Bixa Travesty (Tranny Fag)
Director: Claudia Priscilla, Kiko Goifman
Brazil 2018, 75′, Portuguese
Screening: 20.00, CineStar 7
Als schwarze Transfrau aus den armen Peripherien São Paulos erhebt die Pop-Figur Linn da Quebrada ihre Stimme für die Queers of Colour aus den Favelas. Mit ihrer Jugendfreund*in und Partner*in in Crime, der schwarzen Transfrau und Sängerin Jup de Bairro, performt sie in fulminanten Konzerten. Mit exorbitanten Kostümen und viel Twerking unternimmt sie eine elektro-musikalische Attacke gegen die weiße heteronormative Geschlechterordnung Brasiliens und den Machismus der dortigen Funk-Musikszene. Ihre zärtliche Seite zeigt sich in privaten Szenen – beim Duschen mit Freund*innen oder beim Kochen mit ihrer Mutter spricht sie über Liebe, Rassismus und Armut. In Archivmaterial – selbstgedrehten Videos – sehen wir sie bei intimen Performances während einer Krebsbehandlung im Krankenhaus. Es wird zunehmend klar, dass Linn radikale Nacktheit als Mittel zur Unterwanderung von Genderrollen einsetzt. Die Dokumentation zeigt sie außerdem in inszenierten Radiointerviews, in denen sie ihre Überzeugungen zu Feminismus und ihrer Transsexualität sprachgewaltig präsentiert: Linn will keine Cis-Frau sein, sondern eine Frau mit Penis, deren Genderidentität nicht an Genitalien gebunden sondern im stetigen Wandel begriffen ist.
Der Himmel auf Erden (Heaven on Earth)
Director: Reinhold Schünzel, Alfred Schirokauer
Germany 1927, 113′, German inter-titles
Screening: 19.30, CinemaxX 8
Lautstark wettert der Abgeordnete Traugott Bellmann gegen den Sittenverfall im Allgemeinen und gegen das berüchtigte Nachtlokal »Himmel auf Erden« im ganz Besonderen. Pech für ihn, dass er die Lokalität erbt – nebst einer halben Million Mark, und ausgerechnet an jenem Tag, da er zum Präsidenten des Sittlichkeitsvereins ernannt wird! Pech auch, dass sein verstorbener Bruder das Erbe an die Bedingung geknüpft hat, Traugott müsse Nacht für Nacht von zehn bis drei in dieser »Hölle des Lasters« schmoren. Noch mehr Pech, dass dies alles an Traugotts Hochzeitstag geschieht und im Schlafzimmer die Tochter eines ehrbaren Sektfabrikanten ihren Bräutigam erwartet … Shimmy, Jazz und Girlkultur: Mit frivolen Anspielungen und überschäumendem Witz fügt der Film Elemente des urbanen Entertainments zu einer Attacke auf das Schmutz- und Schundgesetz von 1926. Zugleich feiert er das Kino als zirzensisches Medium, indem er Kleinkünstlern zu großen Auftritten verhilft. Die Türen fliegen wie bei Lubitsch, und als mondäner Damen-Impersonator bringt der spätere Viktor-und-Viktoria-Regisseur Reinhold Schünzel schon hier die Geschlechteridentitäten zum Tanzen.
Juck
Director: Olivia Kastebring, Julia Gumpert, Ulrika Bandeira
Sweden, 2018, 18′, Swedish
Screening: 15.30, CinemaxX 3
Juck ist Sex. Juck ist Energie. Juck ist Protest. Juck ist Therapie. Juck ist Aktion. Juck ist Dominanz. Juck ist Provokation. Juck ist Toleranz. Juck ist Bewegung. Juck ist Fantasie. Juck ist Erregung. Juck ist Utopie. Juck ist, sich selbst zu sehen, auch wenn es schwer ist. Juck ist, sich nicht für seine Existenz zu entschuldigen. „Weiblichkeit ist ein Wort, das wir mit allem füllen können, was wir wollen“, sagen sie. Sie füllen es mit Juck .
