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CSD 2018 – Ein Moment der Erinnerung

Der Christopher Street Day ist zum 40. Mal in Berlin angekommen und verspricht größer und bunter zu werden als je zuvor. Das jährliche Fest der LGBTQI*-Community ist sicherlich eines der schönsten Ereignisse des Jahres, aber (und das ist wichtig) auch eine Demonstration. Während die westliche Welt zu Recht stolz (kein Wortspiel beabsichtigt) auf ihre Errungenschaften in Bezug auf Toleranz und Akzeptanz sein kann, ist es auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Leben von LGBTQI* in vielen Teilen der Welt ständig bedroht ist, dass verschiedene Mitglieder der Gemeinschaft von der hegemonialen Domäne und auch von der Gemeinschaft selbst unterschiedlich behandelt werden, dass CSD nicht als selbstverständlich angesehen werden sollte und dass der Blick auf die Geschichte dieses freudigen Ereignisses ein Muss ist.

Die Sonne scheint, die sommerliche Hitzewelle schlägt immer noch hart zu, und mit dem Zauber der Mondfinsternis von gestern Abend in der Luft ist alles für eine wunderbare Parade in der Mitte Berlins gegeben. Musik, Tanz, Stolz und ein vibrierendes Gefühl der Freiheit werden heute die Straßen füllen. Das ist an sich schon sehr mächtig. Aber der zugrunde liegende politische Antrieb ist es, der CSD (und jedes andere Stolzereignis) besonders macht. Die Sichtbarkeit einer unterdrückten Gemeinschaft (hier sehr präsent), die Rückgewinnung öffentlicher Räume und der Protest gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Ignoranz und Diskriminierung durch laute Musik, laute Farben, Glitzer und die ausgelassensten Tanzbewegungen machen CSD auffällig. Politik vermischt mit Glück und stolzer Selbstdarstellung. Die Extravaganz, die Verspieltheit und das Übermaß an Ausdrücken ist mehr als nur Fröhlichkeit und Fröhlichkeit: es ist alles etwas vom Kern der queeren Politik. Es ist subversiv, es ist befreiend und es ist ermächtigend.

Während die Party-Vibes sicherlich ansprechend sind, ist es auch wichtig, sich daran zu erinnern, was wir feiern und wofür wir marschieren. Wir sollten die erstaunlichen Leistungen der Gemeinschaft und der queeren sozialen Bewegungen auf der ganzen Welt würdigen, denn das sind hart umkämpfte Leistungen. Aber lassen Sie mich heute auf das hart umkämpfte Element eingehen, denn ich glaube, das ist etwas, das manchmal unter den pulsierenden Beats verblasst. An diesem Tag würde ich gerne tanzen, ja. Aber ich möchte mir auch die Zeit nehmen, mich zu erinnern.

Ich möchte mich heute an all jene erinnern, die unaufhaltsam für eine Welt gekämpft haben, in der ich meine Sehnsucht und Liebe nicht verstecken muss.
Ich möchte an diejenigen erinnern, die im Kampf gestorben sind.
Ich möchte mich an die ersten geworfenen Steine erinnern.
Ich möchte mich an die Tränen, das Lachen, den Schweiß und die Liebe erinnern, die die Reise bis heute geprägt haben.
Ich möchte mich an den ersten Marsch erinnern.
Ich möchte daran erinnern, wie andere soziale Bewegungen unserer Sache geholfen haben und wie wir anderen geholfen haben.
Ich möchte an den Mut, die Kreativität und die immense Willenskraft derer erinnern, die für LGBTQI* gekämpft haben.

Ich möchte mich erinnern, damit ich nicht vergesse, wie wir hierher gekommen sind. Der Blick in die Vergangenheit ist entscheidend. Sie kämpft gegen das Vergessen, und das ist für die LGBTQI*-Community besonders wichtig. Unsere his/herstory_ies sind in den Geschichtsbüchern nicht detailliert und ihre Wesentlichkeit ist in öffentlich geförderten Institutionen nicht gesichert. Wir müssen uns erinnern. Wir müssen. Worauf bauen wir sonst unsere Zukunft auf?

Aber heute möchte ich auch an andere denken, die unsere Gedanken und Unterstützung brauchen.

