Der Moment ist gekommen! Nachdem wir im letzten Monat die unglaublichen queeren Filme der Internationalen Filmfestspiele Berlin gefeiert haben, kennen wir nun die Namen der TEDDY AWARD Gewinner:innen 2023.
Die 37. Ausgabe des TEDDY AWARD hat wieder einmal bewiesen, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, queere Geschichten zu erzählen. Unsere nominierten Filme von 2023 haben diese Vielfalt auf die bestmögliche Weise illustriert, und wir sind überglücklich, dass die Arbeit all der Regisseure, Schauspieler:innen und Mitarbeiter:innen hinter den Kulissen gelobt und gewürdigt wird. Leider kann am Ende des Tages nur einer gewinnen!
Hier sind die Gewinner des Jahres 2023, ohne weitere Umschweife. And the TEDDY goes to…
Die talentierte Dirigentin Lydia Tár hat sich in der männerdominierten klassischen Musikszene durchgesetzt. Mit der Ernennung zur ersten Chefdirigentin eines großen deutschen Orchesters in Berlin erreicht sie den Höhepunkt ihrer Karriere. Zwischen Konzertterminen auf beiden Seiten des Atlantiks bereitet sie eine mit Spannung erwartete Einspielung von Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie vor. Doch plötzlich fällt ein Schatten auf ihre charismatische Gestalt; ihre Leistung am Dirigentenpult leidet und ihr Status gerät ins Wanken. Frühere Lebensentscheidungen, deren Folgen für eine junge Musikerin und ihre eigenen Obsessionen drohen sie wieder einzuholen und führen zu Komplikationen in der Beziehung mit ihrer Konzertmeisterin und Lebensgefährtin (gespielt von Nina Hoss). Tár gefährdet ihre Karriere und den Ruf des ganzen Orchesters. TÁR – laut Regisseur Todd Field ein Film „von“ Cate Blanchett, der ohne sie nie zustande gekommen wäre – zeichnet das Bild einer hochkomplexen, ambitionierten Frauenfigur und zugleich ein provokatives Porträt des klassischen Musikbetriebs. Ein Film voller musikalischer Leidenschaft und eine Hommage an die Stadt Berlin und das, was sie ausmacht.
SCREENING TIMES:
23.02. / 22:00 Berlinale Palast
RERUNS:
20.000 especies de abejas (20,000 Species of Bees) 23.02. / 12:30 Zoo Palast 1 23.02. / 18:30 Verti Music Hall
After 23.02. / 21:30 Cineplex Titania
Arturo a los 30 (About Thirty) 23.02. / 10:30 Zoo Palast 5
Heute ist ein voller Tag mit vielen Events, die wir für euch vorbereitet haben. Schaut doch gerne vorbei bei unseren Veranstaltungen „EFM Queer Focus Day“, „Manifestations“, „TEDDY Talk: From Surviving to Thriving!“, „Queer Your Program“ und „QUEER Industry Reception“. Falls ihr mehr darüber wissen wollt, könnt ihr das hier tun.
Außerdem findet ihr wie immer unsere Premieren und Reruns aufgelistet in diesem Blogbeitrag.
Regie: Ella Rocca Schweiz, 2022, 8′ TEDDY nominated
Bedeutet Crush nicht auch „zerquetschen“? Ella Rocca beschäftigt die eigene obsessive Verliebtheit und recherchiert, was dagegen zutun ist. Auf der Suche nach der Darstellbarkeit dieser Empfindung schichten sich auf dem Computerbildschirm Texte, Bilder und Töne übereinander und werden Ausdruck eines intensiven Nachdenkens. Internetfunde und ein Moment intimer Direktheit finden zusammen, um die inneren Vorgänge bei einem Crush zu fassen zu bekommen.
Regie: João Canijo Portugal, Frankreich, 2023, 125′
Fünf Frauen betreiben ein altes Hotel und versuchen, es vor dem Verfall zu retten. Im Laufe des Wochenendes treffen Gäste ein. Ein Paar ist gezeichnet von den Verletzungen, die ihr gegenseitiges Unverständnis über die Jahre hinterlassen hat. Eine grenzüberschreitende Mutter mischt sich in die Beziehung ihrer Tochter ein. Zwei Freundinnen versuchen, gegen den Widerstand einer besitzergreifenden Mutter ihre Liebe zu verteidigen. Viver Mal ist der Gegenschuss zum im Wettbewerb laufenden Mal Viver. João Canijo zeigt darin gewissermaßen spiegelverkehrt das, was dort in der Tiefenschärfe wabert. Die Wirklichkeit setzt sich aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zusammen. Das Sichtbare und das, was sich dem Blick entzieht, überlagern und überschneiden sich. Einem Spiel von Lichtreflexen vergleichbar, ist Viver Mal die Überführung von Mal Viver in eine andere Dimension. Das Bild verformt sich. Zugleich will es sich mit einem Sprung in die Unendlichkeit neu definieren.