Mes provinciales (A Paris Education)
Director: Jean Paul Civeyrac
France, 2018, 136′, French
Screening: 19.00, Kino International
Voller Erwartungen kommt Etienne aus Lyon nach Paris, um an der Sorbonne Filmregie zu studieren. Seine Freundin Lucie lässt er mit dem Versprechen zurück, sich regelmäßig per Skype bei ihr zu melden. In seinem Kurs trifft er unter anderem auf Jean-Noël und Mathias, die ebenfalls aus kleineren Städten in die Metropole gekommen sind und seine Leidenschaft fürs Kino teilen. Gemeinsam diskutiert man über Filmklassiker, liest Texte von Flaubert und Pasolini, hört Bach und Mahler. Während sich Jean-Noël als umgänglicher Freund erweist, der Etiennes fragiles Selbstbewusstsein zu stärken versucht, wirkt Mathias oft streng, unnahbar und geheimnisvoll. Er streitet sich gern und taucht wochenlang ab, ohne dass die anderen wissen, wo er sich gerade aufhält. Auch seinen Studentenfilm bekommt niemand zu Gesicht. Besonders enttäuscht ist Etienne, als er zufällig entdeckt, dass Mathias ein Geheimnis mit Annabelle teilt, jener idealistischen jungen Frau aus seiner Wohngemeinschaft, in die er heimlich verliebt ist. Jean Paul Civeyracs zärtlich-melancholische schwarz-weiße Studie über Erfahrungen mit der Kunst und dem Leben ist zugleich eine Liebeserklärung ans klassische Kino und an die Stadt Paris.
Onde o Verão Vai (episódios da juventude)/ Where the Summer Goes (chapters on youth)
Director: David Pinheiro Vicente
Portugal 2018 20′, Portuguese
Screening: 21.30, CinemaxX 3
Die Hitze des Sommers flirrt. Eine Gruppe von Freunden fährt in den Wald. Die Körper sind dicht gedrängt in diesem Auto. Vier auf der Rückbank, zwei vorne. Die Männer küssen. Im Wald finden sie eine Schlange. Die Schlange ringelt sich über den Fuß des jungen Mannes. Das Mädchen hält sie in den Händen. Zwei Männer essen Pfirsiche. Nach dem Kuss ist der Tag vorüber. Die Komposition der Gruppe in einem Bildrahmen erinnert an die frühen Filme von Asghar Farhadi, in denen ebenfalls immer wieder der Einzelne der Gruppe gegenübersteht. Die Inszenierung der Jugend ist modern und gleichzeitig in ihren Blicken und Gesten ein Verweis auf die Malerei des Barock, ohne jemals das Heute zu vergessen. In vier Kapiteln eignet sich der 21-jährige David Vincente den Anfang aller Erzählungen der monotheistischen Religionen an und interpretiert ihn neu. Reframing his-story.
Para Aduma (Red Cow)
Director: Tsivia Barkai Yacov
Israel, 2018, 90′, Hebrew
Screening: 17.00, Haus der Kulturen der Welt
„Wie denkst du über intime Beziehungen? Sag ruhig, zöger nicht.“ · „Ich denke, sie sind die höchste Verbindung zwischen zwei Seelen.“ Ihr Haar ist so rot wie das Fell des Kuhkalbs, von dem sich der strenggläubige Vater die prophezeite Erlösung erhofft. So einsam
und gefangen wie das Kalb in seinem Gatter fühlt sich die 17-jährige Benny auch. Ihre Mutter hat sie bei der Geburt verloren, seither lebt sie allein bei ihrem fürsorglichen, patriarchalischen Vater, der für viele in der Jerusalemer Gemeinde Autoritätsperson und Mentor ist. Auch für Yael, die bei Benny wildes Gefühlschaos auslöst. Während sie dem religiös-utopischen Nationalismus ihres Vaters zunehmend skeptisch gegenübersteht, verspürt Benny eine aufwühlende Faszination für die selbstbewusste und verletzliche Frau. Mit emotionaler Wucht verkörpert Avigayil Koevary im Langfilmdebüt der israelischen Regisseurin das jugendliche (Auf-)Begehren.