Ich möchte an diejenigen denken, die immer noch sehr hart kämpfen.
Ich möchte an diejenigen denken, deren Kampf von Angst um ihr Leben und körperliches Wohlbefinden geprägt ist.
Ich möchte an diejenigen denken, die aus Angst um ihr Leben und mit der Hoffnung auf eine freiere und glücklichere Zukunft aus ihren Heimatländern weglaufen, um dann in ihrem gewählten Land der „Toleranz“ festgehalten und verhört zu werden.
Ich möchte an die trans*-Menschen denken, die dafür ermordet wurden, dass sie trans* waren.
Ich möchte an all die Kinder und Jugendlichen denken, die in ihren Gemeinden wegen ihrer Andersartigkeit schikaniert wurden und werden.
Ich möchte an diejenigen denken, die sich immer noch dafür hassen, anders zu sein.

Und als die Parade beginnt und ich anfange, mit der Menge auf dem hitzigen Asphaltmeer Berlins zu laufen und zu tanzen, möchte ich immer wieder an andere denken, mit denen ich diese freudige Parade nicht teilen kann. Vielleicht liegt hier ein Teil der Macht des CSD.

Der TEDDY AWARD wünscht allen einen glücklichen, befreienden und ermutigenden CSD 2018.

TEDDY TODAY: Donnerstag Februar 22

Oh wie doch die Zeit verfliegt! Schon ist Donnerstag und wir gehen auf das finale Wochenende der Berlinale zu. Aber keine Angst, noch immer könnt ihr viele Prämieren mitnehmen und zwischen haufenweisen Filmvorstellungen umherhetzen, also bleibt am Ball!

Die Filme unserer heutigen Auswahl liegen über 80 Jahre auseinander und behandeln die Themen der mentalen Gesundheit und des physischen Körpers. Sowohl in ‚Ludwig der Zweite‘ als auch ‚Touch Me Not‘ werden Verwirrungen des Körpers und des Geistes in Augenschein genommen. In seinem ersten Film fiel Ludwig geistiger Verwirrung zum Opfer, in diesem zweiten jedoch werden wir Zeugen einer positiveren Aufarbeitung der menschlichen Psyche. Vielleicht ein Zeichen der Zeit?

Ludwig der Zweite, König von Bayern (Ludwig II of Bavaria)
Director: Wilhelm Dieterle
Germany, 1930, 132′, German intertitles

Screening: 19.00, CinemaxX 8

In seinen letzten Lebensjahren widmet sich der bayerische König Ludwig II. (1845-1886) ehrgeizigen künstlerischen Bauprojekten, die die Staatsfinanzen auf das Äußerste strapazieren. Zugleich flüchtet sich der menschenscheue Monarch auf seinen Schlössern immer mehr in eine Traumwelt. Sein Bruder ist in einer psychiatrischen Anstalt interniert, und schließlich wird auch Ludwig unter die Aufsicht des Psychiaters Dr. Gudden gestellt. Diesem Kuratel versucht er sich am Starnberger See zu entziehen … »Wenn den Oberen einer nicht passt, muss er weg …« Aus einer volksnahen Perspektive zeichnet die Geschichte des »Märchenkönigs« den Weg eines gebrochenen Charakters in die geistige Zerrüttung. In Wilhelm Dieterles Lesart befördern Hofschranzen und Beamte, der Thronfolger und die Ärzteschaft diese Entwicklung noch zusätzlich. Darum zog der sachlich gehaltene Film, der Ludwigs Faszination für nackte Männerkörper nicht unterschlägt, heftige Angriffe aus Bayern auf sich. Als die Berliner Zensurbehörden Eingriffe verweigerten, verhängte der Münchner Polizeipräsident ein Aufführungsverbot wegen »Gefährdung der öffentlichen Ordnung«.

Touch Me Not
Director: Adina Pintilie
Romania/Germany/Czech Republic/Bulgaria/France, 2018, 125′, English, German

Screening: 22.00, Berlinale Palast

Laura kann sich nicht berühren lassen. Sie schreckt zurück, wenn jemand sie anfasst oder ihre Hand ergreift. Sie sucht einen Therapeuten auf, bestellt sich einen Callboy, doch ihr Körper bleibt ein Panzer. In losen Szenenfolgen werden weitere Menschen auf der Suche nach Intimität begleitet. Christian, der mit vielen körperlichen Einschränkungen leben muss, spricht unbefangen von seinen Vorlieben, Abneigungen und über
sein Liebesleben mit der langjährigen Freundin. Das Paar besucht einen Workshop für Körperwahrnehmung. Menschen jeden Alters mit und ohne Behinderung nehmen daran teil. So auch Tudor, der mit seinem kahlen Kopf seltsam verletzlich wirkt und die verschiedenen Formen seines Begehrens erst noch finden und akzeptieren muss. Eine laborartige Atmosphäre und kühle Bilder helfen dem Zuschauer, sich von vorgefassten Meinungen und Vorstellungen von Intimität zu befreien. Der Film begibt sich auf eine emotionale Expedition, um die verschiedenen Facetten von Sexualität jenseits aller Tabus auszuleuchten. Dabei entwickelt jede Szene, unabhängig davon, ob die Situationen gespielt oder dokumentarisch sind, ihre eigene Wahrhaftigkeit.

