Wie schnell diese Berlinale vergeht – morgen Abend werden bereits die goldenen Bären verliehen! Bevor das größte Publikumsfestival der Welt sich allerdings dem Ende zuneigt, haben wir noch eine ganze Reihe großartiger Filme auf unserer TEDDY-Liste, die heute Premiere feiern.
Weiter unten findet ihr wie immer die Kinos und Spielzeiten und natürlich auch alle Wiederaufführungen. 🐻
PREMIEREN:
ASK, MARK VE ÖLÜM (Love, Deutschmarks and Death)
Regie: Cem Kaya
Germany, 2022
96′
Mit den Menschen brachte das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 auch die Musik der Gastarbeiter*innen nach Deutschland. Cem Kayas dichter Dokumentarfilmessay ist eine Nachhilfestunde in türkisch-deutscher Zeitgeschichte: Fließbandjobs, Heimweh und Familiennachzug, der Basar im Berliner Hochbahnhof Bülowstraße, Xenophobie und Rassismus, die wehmütigen Lieder der frühen Jahre und der Hiphop der Nachwendezeit. Von all dem erzählen die Musiker*innen, beginnend mit Metin Türköz und Yüksel Özkasap über die psychedelischen Derdiyoklar bis zum Rapper Muhabbet, der in den Charts stand. Ihre Musik entwickelte sich fernab von der deutscher Bands, immer getragen von der türkischen Gemeinschaft und deren Bedürfnissen. Es geht um Radio Yilmaz, diverse Musikkassettenlabels, das deutsche Exil des Protestrockers Cem Karaca und um Hochzeitsbands, die auch auf Kurdisch und Arabisch singen, um den Markt zu bedienen. Umfangreiche Archivrecherche und das Interesse an türkischer Populärkultur sind wiederkehrende Themen in Cem Kayas Werk. Mit Ak, Mark ve Ölüm schafft er ein rhythmisch und lebendig erzähltes, filmisches Nachschlagewerk der türkischen Musik in Deutschland.
SCREENING TIMES:
15.02. / 16:00 International
15.02. / 16:20 Cubix 2
[Screening for industry professionals | With accreditation only]
BRAINWASHED: SEX-CAMERA-POWER
Regie: Nina Menkes
USA, 2022
107′
#MeToo und der nicht länger verschwiegene Missbrauch unzähliger Frauen durch Harvey Weinstein haben seit 2017 in der Filmbranche vieles infrage gestellt. Die Grundlage für die vorliegende dokumentarische Analyse des Male Gaze im Kino bildet Nina Menkes’ Vortrag „Sex and Power: The Visual Language of Oppression“. Menkes deckt darin patriarchale Erzählstrukturen auf, die hinter vermeintlich klassischen Szenenauflösungen und Kadragen stecken. Anhand von Thesen der feministischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey zur Objektifizierung und Sexualisierung des weiblichen Körpers zeigt sie, wie ästhetische Entscheidungen wie Kamerabewegung oder Lichtsetzung die Wahrnehmung von Frauen auf der Leinwand beeinflussen, wie das Shot Design als Instrument und Spiegel der Machtverhältnisse fungiert. Dabei arbeitet sie einen Zusammenhang zwischen etablierter Filmsprache und einer Kultur der Misogynie heraus, der jenseits der Leinwand zum Missbrauch von Frauen führt. Ihre Einzelanalysen von Szenen aus 120 Jahren Filmgeschichte entzaubern so manchen Kultfilm des Independent-Kanons – denn die patriarchal geprägte Filmsprache durchdringt nicht nur das Hollywood-Kino.