SCREENING TIMES:
22.02. / 11:45 CinemaxX 7
RERUNS:
20.000 especies de abejas (20,000 Species of Bees) 22.02. / 15:30 Berlinale Palast
Die Verleihung des 37. TEDDY Award rückt langsam näher und bei uns wird es hektisch! Uns macht es großen Spaß, all die schönen Events für Euch vorzubereiten.
Ein achtjähriges Kind leidet darunter, dass die Leute es hartnäckig bei seinem Geburtsnamen Aitor nennen, der bei ihm Unbehagen auslöst. Sein Spitzname Cocó fühlt sich nicht ganz so eindeutig verkehrt, aber auch nicht richtig an. Im Sommerurlaub im Baskenlandvertraut das Kind seinen Kummer Verwandten und Freund*innen an. Doch wie geht eine Mutter, die selbst noch mit ambivalenten elterlichen Altlasten ringt, mit der Identitätssuche ihres Kindes um? Das Spielfilmdebüt der baskischen Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren ist ein sonniges, wunderbar einfühlsames Werk, getragen von Sofía Otero, die als kleines Mädchen auf der Suche nach dem richtigen Namen das erste Mal vor der Kamera steht, und Patricia López Arnaiz als problemgeplagter, liebevoller Mutter. So wie die Vielfalt der Natur viele Bienen erfordert, sind für die Protagonistin die Nebenfiguren essenziell. Das weitgehend weibliche Umfeld lebt ihr unterschiedliche Möglichkeiten des Frauseins vor. Urresola nimmt mehr als eine Sichtweise ein und respektiert, dass Geschlechteridentität etwas unerhört Komplexes ist. Und sie thematisiert einen vielleicht weniger augenfälligen Aspekt der Gender-Transition: die eigene Mentalität.
Regie: Francesca de Fusco USA, Italien, 2023, 13′ TEDDY nominated
Bergamo, Norditalien. Fede verbringt ihre Tage zwischen Schule und einem von Nonnen betriebenen Wohnheim. Auf den Fluren begegnet sie Valentina, einer neuen Bewohnerin. In einer Choreografie offener, halb offener und geschlossener Türen kommen ungekannte Gefühle auf. So plötzlich wie das Licht einer Taschenlampe in der Nacht, so fremd wie ein neuer Geschmack. In der Welt, die Fede kennt, entsteht eine neue mit anderen Fragen und Möglichkeiten. Was heißt es, zu begehren?
Morgenroutinen und Gespräche im Bett, Gossip und Real Talk. In Begegnungen und Interviews porträtiert D. Smith vier Schwarze trans*Sexarbeiterinnen in New York und Georgia. Ungeschönt und lustvoll erzählen die Protagonistinnen aus ihrem Leben. Dabei entstehen tiefgehende und leidenschaftliche Gespräche über gesellschaftspolitische und soziale Realitäten sowie scharfe Analysen und Reflexionen über Zugehörigkeit und Identität innerhalb der Schwarzen Community und darüber hinaus. In eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern und mit einem gezielt eingesetzten Soundtrack fügen sich Inszenierungen und Re-Inszenierungen, performative Interventionen und assoziative Collagen biografischer Versatzstücke organisch zusammen. Offen werden Träume und Erinnerungen, ausgefochtene Kämpfe und überwundene Krisen thematisiert, ohne Prekaritäten und Gewalterfahrungen auszusparen. Die Protagonistinnen teilen ihre Erfahrungen in Beziehungen zu Lovern, Freund*innen und Familien, die durch Tabus, Fetischisierung, aber auch durch das eigene Begehren geprägt sind. Das lebendige Porträt gibt ihren widerständigen Erzählungen ungefiltert Raum und hebelt weiße, cis-heteronormative Setzungen und Stigmatisierungen aus.