TEDDY TODAY: Dienstag Februar 20

Ohhhhhhh die Hälfte ist geschafft! Und wenn eure Koffein-Pegel noch nicht durch die Decke schießt, eure Tränensäcke noch nicht wie Blutergüsse unter euren Augen hängen und ihr in hungernder Verzweiflung die nächtlichen Ausflüge zu McDonald’s bisher vermeiden konntet, dann macht ihr etwas falsch. Und dem Rest unter euch hartgesottenen Kämpfern sagen wir mit den Worten des wundervollen Bon Jovi: „Nimm meine Hand, wir schaffen das – ich verspreche es!“. Noch immer könnt ihr euch an vielen neuen Filmen ergötzen, einschließlich des Highlights des heutigen Tages: Gus Van Sants neuestes Werk ‚Don’t Worry He Won’t Get Far on Foot‘. Besucht unseren YouTube-Kanal, um dem Meister persönlich im Gespräch über seinen Film und seine Beziehung zum TEDDY AWARD zu lauschen.

Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot
Director: Gus Van Sant
USA, 2018, 113′, English

Screening: 19.00, Berlinale Palast

Displaying Joaquin Phoenix © 2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC_web_02.png

John hat eine Vorliebe für schräge Witze – und ein Alkoholproblem. So kann er einfach nicht Nein sagen, als ihn eine Partybekanntschaft
zur Sauftour quer durch L.A. überredet. Betrunken schläft er auf dem Beifahrersitz des Zechkumpans ein und erwacht am nächsten Morgen querschnittgelähmt im Krankenhaus. Mit 21 Jahren an den Rollstuhl gefesselt, braucht er all seinen Humor, um wieder Sinn in seinem Leben zu finden. Dabei hilft ihm Annu, die seine Lebenslust zurückkehren lässt, genauso wie der Hippie Donny, in dessen unkonventionellen Anonyme- Alkoholiker-Meetings Menschen mit den unterschiedlichsten Schicksalen aufeinandertreffen und lernen, ihr Dasein aus anderen Perspektiven zu betrachten. John erkennt Schönheit und Komik in den Abgründen menschlicher Erfahrungen und nutzt sein künstlerisches Talent, um sie in scharf beobachtete Cartoons zu verwandeln. Gus Van Sants biografisches Drama basiert auf den Memoiren des Cartoonisten John Callahan. Das fiktive Porträt erzählt zärtlich, melancholisch und mit hoffnungsvoller, bejahender Energie von einem Leben mit Einschränkungen. Wie in vielen seiner Filme thematisiert Van Sant auch hier die Suche nach Identität im Umfeld sozialer Subkulturen und ungewöhnlicher Milieus.

High Fantasy
Director: Jenna Bass
South Africa, 2017, 74′, English

Screening: 17.30, Haus der Kulturen der Welt

Displaying X_Qondiswa James, Liza Scholtz, Nala Khumalo, Francesca Varrie Michel © Gabriella Achadinha Keine Freigabe für Social Media.jpg

„Ich versuche nicht davor zu fliehen, wer ich bin. So ist es nun mal, ich wurde in diesen Körper geboren und kann ihm nicht entkommen. Bin ich wütend darüber, was er ist? Ja.“ Eine unverfängliche Vorstellung, weil man davon ausgehen kann, dass sie ohnehin nie Realität wird: im Körper eines anderen Menschen zu stecken. Lexi und ihren Freund*innen widerfährt während eines Campingtrips aber genau das. Der Schock ist riesig. Zumal es bereits vor dem unerklärbaren Ereignis Spannungen gegeben hat: zwischen den drei jungen Frauen und Thami, dem einzigen Mann, aber auch zwischen der weißen Lexi und der schwarzen Xoli. Im Bann des Körpertauschs brechen Konflikte auf, die symptomatisch für die gesellschaftlichen Verwerfungen in der südafrikanischen Rainbow Nation stehen. Eingefangen mit den Smartphones der Protagonist*innen entspinnt sich ein ebenso kluger wie bissiger Versuch über die Politik der Körper, Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid.

