein. Glaubt ihr, dass das die Zukunft des queeren Kinos ist?
Michael: Eine andere Art von Netzwerk und ein Modell für eine gleichmäßige Verteilung ist sehr wichtig. Wir versuchen, Programmer mit der Industrie zusammenzubringen. Aber das Ganze ist sehr komplex. Und als Programmer kannst du nur bis zu einem gewissen Punkt handeln. Jemand muss ab einem bestimmten Schritt die Führung übernehmen. Das ist ein großes Thema in der Filmfestivaltheorie, aber irgendwie schafft es das nicht in die Praxis. Das ist stark mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden. Die Kreativität, die Ideen, die Leidenschaft sind alle im Übermaß vorhanden, aber es braucht etwas, um sie zu katalysieren. Und im Moment wirft auch das Diktat des Filmmarktes einige Schwierigkeiten auf. Da gibt es sehr starre Verhältnisse, wahrscheinlich starrer denn je. Wenn man sich ansieht, welche Filme das meiste Geld reinholen…. das sind alles Franchises. Unabhängige queere Stimmen sind in diesem Umfeld in einer schwierigen Situation. Paz: Auch die Vertriebslandschaft hat sich stark gewandelt. Neue Akteure wie Netflix oder Amazon haben das Ganze komplett verändert. Wir müssen uns dessen bewusst sein und darauf reagieren. Wir müssen mit diesem sich rapide verändernden Feld irgendwie Schritt halten. Als wir dieses Jahr in Toronto nach Filmen gesucht und Gespräche mit Leuten aus der Branche geführt haben, waren sich alle einig, dass sich das Spiel völlig verändert hat. Das ist nicht nötigenfalls schlecht oder gut, sondern bedeutet lediglich, dass wir uns in einer neuen Situation befinden, die natürlich neue Herausforderungen mit sich bringt. Wir sind alle neugierig, wohin das alles führt, aber sicherlich wird es auch Auswirkungen auf die Verbreitung queerer Titel haben. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es positive Auswirkungen sein werden.
Letztes Jahr sagte eine Freundin von mir, dass sie das Panorama und innerhalb des Panoramas den TEDDY besonders mag, weil es eine Sektion mit Persönlichkeit ist, die den Zuschauer direkt anspricht. Was ist der Schlüssel zum Erfolg des Panoramas, sich so gut mit dem Publikum zu verbinden?
Michael: Es ist auch historisch so gewachsen. Manfred und Wieland haben für diese Filme ein Publikum geschaffen und vor allem darin liegt der Schlüssel. Paz: Wir haben einen Publikumspreis, das Publikum fühlt sich sehr sichtbar und integriert. Wir haben Q&As, die sehr lang sind, aber die Leute bleiben gerne. Und das ist eine ziemlich große Sache! Während eines Festivals hat jeder sehr volle Zeitpläne, die Leute müssen immer zur nächsten Vorstellung rennen, oder Essen holen, oder was auch immer. Aber die Leute bleiben für Q&As und beteiligen sich und ich denke, das hat große Wirkung. Wir sind auch sehr präsent. Michael: Ja, die Leute wollen sich beteiligen. Und das hat viel mit dem Programm zu tun. Verschiedene Arten von Visionen, Erzählungen, Orten und Perspektiven können hier entdeckt werden. Die eigene Perspektive wird oft in Frage gestellt, was das gesamte Publikum anspricht. Das Berliner Publikum ist in der Regel sehr gebildet und politisch, sie sind sehr aktiv. Sie wollen nicht die ganze Zeit überflüssiges Zeug sehen. Sie wollen etwas lernen und sie wollen etwas sehen. Deshalb haben wir diese Mischung, dass neue Visionen und herausforderndes Material präsentiert werden, die aber trotzdem zugänglich sind. Paz: Wir sind da, wir sind greifbar. Wir verstecken uns nicht im Glamour. Es ist ein Festival, bei dem alle auf Augenhöhe präsent sind: Programmer, Industrie, Presse, Publikum, alle. Michael: Allerdings. Es ist einfach alles sehr zugänglich. Für alle Menschen – nun, das wäre nicht ganz richtig. Man muss für die Tickets bezahlen, man muss Englisch verstehen, aber trotzdem, vor allem im Vergleich zu anderen Festivals, ist es für das Publikum sehr zugänglich. Paz: Filmemacher sind auch sehr offen und wollen ihr Publikum kennenlernen. Sie mögen es, sich mit ihnen zu beschäftigen und sie freuen sich darauf! Auch in diesem Sinne ist unser Budget sehr begrenzt. Aber trotzdem leistet das Team hervorragende Arbeit und die Filmemacher sind daran immer beteiligt. Es ist einfach ein Teil der Panorama-DNA. Keiner scheut irgendwelche Mühen, um die Dinge möglich zu machen. Es ist eine Leidenschaft, die wir teilen, und die dabei hilft, unsere Grenzen zu überschreiten. Das haben wir von Anfang an gelernt, und das geht wiederum alles auf die fantastische Arbeit von Manfred und Wieland und die enorme Arbeit des Panorama-Teams zurück. Irgendwie ist es einfach nie eine Frage. So funktioniert das Panorama eben.