Tag 2: Mexiko

Um am zweiten Tag der Berlinale  mal einen Themenblock zu etablieren, möchte ich euch gerne zwei Filme vorstellen, die von Menschen und Orten in Mexiko handeln.

Da hätten wir einmal „Casa Roshell“. Ein Film über einen Veranstaltungsort in Mexico City , in dem jeder sein kann, der er möchte. Eine Art utopischer Raum für Menschen, die in der Welt „da draußen“ keine Möglichkeit finden, ihre Sexualität auszuleben.

Der zweite Film, ein Dokumentarfilm, handelt von der offen lesbisch lebenden mexikanischen Sängerin Chavela Vargas, die in den 60ern und 90ern ihre Höhepunkte erlebte und einige Frauenköpfe verdrehte. Ein wunderschönes Porträt über eine noch viel schönere und spannende Frau. Weitere Infos und wo und wann die Filme zu sehen sind, könnt ihr unten nachschauen! Ich wünsch euch einen wundertollen Tag!


Casa Roshell
Casa Roshell

Mexico/Chile 2017
71′
Director: Camila José Donoso

Ein zweites Zuhause würde man hier nicht erwarten. Die Überwachungskamera zeigt einen trostlosen Eingang in einer unscheinbaren Straße in Mexiko-Stadt. Drinnen Discobeleuchtung und leere Tische. Aber die Vorbereitungen laufen schon und feste Rollen gibt es bald nicht mehr: Bartstoppeln verschwinden, Make-up wird aufgetragen, Haarsträhnen zurechtgezupft. Die Kamera ist nicht auf die Männer gerichtet, sondern darauf, wie sie sich im Spiegel sehen. Es bleibt Zeit für eine Übung, bevor die Party steigt: elegant zu laufen, sich die richtigen Buchstaben vorstellen und überlegen, was für eine Frau man sein möchte. Bei Musik und Drinks fallen dann die letzten Schranken: zwischen Mann und Frau, schwul, hetero und bi, Vergangenheit und Gegenwart, Wirklichkeit und Fiktion. Wie sie dasitzen und plaudern oder vorm Darkroom warten, erinnern sie an Filmfiguren, unerreichbar glamourös, was nicht bedeutet, ihre Geschichten seien nicht wahr. Das Filmmaterial, das die digitalen Bilder ablöst, wird zum Symbol für die Erinnerungen an die Casa Roshell und die Schemen all jener, die hierher kamen, um sich nicht mehr allein zu fühlen. Mag die Utopie klein sein, die Welt draußen hat noch einiges aufzuholen.

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10.02. / 20:00 Kino Arsenal 1


Chavela
Chavela

USA 2017
90′,
Director: Catherine Gund, Daresha Kyi

Hauptsächlich durch die Darbietung traditioneller, ursprünglich von Männern vorgetragener Rancheras wurde die Sängerin Chavela Vargas erst in Mexiko und später weltweit bekannt. Die Lieder, die meist von unerfüllter Liebe zu Frauen, Weltschmerz und Einsamkeit handeln, trug sie mit einem einzigartigen Gefühl für Rhythmik und markant-rauer, zugleich verletzlicher Stimme vor. Ihr burschikoses Auftreten und der Poncho machten sie unverwechselbar. In Acapulco, in den 1960er-Jahren Treffpunkt für Prominenz aus Politik und Kultur, verkehrte sie mit zahlreichen Berühmtheiten und verdrehte mit ihrem Charme und ihrer auffallenden Schönheit Frida Kahlo oder Ava Gardner den Kopf. Nach einer 13-jährigen, dem intensiven Alkoholgenuss geschuldeten Auftrittspause wurde sie Anfang der 1990er-Jahre wiederentdeckt. Sie hatte ein beeindruckendes Comeback und war Muse von Künstlern und Regisseuren wie Pedro Almodóvar. Aus teils unveröffentlichtem Material und Interviews mit Chavela selbst, ihren Weggefährten, Kolleginnen und Partnerinnen entstand ein liebevolles Porträt der charismatischen und zeitlebens offen lesbisch lebenden Ausnahmekünstlerin, die 2012 im Alter von 93 Jahren starb.

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10.02. / 20:00 CineStar 7


Como Nossos Pais
Just Like Our Parents

Brazil 2017
102′,
Director: Laís Bodanzky

Rosa, Ende 30, Kind geschiedener Eltern, bewohnt mit ihrer Familie ein Apartment mitten in São Paulo. Da ihr Mann oft auf wenig einträglichen Forschungsreisen unterwegs ist, liegt die Versorgung ihrer beiden gemeinsamen Töchter bei ihr. Anstatt sich ihrer eigentlichen Berufung als Theaterautorin zu widmen, muss sie mit Werbetexten für Badkeramik ihren Unterhalt bestreiten. Sexuelle Koflikte in ihrer Partnerschaft, Probleme mit Arbeitsaufträgen und die bedürftige Künstlerseele ihres labilen Vaters stellen für Rosa eine immer größere Herausforderung dar. Als ihre Mutter ihr eines Tages eine unerwartete Eröffnung macht, beschließt Rosa, aus ihren gewohnten Verpflichtungen auszubrechen, und entdeckt, dass das Leben noch viele Überraschungen bereithält. Mit beeindruckender Natürlichkeit inszeniert Laís Bodanzky den Alltag dreier Generationen in Brasiliens größter Metropole zwischen individuellen Leidenschaften und Existenzlügen. Im Mittelpunkt steht das Porträt einer vom permanenten Erwartungsdruck überwältigten Frau, die sich auf die Suche begibt, um herauszufinden, wer sie wirklich ist.