Pasolini
Director: Abel Ferrara
France/Italy/Belgium, 2014, 84′, English, Italian, French

Screening: 21.30, CinemaxX 8

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Nichts deutet darauf hin, dass dies der letzte Tag im Leben des italienischen Schriftstellers und Regisseurs Pier Paolo Pasolini sein wird. Auch den Morgen des 2. November 1975 verbringt er zusammen mit seiner Mutter, ehe er Zeitung liest und an einem Drehbuch arbeitet. Zum Mittagessen kommt die Schauspielerin Laura Betti zu Besuch. Am Nachmittag empfängt Pasolini einen Journalisten, um ein weiteres Interview zu seinem »Skandalfilm« Die 120 Tage von Sodom zu geben. Abends trifft er Freunde in einem Restaurant, anschließend fährt er mit seinem Alfa Romeo zum Schwulenstrich, wo der 17-jährige Pino Pelosi zu ihm ins Auto steigt. Als er mit ihm zum Strand von Ostia fährt, taucht dort aus dem Dunkel eine Gruppe von jungen Männern auf …Unterbrochen wird die Erzählung von Szenen, die nach Pasolinis letztem Drehbuch entstanden und die unter anderem den Pasolini-Schauspieler Ninetto Davoli beim Besuch eines vermeintlichen »Homosexuellenparadieses« zeigen. Im Kontrast zu dessen quirliger Komik verkörpert Willem Dafoe Pasolini als kontemplativen Menschen. Angereichert mit vielen originalen Pasolini-Zitaten, gibt seine konzentrierte Darstellung eine Ahnung davon, wie es gewesen sein könnte …

TEDDY TODAY: Sonntag Februar 18

Am heutigen Sonntag wird es erotisch: Wir haben einige der erotischsten TEDDY-Filme dieses Jahres auf dem Spielplan! Von den mit Neon-Farbe beschmierten Körpern in ‚Tinta Bruta‘ über die verführenden Bühnenperformances von Trans-MC Lynn da Quebrada hin zum wunderbar bemächtigenden Stoß-Tanz der Frauen in ‚Juck‘ – unsere heutige Auswahl feiert Sexualität in jeglicher Form. Lasst euren tierischen Instinkten bei diesem Augenschmaus von lustvollem Film freien Lauf. 

L’ Animale

Director: Katharina Mueckstein
Austria 2018 97′, German

Screening: 19.00, Zoo Palast 1

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In Österreich heißt der höchste Schulabschluss „Matura“. Anders als in „Abitur“ (von „abire“ für „davongehen“) steckt darin vor allem der Gedanke der Reifeprüfung. Mati plant wie ihre Mutter Tierärztin zu werden und dazu ihren überschaubaren kleinstädtischen Kosmos Richtung Wien zu verlassen. Doch vorerst stellt sich die Frage, ob sie reif ist für diese Zukunft. Ihre langen Haare bindet sie zum strengen Knoten, der Nacken ist ausrasiert und im Maturakleid sieht Mati, wie sie selbst sagt, aus wie ein Clown. Sie hängt mit den Jungs ab und heizt mit ihnen auf ihrer Motocross- Maschine durch den Steinbruch. Als sich in der Disko eine Klassenkameradin gegen die sexuelle Belästigung durch einen von Matis Kumpels wehrt, spuckt Mati ihr ins Gesicht. Doch genau wie die Ehe ihrer Eltern bekommt Matis Crossfahrerclique Risse, als Fragen nach Freundschaft, Liebe und Sexualität deutlicher in den Vordergrund rücken. In ihrem zweiten Spielfilm setzt Katharina Mueckstein klare Bilder, klare Worte und coole Synthesizer-Beats ein, um von einer nicht leicht erklärbaren jungen Frau vor ihrem „Davongehen“ zu erzählen. Dass Reife und Zukunftsfragen nichts mit Alter zu tun haben, zeigt das Schweigen der Erwachsenen.