Aaron will seinen Ex-Freund Paul nicht vergessen. Er glaubt, die Erinnerung an die ausgetauschten Zärtlichkeiten und Küsse nur bewahren zu können, indem er sich nicht mehr die Zähne putzt. Denn auf den Zähnen seien all die Gefühle, Berührungen und Intimitäten gespeichert. Seine jüngere Schwester und Mitbewohnerin Lina versucht behutsam, ihren Bruder zur Mundhygiene zu überreden, dringt aber nicht mehr zu ihm durch. Als Aarons und Linas autoritärer Vater zu Besuch kommt, eskaliert die Situation und Aarons Verhalten wird gefährlich selbstzerstörerisch. Der HFF-München-Student Lukas Röder thematisiert in seinem berührenden Kammerspiel mentale Gesundheit. In der intensiven, emotionalen Darstellung der Schauspieler*innen sowie durch eine zweite Ebene, auf der die Beteiligten ihre Rollen reflektieren, werden Verhaltensweisen und Hilfsmöglichkeiten untersucht.
Regie: Roger Ross Williams, Brooklyn Sudano USA, 2023, 105′
Die ungewöhnliche Geschichte von Disco-Queen Donna Summer, mitreißend erzählt entlang von unveröffentlichten Dokumenten: Filmausschnitten, Home-Videos, Fotos, Aufzeichnungen und privaten Audioaufnahmen aus allen Lebensphasen der legendären Künstlerin, die wie keine Zweite die Tanzfläche zum Beben brachte. Von den Anfängen in Deutschland mit Giorgio Moroder bis in spätere Jahre, als Summer vor den Schattenseiten ihrer Bekanntheit und durch seelische Verletzungen belastet Schutz in der Spiritualität und im Familienleben suchte. Der oscarprämierte Regisseur Roger Ross Williams und Summers Tochter Brooklyn Sudano heben dank Sudanos Einblick und Zugang zur Familie einen reichen Schatz an Erinnerungen und Lebenszeugnissen. Aber auch die filmische Herangehensweise des Duos ist beeindruckend. Die Worte der Wegbegleiter*innen werden so geschickt mit der Bilderfülle kombiniert, dass wir Donna Summer als Allround-Künstlerin entdecken oder wiederentdecken: als maßgeblichen kreativen Kopf hinter ihren Hits, als sprachgewandte, witzige Entertainerin, begabte Malerin – und emanzipierte, erfinderische Frau, die unter anderem sich selbst erfand.
Fünf Tage, während derer ein Taifun aufzieht, wütet und abklingt, bilden den zeitlichen Rahmen für eine Schüler*innentragödie an einer Oberschule außerhalb von Tokio. Als der Klassenclown Akira dort eine nächtliche Party seiner Mitschülerinnen im schuleigenen Schwimmbad beobachtet, wird er von diesen als unliebsamer „Spanner“ so lange untergetaucht, dass er fast ertrinkt. Der herbeigerufene Klassenlehrer hat eigene Probleme. Die Mutter und der Onkel einer Kollegin, mit der er ein Verhältnis hat, wollen ihn zur Hochzeit zwingen. So entgehen ihm die Nöte, die seine Schüler*innen bewegen. Ihre Gespräche kreisen um Leben, Tod und Wiedergeburt, um ein lesbisches Paar unter ihnen und den Taifun. Als dieser naht, nehmen die Aggressionen in der Schülerschaft zu …Mit der Unbedingtheit einer Naturgewalt entfesseln sich im Typhoon Club wahre Gefühlsstürme. In einem sich zuspitzenden Episodenreigen erzählt der Film von einem „Frühlingserwachen“, bei dem sich die Emotionen eruptiv entladen: in einer Klassenschlägerei, bei einem Vergewaltigungsversuch. Dabei gestaltet der Film eine autarke Welt der Jugendlichen zwischen Überschwang und Depression, zu der die Kamera respektvoll Distanz hält.
SCREENING TIMES:
21.02. /21.02. / 19:00 Cubix 3
RERUNS:
After 21.02. / 21:30 Cubix 2
Almamula 21.02. / 15:30 Cineplex Titania
El castillo (The Castle) 21.02. / 10:00 Cubix 9
Femme 21.02. / 21:30 Cineplex Titania
Hummingbirds 21.02. / 20:00 Urania
It’s a Date 21.02. / 21:30 Cubix 9
Knochen und Namen (Bones and Names) 21.02. / 10:00 Cubix 6
Langer Langer Kuss (Long Long Kiss) 21.02. / 19:00 International
Mangosteen 21.02. / 14:00 Werkstattkino@silent green
Es ist bereits Halbzeit bei der Berlinale und die Zeit verging wie im Flug. Trotzdem haben wir noch einige Filme, die ihre Premiere heute feiern.
