Oh wie doch die Zeit verfliegt! Schon ist Donnerstag und wir gehen auf das finale Wochenende der Berlinale zu. Aber keine Angst, noch immer könnt ihr viele Prämieren mitnehmen und zwischen haufenweisen Filmvorstellungen umherhetzen, also bleibt am Ball!
Die Filme unserer heutigen Auswahl liegen über 80 Jahre auseinander und behandeln die Themen der mentalen Gesundheit und des physischen Körpers. Sowohl in ‚Ludwig der Zweite‘ als auch ‚Touch Me Not‘ werden Verwirrungen des Körpers und des Geistes in Augenschein genommen. In seinem ersten Film fiel Ludwig geistiger Verwirrung zum Opfer, in diesem zweiten jedoch werden wir Zeugen einer positiveren Aufarbeitung der menschlichen Psyche. Vielleicht ein Zeichen der Zeit?
Ludwig der Zweite, König von Bayern (Ludwig II of Bavaria)
Director: Wilhelm Dieterle
Germany, 1930, 132′, German intertitles
Screening: 19.00, CinemaxX 8

In seinen letzten Lebensjahren widmet sich der bayerische König Ludwig II. (1845-1886) ehrgeizigen künstlerischen Bauprojekten, die die Staatsfinanzen auf das Äußerste strapazieren. Zugleich flüchtet sich der menschenscheue Monarch auf seinen Schlössern immer mehr in eine Traumwelt. Sein Bruder ist in einer psychiatrischen Anstalt interniert, und schließlich wird auch Ludwig unter die Aufsicht des Psychiaters Dr. Gudden gestellt. Diesem Kuratel versucht er sich am Starnberger See zu entziehen … »Wenn den Oberen einer nicht passt, muss er weg …« Aus einer volksnahen Perspektive zeichnet die Geschichte des »Märchenkönigs« den Weg eines gebrochenen Charakters in die geistige Zerrüttung. In Wilhelm Dieterles Lesart befördern Hofschranzen und Beamte, der Thronfolger und die Ärzteschaft diese Entwicklung noch zusätzlich. Darum zog der sachlich gehaltene Film, der Ludwigs Faszination für nackte Männerkörper nicht unterschlägt, heftige Angriffe aus Bayern auf sich. Als die Berliner Zensurbehörden Eingriffe verweigerten, verhängte der Münchner Polizeipräsident ein Aufführungsverbot wegen »Gefährdung der öffentlichen Ordnung«.
Touch Me Not
Director: Adina Pintilie
Romania/Germany/Czech Republic/Bulgaria/France, 2018, 125′, English, German
Screening: 22.00, Berlinale Palast

Laura kann sich nicht berühren lassen. Sie schreckt zurück, wenn jemand sie anfasst oder ihre Hand ergreift. Sie sucht einen Therapeuten auf, bestellt sich einen Callboy, doch ihr Körper bleibt ein Panzer. In losen Szenenfolgen werden weitere Menschen auf der Suche nach Intimität begleitet. Christian, der mit vielen körperlichen Einschränkungen leben muss, spricht unbefangen von seinen Vorlieben, Abneigungen und über
sein Liebesleben mit der langjährigen Freundin. Das Paar besucht einen Workshop für Körperwahrnehmung. Menschen jeden Alters mit und ohne Behinderung nehmen daran teil. So auch Tudor, der mit seinem kahlen Kopf seltsam verletzlich wirkt und die verschiedenen Formen seines Begehrens erst noch finden und akzeptieren muss. Eine laborartige Atmosphäre und kühle Bilder helfen dem Zuschauer, sich von vorgefassten Meinungen und Vorstellungen von Intimität zu befreien. Der Film begibt sich auf eine emotionale Expedition, um die verschiedenen Facetten von Sexualität jenseits aller Tabus auszuleuchten. Dabei entwickelt jede Szene, unabhängig davon, ob die Situationen gespielt oder dokumentarisch sind, ihre eigene Wahrhaftigkeit.








Nach Léchez-nous, Miaou, Miaou! (Generation 2016) erzählt Marie de Maricourt erneut von einer schillernden Rebellion sexueller Identität. Sarahs Sehnsüchte scheinen in ihrem Elternhaus keinen Platz zu haben. Die fremdbestimmte Atmosphäre in dem gutbürgerlichen Haushalt erlebt die junge Frau beengender als ihren Rollstuhl. Mithilfe einer heimlichen Komplizin findet sie jedoch Wege, das düstere Anwesen in einen Tempel der Wonne zu verwandeln. Info: 




Voller Erwartungen kommt Etienne aus Lyon nach Paris, um an der Sorbonne Filmregie zu studieren. Seine Freundin Lucie lässt er mit dem Versprechen zurück, sich regelmäßig per Skype bei ihr zu melden. In seinem Kurs trifft er unter anderem auf Jean-Noël und Mathias, die ebenfalls aus kleineren Städten in die Metropole gekommen sind und seine Leidenschaft fürs Kino teilen. Gemeinsam diskutiert man über Filmklassiker, liest Texte von Flaubert und Pasolini, hört Bach und Mahler. Während sich Jean-Noël als umgänglicher Freund erweist, der Etiennes fragiles Selbstbewusstsein zu stärken versucht, wirkt Mathias oft streng, unnahbar und geheimnisvoll. Er streitet sich gern und taucht wochenlang ab, ohne dass die anderen wissen, wo er sich gerade aufhält. Auch seinen Studentenfilm bekommt niemand zu Gesicht. Besonders enttäuscht ist Etienne, als er zufällig entdeckt, dass Mathias ein Geheimnis mit Annabelle teilt, jener idealistischen jungen Frau aus seiner Wohngemeinschaft, in die er heimlich verliebt ist. Jean Paul Civeyracs zärtlich-melancholische schwarz-weiße Studie über Erfahrungen mit der Kunst und dem Leben ist zugleich eine Liebeserklärung ans klassische Kino und an die Stadt Paris. 

