Bixa Travesty (Tranny Fag)
Director: Claudia Priscilla, Kiko Goifman
Brazil 2018, 75′, Portuguese

Screening: 20.00, CineStar 7

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Als schwarze Transfrau aus den armen Peripherien São Paulos erhebt die Pop-Figur Linn da Quebrada ihre Stimme für die Queers of Colour aus den Favelas. Mit ihrer Jugendfreund*in und Partner*in in Crime, der schwarzen Transfrau und Sängerin Jup de Bairro, performt sie in fulminanten Konzerten. Mit exorbitanten Kostümen und viel Twerking unternimmt sie eine elektro-musikalische Attacke gegen die weiße heteronormative Geschlechterordnung Brasiliens und den Machismus der dortigen Funk-Musikszene. Ihre zärtliche Seite zeigt sich in privaten Szenen – beim Duschen mit Freund*innen oder beim Kochen mit ihrer Mutter spricht sie über Liebe, Rassismus und Armut. In Archivmaterial – selbstgedrehten Videos – sehen wir sie bei intimen Performances während einer Krebsbehandlung im Krankenhaus. Es wird zunehmend klar, dass Linn radikale Nacktheit als Mittel zur Unterwanderung von Genderrollen einsetzt. Die Dokumentation zeigt sie außerdem in inszenierten Radiointerviews, in denen sie ihre Überzeugungen zu Feminismus und ihrer Transsexualität sprachgewaltig präsentiert: Linn will keine Cis-Frau sein, sondern eine Frau mit Penis, deren Genderidentität nicht an Genitalien gebunden sondern im stetigen Wandel begriffen ist.

Der Himmel auf Erden (Heaven on Earth)
Director: Reinhold Schünzel, Alfred Schirokauer
Germany 1927, 113′, German inter-titles

Screening: 19.30, CinemaxX 8

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Lautstark wettert der Abgeordnete Traugott Bellmann gegen den Sittenverfall im Allgemeinen und gegen das berüchtigte Nachtlokal »Himmel auf Erden« im ganz Besonderen. Pech für ihn, dass er die Lokalität erbt – nebst einer halben Million Mark, und ausgerechnet an jenem Tag, da er zum Präsidenten des Sittlichkeitsvereins ernannt wird! Pech auch, dass sein verstorbener Bruder das Erbe an die Bedingung geknüpft hat, Traugott müsse Nacht für Nacht von zehn bis drei in dieser »Hölle des Lasters« schmoren. Noch mehr Pech, dass dies alles an Traugotts Hochzeitstag geschieht und im Schlafzimmer die Tochter eines ehrbaren Sektfabrikanten ihren Bräutigam erwartet … Shimmy, Jazz und Girlkultur: Mit frivolen Anspielungen und überschäumendem Witz fügt der Film Elemente des urbanen Entertainments zu einer Attacke auf das Schmutz- und Schundgesetz von 1926. Zugleich feiert er das Kino als zirzensisches Medium, indem er Kleinkünstlern zu großen Auftritten verhilft. Die Türen fliegen wie bei Lubitsch, und als mondäner Damen-Impersonator bringt der spätere Viktor-und-Viktoria-Regisseur Reinhold Schünzel schon hier die Geschlechteridentitäten zum Tanzen.

Juck
Director: Olivia Kastebring, Julia Gumpert, Ulrika Bandeira
Sweden, 2018, 18′, Swedish

Screening: 15.30, CinemaxX 3

Displaying © Badland : Dea Saracevic Keine Freigabe für Social Media 1.jpg

Juck ist Sex. Juck ist Energie. Juck ist Protest. Juck ist Therapie. Juck ist Aktion. Juck ist Dominanz. Juck ist Provokation. Juck ist Toleranz. Juck ist Bewegung. Juck ist Fantasie. Juck ist Erregung. Juck ist Utopie. Juck ist, sich selbst zu sehen, auch wenn es schwer ist. Juck ist, sich nicht für seine Existenz zu entschuldigen. „Weiblichkeit ist ein Wort, das wir mit allem füllen können, was wir wollen“, sagen sie. Sie füllen es mit Juck .

Mes provinciales (A Paris Education)
Director: Jean Paul Civeyrac
France, 2018, 136′, French