Falls ihr bei den Premieren nichts für euch findet, sind unten wieder unsere Reruns aufgelistet.
Außerdem haben wir heute einige Events für euch geplant. Heute finden zwei unserer Directors Exchange´s statt zu Themen „Time after time, club culture and the concept of time in Queer Cinema“ und „Journeys of rebellion and truth, Trans* narratives as tools of unapologetic self-representation.“. Falls euch das noch nicht genug ist findet heute außerdem unser TEDDY Talk: QueerWeb Part 1 statt. Mehr zu den Veranstaltungen findet ihr hier.
Durch Zufall kreuzen sich eines Tages wieder ihre Wege: Alice, inzwischen eine international gefeierte Cellistin, hat eine Reihe von Auftritten in dem Konzerthaus, in dem Jo arbeitet. Zehn Jahre sind vergangen seit ihrem Jahr als Stipendiatinnen in einem exklusiven Mädcheninternat tief in der australischen Wildnis. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, Unabhängigkeit, Stärke, Resilienz standen dort im Mittelpunkt sowie die Verbindung zur Natur und die Gemeinschaft unter den Schülerinnen. Die Schlafquartiere waren in abgelegenen Holzhütten untergebracht, die Mädchen in ihrer Freizeit weitgehend sich selbst überlassen. Zur schüchternen Alice fand Jo zwar schnell eine Verbindung, doch sie wollte keine Außenseiterin bleiben und wandte sich den hierarchisch höhergestellten Mädchen um die dominante Portia zu – so erinnert sich zumindest Jo. Doch Alice konfrontiert sie mit einer völlig anderen Version der Ereignisse. Basierend auf Rebecca Starfords gleichnamigem Buch erzählen die Autorinnen Pip Karmel und Magda Wozniak sowie Regisseurin Corrie Chen packend und schonungslos, wie der Wunsch dazuzugehören eine ebenso grausame wie folgenreiche Dynamik in Gangsetzen kann.
Regie: Silvia Del Carmen Castaños, Estefanía “Beba” Contreras USA, 2023, 77′ TEDDY nominated
„Ich möchte mich an dieses Mal erinnern, an letztes und an nächstes Mal. Ich will mich an alles erinnern, ohne Lücken, denn ich schätze auch die schlechten Zeiten.“
Laredo im Süden von Texas, nahe der mexikanischen Grenze: Die Freund*innen Silvia und Beba wissen, dass die langen Sommernächte ihrer Teenagerjahre nicht ewig andauern. Die Orte, an denen sie abhängen, sind ihnen längst vertraut, aber das Einwanderungsverfahren stockt, und immer droht die Abschiebung. Heimat ist im politisch gespaltenen Amerika kein verlässlicher Begriff. Zwischen Bars, Drive-ins, Sofas von Freund*innen und dem öden Grenzland kämpfen sie gegen die Zumutungen des Alltags, für ihre Community und die Zukunft. Für sie bedeutet das auch: demonstrieren für das Recht auf Abtreibung und gegen Gewalt durch den Grenzschutz. Aber die staubige Dämmerung bietet auch Raum für Poesie und Träume; in ihrem Humor und ihrer Kreativität zeigen sich die Bande von Zugehörigkeit und Solidarität.
Die Wohnung ist so hoch gelegen, dass der Lärm der Stadt kaum durchdringt: Das Rauschen des Verkehrs und der vorbeifahrenden Züge mischt sich mit dem Wind und der Lüftungsanlage, ein Dauerdröhnen im Hintergrund. Es zieht sich nur zurück, wenn die vierkubanischen Queers sprechen. Sie sind nie zusammen zu sehen, sprechen nur in ihre Telefone, und die Telefone antworten –Unterhaltungen mit Angehörigen, Verkaufsgespräche, Beratungen für Einwanderer, Geplauder mit dem Regisseur, Nachrichten, lippensynchron nachgesungene Popsongs, nicht immer angenommene Anrufe. In der Wohnung geben sie sich oft extravagant. Doch schon der Aufzug, der sie zu den Straßen Moskaus bringt, ist ein anderer Raum. Dort starrt man vor sich hin und vermeidet es, Aufmerksamkeit zu erregen. Russland und Kuba trennt so viel. Es ist schwer, keine Wehmut zu empfinden in einer menschenleeren, zugeschneiten Stadt. Und dieser Winter bedeutet nicht nur Dunkelheit, sondern auch Krieg und Krankheit, Zeichen der Zeit. Aber die Hoffnung wartet ruhig und geduldig am anderen Ende der Leitung. Heimat ist vieles auf einmal. Was sonst könnte sie jetzt noch sein? Ein kleiner Trost. Doch kein Trost ist zu gering: alles nach und nach.