SCREENING TIMES:
15.02. / 12:30 Zoo Palast 1
FOGARÉU
Regie: Flávia Neves
Brazil, France, 2022
100′
Um die Asche ihrer verstorbenen Adoptivmutter in die Heimat zu bringen, kehrt Fernanda nach Jahren auf die Ranch ihres Onkels in Goiás, im mittleren Westen Brasiliens, zurück. Ihr Erscheinen und ihre Suche nach der Wahrheit über ihre Wurzeln bringen die Fassade ihrer bürgerlichen Familie ins Wanken. Für ihren Onkel, einen Großgrundbesitzer und konservativen Bürgermeister der Provinzgemeinde, der für seine Wiederwahl kämpft, werden Fernandas Nachforschungen und Anschuldigungen zusehends eine Bedrohung. Doch in ihrem Drang nach Wahrheit und Gerechtigkeit bleibt sie unnachgiebig.
In ihrem surreal-fantastischen Debüt verknüpft Flávia Neves virtuos die Suche nach der eigenen Herkunft mit der kolonialen Vergangenheit Brasiliens. Im Zentrum der Familiengeschichte steht die Auseinandersetzung mit überkommenen Traditionen und Ausbeutungsverhältnissen und mit denen, die von ihnen profitieren. Fogaréu erzählt von dem inspirierenden Versuch, aus verkrusteten Strukturen auszubrechen und von der Hoffnung auf einen Neuanfang.
SCREENING TIMES:
15.02. / 14:00 Cubix 4
[Screening for industry professionals | With accreditation only]
15.02. / 22:00 Zoo Palast 1
IF FROM EVERY TONGUE IT DRIPS
Regie: Sharlene Bamboat
Canada, United Kingdom, Sri Lanka, 2021
68′
If from Every Tongue It Drips ist ein hybrider Dokumentarfilm, der die Quantenphysik als Ansatz nutzt, um zu ergründen, wie persönliche Beziehungen und politische Bewegungen Zeit, Raum, Identität und Ort zugleich überschreiten und herausfordern. Der Film folgt dem Leben eines Paares, das in Batticaloa, Sri Lanka, lebt. Ponni schreibt Rekhti, eine Form queerer Urdu-Poesie aus dem 19. Jahrhundert; die andere, Sarala, ist die Kamerafrau. Während sich ihr persönliches Leben vor der Kamera entfaltet, lösen sich die Grenzen zwischen Probe und Realität, Verortung und Distanz, Selbst und Anderem auf und verstärken sich gegenseitig. Gleichzeitig werden durch den Alltag der Dichterin und der Kamerafrau Verbindungen zwischen britischem Kolonialismus, indischem Nationalismus und den Auswirkungen beider auf die zeitgenössische Poesie, den Tanz und die Musik in Südasien sichtbar.
If from Every Tongue It Drips erforscht sowohl die wörtliche als auch die bildliche Übersetzung als vielfältige Arten der Betrachtung, eingebettet in den filmischen Prozess, der sich als Austausch von Tönen, Texten und Bildern zwischen Montreal, Batticaloa und der Isle of Skye entfaltete.
Die Untertitel des Films entstanden in Zusammenarbeit mit Collective Text aus Glasgow.
SCREENING TIMES:
15.02. / 20:00 Kino Arsenal 1
ALIS
Regie: Clare Weiskopf & Nicolás van Hemelryck
Colombia, Romania, Chile, 2022
84′
„Freiheit bedeutet, in einer Welt ihrer Wahl leben zu können. Einer ohne Kämpfe, ohne all das, was sie durchmachen musste. Einer Welt ohne Diskriminierung. Freiheit ist das Schönste. Ein Ort, an dem sie der glücklichste Mensch der Welt sein kann.“
In einem kolumbianischen Heim nehmen zehn junge Frauen nacheinander auf einem Stuhl Platz und schließen die Augen. Sie sollen sich Alis vorstellen, eine fiktive Freundin, deren Geschichte sie in einem kreativen Dialog mit den Filmmacher*innen lebendig werden lassen. Alis hat, wie die Jugendlichen selbst, einmal auf den Straßen von Bogotá gelebt. Über die Figur bietet das außergewöhnliche dokumentarische Format einen reflektierten und behutsamen Zugang zu den Geschichten der Protagonistinnen. Alis wird zur Projektionsfläche für vergangene Schrecken, verloren gegangene Menschen, aber auch für Selbstentwürfe und Zukunftswünsche: An ihr zeichnen sich individuelle Ideen von Freiheit ebenso ab wie Kämpfe, die noch auszufechten sind.