Screening: 19.00, Kino International

Displaying Andranic Manet, Sophie Verbeeck © Moby Dick Films

Voller Erwartungen kommt Etienne aus Lyon nach Paris, um an der Sorbonne Filmregie zu studieren. Seine Freundin Lucie lässt er mit dem Versprechen zurück, sich regelmäßig per Skype bei ihr zu melden. In seinem Kurs trifft er unter anderem auf Jean-Noël und Mathias, die ebenfalls aus kleineren Städten in die Metropole gekommen sind und seine Leidenschaft fürs Kino teilen. Gemeinsam diskutiert man über Filmklassiker, liest Texte von Flaubert und Pasolini, hört Bach und Mahler. Während sich Jean-Noël als umgänglicher Freund erweist, der Etiennes fragiles Selbstbewusstsein zu stärken versucht, wirkt Mathias oft streng, unnahbar und geheimnisvoll. Er streitet sich gern und taucht wochenlang ab, ohne dass die anderen wissen, wo er sich gerade aufhält. Auch seinen Studentenfilm bekommt niemand zu Gesicht. Besonders enttäuscht ist Etienne, als er zufällig entdeckt, dass Mathias ein Geheimnis mit Annabelle teilt, jener idealistischen jungen Frau aus seiner Wohngemeinschaft, in die er heimlich verliebt ist. Jean Paul Civeyracs zärtlich-melancholische schwarz-weiße Studie über Erfahrungen mit der Kunst und dem Leben ist zugleich eine Liebeserklärung ans klassische Kino und an die Stadt Paris.

Onde o Verão Vai (episódios da juventude)/ Where the Summer Goes (chapters on youth)
Director: David Pinheiro Vicente
Portugal 2018 20′, Portuguese

Screening: 21.30, CinemaxX 3

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Die Hitze des Sommers flirrt. Eine Gruppe von Freunden fährt in den Wald. Die Körper sind dicht gedrängt in diesem Auto. Vier auf der Rückbank, zwei vorne. Die Männer küssen. Im Wald finden sie eine Schlange. Die Schlange ringelt sich über den Fuß des jungen Mannes. Das Mädchen hält sie in den Händen. Zwei Männer essen Pfirsiche. Nach dem Kuss ist der Tag vorüber. Die Komposition der Gruppe in einem Bildrahmen erinnert an die frühen Filme von Asghar Farhadi, in denen ebenfalls immer wieder der Einzelne der Gruppe gegenübersteht. Die Inszenierung der Jugend ist modern und gleichzeitig in ihren Blicken und Gesten ein Verweis auf die Malerei des Barock, ohne jemals das Heute zu vergessen. In vier Kapiteln eignet sich der 21-jährige David Vincente den Anfang aller Erzählungen der monotheistischen Religionen an und interpretiert ihn neu. Reframing his-story.

Para Aduma (Red Cow)
Director: Tsivia Barkai Yacov
Israel, 2018, 90′, Hebrew

Screening: 17.00, Haus der Kulturen der Welt

Displaying Avigayil Koevary © Boaz Yehonatan Yacov.jpg

„Wie denkst du über intime Beziehungen? Sag ruhig, zöger nicht.“ · „Ich denke, sie sind die höchste Verbindung zwischen zwei Seelen.“ Ihr Haar ist so rot wie das Fell des Kuhkalbs, von dem sich der strenggläubige Vater die prophezeite Erlösung erhofft. So einsam
und gefangen wie das Kalb in seinem Gatter fühlt sich die 17-jährige Benny auch. Ihre Mutter hat sie bei der Geburt verloren, seither lebt sie allein bei ihrem fürsorglichen, patriarchalischen Vater, der für viele in der Jerusalemer Gemeinde Autoritätsperson und Mentor ist. Auch für Yael, die bei Benny wildes Gefühlschaos auslöst. Während sie dem religiös-utopischen Nationalismus ihres Vaters zunehmend skeptisch gegenübersteht, verspürt Benny eine aufwühlende Faszination für die selbstbewusste und verletzliche Frau. Mit emotionaler Wucht verkörpert Avigayil Koevary im Langfilmdebüt der israelischen Regisseurin das jugendliche (Auf-)Begehren.

T.R.A.P
Director: Manque La Banca
Argentina, 2018, 16′, Spanish

Screening: 16.00, CinemaxX 5

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Mystischer Ort, verwunschene Geschichte: Ein Gruppe von Rittern, direkt aus dem Mittelalter importiert, geht am Ufer des Río de la Plata an Land. Sie sind auf der Suche nach einem Grab, an dem sie ein Ritual abhalten wollen. Während sie durch den Dschungel ziehen, geschehen Dinge, die sie im Heute landen lassen. Sie haben Sex, finden ein Auto, genießen mit einem Bier in der Hand den Sonnenuntergang. Dann erklingt im Radio eine Nachricht, die alles in einem anderen Licht erscheinen lässt, und es gibt kein Zurück mehr. Im Süden Argentiniens ist es im vergangenen Sommer zu Demonstrationen gegen das italienische Mode- und Textilunternehmen Benetton gekommen. Die Firma besitzt dort riesige Ländereien, die ursprünglich den Mapuche gehörten. Die Mapuche-Ureinwohner versuchen seit Jahren, ihren Besitz zurückzubekommen, um selbstbestimmt zu leben. Die Demonstrationen waren mit Ausschreitungen auf beiden Seiten verbunden; dabei verschwand Santiago Maldonado, der mit den Mapuche demonstrierte. „Nie wieder“ hieß es seit dem Ende der Diktatur in Argentinien, nun ist es wieder soweit. Es gibt keine Flucht vor der Realität, es gilt sich ihr zu stellen. Der Filmemacher bricht vorherrschende Stereotypen auf, um so seine eigene Geschichte jenseits des hegemonialen Anspruchs zu erzählen.