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10.02. / 10:00 CinemaxX 7


Karera ga Honki de Amu toki wa
Close-Knit

Japan 2017
127′
Director: Naoko Ogigami
Cast: Toma Ikuta, Rinka Kakihara, Kenta Kiritani

Die elfährige Tomo ist auf sich allein gestellt. In der Spüle stapelt sich das dreckige Geschirr und zu essen gibt es wieder einmal nur Onigiri aus dem Supermarkt, denn Tomos alleinerziehende Mutter kommt meistens spät und betrunken nach Hause. Als sie ihre Tochter eines Tages ganz verlässt, ist das Mädchen auf die Hilfe seines Onkels angewiesen, der Tomo bei sich und seiner Freundin Rinko aufnimmt. Bei ihrer ersten Begegnung ist das Erstaunen groß: Rinko ist eine Transfrau, die sich sofort fürsorglich um Tomo kümmert und ihr nicht nur liebevoll zubereitete Speisen anbietet, sondern auch ein neues Zuhause für sie schafft. Doch bald bekommt die Idylle erste Risse. Wie schon in ihrem letzten Film Rentaneko (Panorama 2012) erzählt die japanische Regisseurin Naoko Ogigami von Wegen aus der Einsamkeit, die im Fall von Tomo und ihrer neuen Familie mit menschlicher Wärme, gutem Essen und dem Stricken als symbolischem Akt beschrieben werden. In ruhigen, konzentrierten Bildern zeigt der Film die Selbstverständlichkeit nicht-normativer Sexualität und den Wert von Familien, die nicht von Konventionen, sondern durch Fürsorge und Liebe definiert werden.

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10.02. / 12:30 CinemaxX 7


Ri Chang Dui Hua
Small Talk

Taiwan 2016
88′
Director: Hui-chen Huang

Anu ist ein Tomboy. Zwar wurde sie, wie im Taiwan der 1970er-Jahre üblich, früh verheiratet und bekam zwei Kinder, ließ sich jedoch bald von ihrem gewalttätigen Mann scheiden und zog die Töchter alleine auf. Seitdem hatte sie ausschließlich Beziehungen zu Frauen, die wie sie ihren Lebensunterhalt als Seelenbegleiterinnen bei Beerdigungen verdienen. Eine ihrer Töchter ist die Filmemacherin Hui-chen Huang. Zweifel an der Bedingungslosigkeit von Mutterliebe sind in der chinesischen Kultur Tabu, doch genau die macht Huang zum Thema des intimen Porträts. Gemeinsam begeben sich Mutter und Tochter auf eine Reise in die Vergangenheit und Anu wird mit Fragen konfrontiert, die die Tochter seit Jahren quälen. In langen Einstellungen werden Themen wie Vertrauen, Missbrauch und Mitwisserschaft behandelt, sie münden jedoch fast immer in einer schmerzhaften Sprachlosigkeit. Die Tiefe des abgebildeten Raumes durch Schärfenverlagerungen auslotend, versucht die Regisseurin, sich ihrer Mutter in Gesprächen mit deren Geschwistern und Ex-Liebhaberinnen anzunähern, und zeichnet nebenbei ein Bild der sich wandelnden Lebenssituation von Frauen dreier Generationen in Taiwan.

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10.02. / 22:30 CineStar 7


The Wound
The Wound

South Africa/Germany/Netherlands/France 2016
88′
Director: John Trengove
Cast: Nakhane Touré, Bongile Mantsai, Niza Jay Ncoyini

Eastern Cape, Südafrika: Der einsame Fabrikarbeiter Xolani nimmt sich eine Auszeit von seinem Job, um als Helfer das jährliche Beschneidungsritual der Xhosa zu begleiten, das den Übergang zum Mannesalter markiert. In einem abgelegenen Berglager, zu dem Frauen keinen Zutritt haben, kommen die jungen Männer wieder zu Kräften. Bemalt mit weißer Farbe, erlernen sie die Männlichkeitscodes ihrer Kultur. In dieser von Machismo und Aggressionen geprägten Umgebung kümmert sich Xolani um den aufsässigen Kwanda aus Johannesburg, der schnell hinter dessen bestgehütetes Geheimnis kommt: Xolani liebt einen anderen Mann. Bereits in seinem Kurzfilm Ibhokhwe widmete sich der südafrikanische Regisseur John Trengove dem Thema männliche Beschneidung. Dieses und andere Mannbarkeitsrituale greift er in seinem ersten Spielfilm wieder auf. Die Spannung, die sich während des Films unaufhaltsam aufbaut, rührt einerseits von dem jungen Kwanda her, der die patriarchalen Normen der Initiation zunehmend infrage stellt, und andererseits von der inneren Krise, die Xolani durchlebt. Er muss sich entscheiden zwischen der traditionellen Welt, die er kennt, und seiner eigenen Selbstverwirklichung.

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10.02. / 22:45 CineStar 3