SCREENING TIMES:
15.02. / 17:30 HKW
LADIES ONLY
Regie: Rebana Liz John
Germany, India, 2021
79′
Ein kleines Filmteam begibt sich in die den Frauen vorbehaltenen Abteile der Nahverkehrszüge in Mumbai. „Was macht Sie wütend?“, lautet die einfache Frage der Filmemacherin an die Passagierinnen. Bekannte und Zufallsbegegnungen werden eingeladen, in einem öffentlichen und zugleich geschützten Raum ihre Meinungen und Geschichten zu offenbaren. Die Antworten und Beobachtungen sind mannigfaltig: Mal lustig, mal deprimierend, mal kämpferisch, mal resigniert, aber stets ehrlich, fügen sie sich zu einem immer komplexer werdenden Bildteppich zusammen.
Ladies Only ist ein feministisches Porträt moderner indischer Großstädterinnen. Der Film gibt Einblicke in ihre Sichtweisen und Lebensgestaltungsmodelle, ihre Ambitionen und ihre Freiheiten in einer hoch industrialisierten, wohlstandsgesteuerten Welt, weist in seiner politischen Dimension aber weit über die indische Gesellschaft hinaus. Ganz nebenbei erleben wir die Metropole Mumbai, ihre wilde Mischung aus Kulturen, Sprachen und Gesichtern, und ihre Farben, die selbst aus den stilvollen Schwarz-Weiß-Bildern des Films heraus zu leuchten scheinen.
SCREENING TIMES:
15.02. / 18:45 International
QUEENS OF THE QING DYNASTY
Regie: Ashley McKenzie
Canada, 2022
122′
Star, eine suizidgefährdete Jugendliche, die zu alt für eine Pflegefamilie ist, baut ein inniges Verhältnis zu An auf, Student*in aus Shanghai, der*die Star während eines Krankenhausaufenthalts beaufsichtigt. Ein nächtlicher Austausch von Geheimnissen, Textnachrichten und Besitztümern beginnt, der die Chemie ihrer Beziehung verändert. Unterlegt von einer Klanglandschaft aus elektronischer Musik, ist Queens of the Qing Dynasty eine unkonventionelle Ode an die Neurodiversität und an genderqueere Menschen. Regisseurin Ashley McKenzie überrascht mit einer Mischung aus Formalismus und düsterem Realismus und beschenkt das Publikum mit visueller und konzeptueller Poesie. Die Schauspieler*innen stehen allesamt zum ersten Mal vor der Kamera. Überzeugend vermitteln sie, dass jedes Individuum einzigartig ist, sowohl in der Wahrnehmung der Welt als auch in der Beziehung zu anderen. Ziyin Zheng in der Rolle von An verkörpert eine Mischung aus Eigenwilligkeit und Ehrlichkeit, die sie*ihn zur idealen Vertrauensperson macht. An hält dem prüfenden Blick von Star stand, die – gespielt von Sarah Walker in bester Slapstickmanier – alle Konventionen durchschaut und doch immer wieder über das Leben staunen kann.
SCREENING TIMES:
15.02. / 18:00 CinemaxX 7
15.02. / 18:35 Cubix 2
[Screening for industry professionals | With accreditation only]
RERUNS:
Le variabili dipendenti (The Dependent Variables)
15.02. / 12:30 Filmtheater am Friedrichshain
Aos dezasseis (At Sixteen)
15.02. / 20:30 Cubix 8
Blaues Rauschen (Blue Noise)
15.02. / 20:30 Cubix 8
Jail Bird in a Peacock Chair
15.02. / 11:00 Kino Arsenal 1
Sab changa si (All Was Good)
15.02. / 14:00 Werkstattkino@silent green
Terminal norte (North Terminal)
15.02. / 20:30 Cubix 7
West by God
15.02. / 20:30 Cubix 8
White Sands Crystal Foxes
15.02. / 19:00 Zeiss-Großplanetarium