Three Centimetres

Director: Lara Zeidan
Great Britain, 2017, 9′, Arabic

Screening: 15.30, CinemaxX 3

Displaying Mira Choukeir, Melissa Dano © The London Film School : Pierfrancesco Cioffi.jpg

Ein Moment des Stillstands, der Schwebe. Vier Freundinnen sitzen in der Gondel eines Riesenrads; die Kamera nimmt das Mittelmeer vor der libanesischen Küste mit in den Blick, beobachtet, wie die Mädchen einsteigen, dreht eine Runde, fährt mit ihnen bis nach oben. Dann stoppt das Rad und auch die Kamera hält inne. Die Unterhaltung ist bereits zuvor ins Stocken geraten, als Manal gesteht, dass sie mit einer Frau zusammen ist.

Tinta Bruta (Hard Paint)
Director: Marcio Reolon, Filipe Matzembacher
Brazil, 2018, 118′, Portuguese

Screening: 22.30, CinemaxX 7

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Pedro verdient sein Geld in Chatrooms. Die Bildauflösung mag nicht perfekt sein, doch wenn sich Pedro vor der Webcam in NeonBoy verwandelt, erzielt das den gewünschten Effekt. Langsam lässt der junge Mann seine Finger erst in verschiedene Farbtöpfe und danach über seinen nackten Körper wandern. Im Dunkeln beginnt NeonBoy zu leuchten, folgt den Aufforderungen der User und trifft sich schließlich für Geld mit einem von ihnen im privaten Chat. Als Pedros Schwester Luzia aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und er bemerkt, dass jemand seine Shows imitiert, beginnen die Dinge sich zu verändern. Er verabredet sich mit dem Unbekannten zu einem Date, das weitreichende Folgen hat. Wie in bisher allen Filmen des Regie-Duos Felipe Matzembacher und Marcio Reolon befinden wir uns in Porto Alegre in Nordbrasilien und beobachten junge, queere Menschen auf der Suche nach Nähe, Gemeinschaft und Geborgenheit. Die elegant eingewobenen virtuellen Bilder führen, wie auch die Geschichten der Figuren, indirekt aus dieser Welt heraus, dennoch bleiben wir immer vor Ort, in einer zunehmend homophoben brasilianischen Gesellschaft, deren Außenseitern hier mit großer Zärtlichkeit und viel Sensibilität ein Porträt in drei Akten gewidmet wird.

TEDDY TODAY: Freitag Februar 16

Die Berlinale ist jetzt in vollem Gange und wir vom TEDDY AWARD haben den glamourösen roten Teppich des CineStar genossen, wo gestern unser lieber Zsombor Interviews führte. Diese und all unsere weiteren Interviews mit Filmemachern und Stars und Sternchen des TEDDY AWARDs sind auf unserem YouTube-Kanal zu finden: https://www.youtube.com/channel/UCD1iOuMk-g6JvV76Rj_qBkw.

Unser heutiges Programm stellt eine Reise durch die lateinamerikanische queere Filmwelt dar. Startpunkt ist in Paraguay, wo das lesbische Drama von Marcelo Martinessi spielt, in dem eine ältere Dame ihre sexuelle Lust wiederentdeckt. Weiter geht es nach Brasilien, wo Evangelia Kranioti mit ihrem sphärischen Dokumentarfilm queeres und Trans-Leben inmitten des Karnevals von Rio de Janeiro abbildet. Der letzte Stopp unserer Reise ist Argentinien, wo wir in die komplexe Kunst des Malambo-Tanzens eingeführt werden.