Mangosteen erzählt die Geschichte von Earth, einem jungen Mann, der in seine Heimatstadt Rayong zurückkehrt, in der seine Schwester Ink eine Fabrik für Obstverarbeitung betreibt. Während eines beiläufigen Gesprächs erkennt Earth, dass seine Schwester und er grundlegend unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was mit dem Begriff „Zukunft“ gemeint ist. Je stärker er versucht, sich ins Fruchtsaftgeschäft einzubringen, desto stärker wird Earths Gefühl, dort nicht gebraucht zu werden. Er beschließt, sich aus dem Familienunternehmen zurückzuziehen und sein altes Hobby wieder aufzunehmen: die Arbeit an einem brutalen, psychologischen, irrationalen, abstrakten, blutigen und unrealistischen Roman. Mangosteen wechselt die Richtung seiner Erzählung genau wie die Sprachen, in denen seine Figuren sprechen, und beschreitet einen mäandernden Pfad durch Fabrikhallen und Obsthaine. Der Film wurde auf überholten Digital8-Videokameras gedreht und folgt keiner klaren Erzählstruktur. Die sprunghaften und überraschenden Eigentümlichkeiten seiner Protagonist*innen sind ebenso Gegenstandseiner Handlung wie das Erzählen selbst.
„Dieser Film hat sich seit 2020 über zwei Jahre hinweg entwickelt. Er entstand in Fragmenten und Intensitäten, entlang von Unruhe und Vorahnung, durch Umherstreifen und die Verweigerung zu verweilen. Der Film hat versucht, eine Sprache für und Wege durch die bizarren Verwerfungen sozialer und politischer Werte zu finden, die das Aufkommen des Faschismus in Indien und eine globale Pandemie hervorbrachten. Er hat darauf bestanden, zu den Dingen zu gehören, die sich dem Zerfall widersetzen. Die in Delhi gedrehten, unvollendeten Fiktionen erzählen von den Menschen, Orten und Protesten, die sich gegen die Sprache des Hasses stellen und sowohl die Trauer als auch die Euphorie der Stadt in sich aufnehmen. In ihnen finden sich die fortwährenden Echos einer gewaltvollen und prekären Gegenwart. Die falschen Abschlüsse und fragilen Zusammenhänge in diesem Video ergeben einen Zeitstrahl der Stadt, der sich mit der Zeit des Videos überschneidet. Eine schemenhafte Ahnung eines Protagonisten wird spürbar, der das alles ‚verträumt‘: Ein Fremder, der – wie sich herausstellt – überhaupt kein Fremder ist.“ Priya Sen
Regie: Amalie Maria Nielsen Denmark, 2023, 19′ TEDDY nominated
In einem Heim für Mädchen durchläuft Milo heimlich eine Transition. Nur Betreuer Nicki weiß davon und bietet Halt. Wenn Milo wütend ist, weglaufen will oder einen Tapetenwechsel braucht, sorgt Nicki für Sicherheit und Geborgenheit. Eines Tages bekommt Milo durch die dünnen Wände der Einrichtung etwas mit, das besser ungehört geblieben wäre. Nicht jeder Konflikt ist mit Umarmungen zu lösen, also drückt Milo den Alarmknopf.
Regie: Emory Chao Johnson USA, 2023, 19′ TEDDY nominated
Den eigenen Körper abtasten, die Transition beobachten und mit der Kamera dokumentieren. Was als audiovisuelles Tagebuch beginnt, entwickelt sich zur Auseinandersetzung mit der persönlichen Vergangenheit. Es ist nicht einfach, aus dem Kokon auszubrechen, der aus mütterlichen Forderungen und Vorwürfen gesponnen ist. Besonders dann nicht, wenn der Körper als Familienangelegenheit betrachtet wird und für das Bedürfnis nach Autonomie das Verständnis fehlt.