T.R.A.P
Director: Manque La Banca
Argentina, 2018, 16′, Spanish
Screening: 16.00, CinemaxX 5
Mystischer Ort, verwunschene Geschichte: Ein Gruppe von Rittern, direkt aus dem Mittelalter importiert, geht am Ufer des Río de la Plata an Land. Sie sind auf der Suche nach einem Grab, an dem sie ein Ritual abhalten wollen. Während sie durch den Dschungel ziehen, geschehen Dinge, die sie im Heute landen lassen. Sie haben Sex, finden ein Auto, genießen mit einem Bier in der Hand den Sonnenuntergang. Dann erklingt im Radio eine Nachricht, die alles in einem anderen Licht erscheinen lässt, und es gibt kein Zurück mehr. Im Süden Argentiniens ist es im vergangenen Sommer zu Demonstrationen gegen das italienische Mode- und Textilunternehmen Benetton gekommen. Die Firma besitzt dort riesige Ländereien, die ursprünglich den Mapuche gehörten. Die Mapuche-Ureinwohner versuchen seit Jahren, ihren Besitz zurückzubekommen, um selbstbestimmt zu leben. Die Demonstrationen waren mit Ausschreitungen auf beiden Seiten verbunden; dabei verschwand Santiago Maldonado, der mit den Mapuche demonstrierte. „Nie wieder“ hieß es seit dem Ende der Diktatur in Argentinien, nun ist es wieder soweit. Es gibt keine Flucht vor der Realität, es gilt sich ihr zu stellen. Der Filmemacher bricht vorherrschende Stereotypen auf, um so seine eigene Geschichte jenseits des hegemonialen Anspruchs zu erzählen.
Three Centimetres
Director: Lara Zeidan
Great Britain, 2017, 9′, Arabic
Screening: 15.30, CinemaxX 3
Ein Moment des Stillstands, der Schwebe. Vier Freundinnen sitzen in der Gondel eines Riesenrads; die Kamera nimmt das Mittelmeer vor der libanesischen Küste mit in den Blick, beobachtet, wie die Mädchen einsteigen, dreht eine Runde, fährt mit ihnen bis nach oben. Dann stoppt das Rad und auch die Kamera hält inne. Die Unterhaltung ist bereits zuvor ins Stocken geraten, als Manal gesteht, dass sie mit einer Frau zusammen ist.
Tinta Bruta (Hard Paint)
Director: Marcio Reolon, Filipe Matzembacher
Brazil, 2018, 118′, Portuguese
Screening: 22.30, CinemaxX 7
Pedro verdient sein Geld in Chatrooms. Die Bildauflösung mag nicht perfekt sein, doch wenn sich Pedro vor der Webcam in NeonBoy verwandelt, erzielt das den gewünschten Effekt. Langsam lässt der junge Mann seine Finger erst in verschiedene Farbtöpfe und danach über seinen nackten Körper wandern. Im Dunkeln beginnt NeonBoy zu leuchten, folgt den Aufforderungen der User und trifft sich schließlich für Geld mit einem von ihnen im privaten Chat. Als Pedros Schwester Luzia aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und er bemerkt, dass jemand seine Shows imitiert, beginnen die Dinge sich zu verändern. Er verabredet sich mit dem Unbekannten zu einem Date, das weitreichende Folgen hat. Wie in bisher allen Filmen des Regie-Duos Felipe Matzembacher und Marcio Reolon befinden wir uns in Porto Alegre in Nordbrasilien und beobachten junge, queere Menschen auf der Suche nach Nähe, Gemeinschaft und Geborgenheit. Die elegant eingewobenen virtuellen Bilder führen, wie auch die Geschichten der Figuren, indirekt aus dieser Welt heraus, dennoch bleiben wir immer vor Ort, in einer zunehmend homophoben brasilianischen Gesellschaft, deren Außenseitern hier mit großer Zärtlichkeit und viel Sensibilität ein Porträt in drei Akten gewidmet wird.