Las herederas (The Heiresses)
Director: Marcelo Martinessi
Paraguay/Uruguay/Germany/Brazil/Norway/France, 2018, 95′, Spanish

Screening: 15.30, Berlinale Palast

Chela und Chiquita sind schon lange ein Paar. Mit den Jahren haben sie sich in einer festen Rollenverteilung eingerichtet. Die extrovertierte
Chiquita regelt das gemeinsame Leben. Chela hingegen verlässt eher ungern das Haus, lieber verbringt sie den Tag hinter ihrer Staffelei. Finanzielle Schwierigkeiten zwingen sie dazu, Teile ihres geerbten und geliebten Mobiliars – allesamt Erinnerungsstücke – zu verkaufen. Als Chiquita
wegen Überschuldung ins Gefängnis kommt, ist Chela plötzlich auf sich allein gestellt. Mit ihrem alten Daimler bietet sie einen Taxi-Service für wohlhabende ältere Damen aus der Nachbarschaft an. Beim Chauffieren lernt sie auch eine von deren Töchtern kennen, die junge, lebensfrohe Angy. Diese Begegnung lockt die eher passiv auftretende Chela aus der Reserve und lässt sie ihre eigenen Sehnsüchte neu entdecken. So zurückhaltend und vorsichtig wie seine Heldin erkundet der Film die Außenwelt und richtet den Blick zunehmend auf eine Gesellschaftsschicht, die seltsam abgeschottet von der Wirklichkeit in den Tag hineinlebt. Wenn Chela ihre Freundin im Gefängnis besucht, entfaltet sich dagegen ein ganz anderes Bild von den Verhältnissen in Paraguay.

Obscuro Barroco
Director: Evangelia Kranioti
France/Greece, 2018, 60′, Portuguese

Screening: 19.30, CineStar IMAX

Langsam und elegisch gleitet die Kamera erst über einen in dichten Nebel gehüllten Wald, dann über das Panorama von Rio de Janeiro. Rio sei eine Fabrik der Träume und Alpträume, sagt eine Stimme aus dem Off, eine Stadt der Transformationen. In ihrem essayistischen Film Obscuro Barroco folgt die griechische Regisseurin Evangelia Kranioti den poetischen Worten ihrer transidenten Erzähler*in Luana Muniz, Ikone der queeren Subkultur Brasiliens. In einem schlafwandlerischen Fluss von Kamerabildern begibt sie sich in die pulsierende Welt der Nachtgestalten. Ein Bewusstseinsstrom aus dem Underground Brasiliens fließt mitten hinein in den Straßenkarneval der Stadt. Zwischen Masken und Make-up, jungen, nackten und neuen Körpern und dem Spektakel des Feuerwerks kommen Menschen zum Vorschein, deren Transformationen kein klares Geschlecht mehr kennen. Ein weißer Clown führt uns durch den Film, in dessen Bildwelten unvermittelt auch Proteste gegen die Regierung ihr ungeschminktes Gesicht zeigen. In geschlossenen Räumen fallen die Hüllen, die „Transvestiten“ werden besungen und feiern sich selbst, bis der Traum in eine tänzerische Ekstase mündet.

Malambo, el hombre bueno (Malambo, the Good Man)
Director: Santiago Loza
Argentina, 2017, 71′, Spanish

Screening: 20.00, CinemaxX 7

Würdevoll und stark sieht er aus, unangreifbar und voll erotischer Anziehungskraft: Der junge Malambo-Tänzer Gaspar ist eins mit seiner Leidenschaft, der Tanz ist sein Beruf. Doch Regisseur Santiago Loza lehrt uns bereits zu Anfang seines Films, dass der argentinische Wettbewerbstanz Malambo auch ein kompromissloser Kampf gegen die Zeit ist. Man verschreibt ihm sein Leben. Gewinnt man den großen Zweikampf, ist man danach dazu verdammt, als Trainer den Nachwuchs zu unterrichten oder zur Abendunterhaltung auf Kreuzfahrtschiffen zu tanzen. Ein Weiterleben im Wettbewerb gibt es nicht. In kontrastreichen, magischen Schwarz-Weiß-Bildern entführt uns Loza in die Welt des argentinischen Gauchotanzes. Als Fiktion angekündigt, kommt sein Film wie eine Mischung aus Dokumentarfilm und Märchen, Biografie und Essay daher und stellt dabei die Schönheit des Kampfes der harten Alltagsrealität seines Tänzers gegenüber. Gaspars Hingabe fordert erste körperliche Opfer. Etwas anderes als Malambo scheint es nicht mehr zu geben. In raren Begegnungen mit dem Leben abseits des Tanzes trifft Gaspar Familienmitglieder, Kontrahenten oder seinen Mitbewohner in der Hitze seiner kleinen Wohnung.