Woohoo! Wisst ihr, welcher besondere Tag ist? Natürlich wisst ihr das, es ist Teddy-Tag! Dieses Ereignis wird in die Geschichte eingehen, denn der 33. Teddypreis wird euch von den Dächern sprengen! Künstler, Filme, Performances, das alles und mehr während der Preisverleihung ab 21.00 Uhr an der Volksbühne. Wir wissen, dass ihr aufgeregt seid! Und das ist noch nicht alles, die After-Show-Party, von der ihr sicher schon gehört habt, beginnt um 23.30 Uhr gleich nach Ende der Preisverleihung. Hoffentlich habt ihr eure Tickets und wisst bereits, was ihr anzieht. Wir freuen uns schon sehr, euch dort zu sehen. Aber in der Zwischenzeit haben wir einen neuen Film, den wir euch zeigen wollen, und mehrere Rescreens.
Jean liebt Laura; er ist aber auch in einer Beziehung mit Samy, undHIV-positiv. Die drei begeben sich auf eine Achterbahnfahrt fieberhafterEmotionen, elektrisiert von Sehnsucht und tobender Lebensfreude, undgehen auf der Grenze zwischen Leidenschaft und Zerstörung.
Ist das nicht aufregend! Wie viele von euch bereits wissen, beginnt heute eines der größten öffentlichen Filmfestivals der Welt, die Berlinale. Und für die nächsten 10 ereignisreichen Tage, während wir uns langsam dem 33. TEDDY AWARD nähern, wird es viel auf eurer To-Watch-Liste geben – viel mehr als im letzten Jahr. Daher wollen wir euch dabei helfen, eure Liste zu optimieren. Ab morgen geben wir euch Einblicke in alle queeren Filme der Berlinale. Wir möchten, dass ihr so viel wie möglich mitnehmt, weshalb ihr hier in unserem Blog die Spielzeiten, Spielorte und vieles mehr finden könnt. Verpasst also nicht die Beiträge von TEDDY TODAY! Wir freuen uns auf die spannenden Tage, die vor uns liegen! Ist es nicht unglaublich, wie aufregend die filmische Welt sein kann? Und als ob das noch nicht genug wäre, werden wir während der Berlinale auch interessante Interviews mit den Produzenten/Schauspielern der queeren Filme führen. Also haltet Ausschau nach den Updates auf unseren Social Media Accounts!
Zsombor Bobák im Gespräch mit Paz Lázaro und Michael Stütz – Kurator*innen des Panorama.
Im vergangenen Jahr hat sich das Panorama-Team deutlich verändert: Wieland Speck hat nach 25 Jahren einer neuen Generation von Kuratoren das Wort erteilt. Das 40-jährige Jubiläum der Sektion dieses Jahr bietet die perfekte Gelegenheit, die inspirierende Vergangenheit und damit die belebende Präsenz des Panoramas näher zu betrachten.
Ich habe mich mit den Kuratoren Paz Lázaro und Michael Stütz zusammengesetzt, um über die reiche Geschichte des Arthouse Abschnitts, ihre Schlussfolgerungen aus dem letzten Jahr, ihre Ansätze für dieses Jahr und ihre Ansichten über die Taktiken zum Schutz des queeren Filmerbes und des in den letzten Jahrzehnten aufgebauten globalen Netzwerks von queeren Filmfestivals zu diskutieren. Unsere lebhafte Diskussion beleuchtete die Triebkräfte des Panoramas und gab einen Einblick in das diesjährige spannende Programm.
Das ist euer zweites Jahr als Leiter der Panorama-Sektion. Inwiefern war es anders als im letzten Jahr und welche Schlussfolgerungen konntet ihr aus dem Jahr 2018 ziehen, die euch bei der Vorbereitung auf die diesjährige Ausgabe geholfen haben?
Michael: Ich denke, das letzte Jahr war sehr erfolgreich. Ich war wirklich begeistert von dem Programm, weil es sehr spezifisch war. Außerdem hatten wir ein sehr markantes und radikales queeres Programm, auf das ich sehr stolz bin. Wir hatten einen großen Pool an Filmen zur Auswahl. Paz: Ja, und das ist sehr wichtig, denn alles beginnt mit den Filmen. Wir werden nie ein vorgefertigtes Konzept haben, zuerst müssen wir die Filme finden – oder die Filme müssen uns finden. Aber das erste sind immer die Filme selbst. Das war unser Ausgangspunkt im vergangenen Jahr, genau wie dieses Mal. Michael: Das letzte Jahr war sehr interessant, weil es eine so große Vielfalt gab, was zum Beispiel die Darstellung von People of Colour betrifft. Filme wie Bixa Travesty, Shakedown, Game Girls oder Tinta Bruta schufen neue Visionen und konzentrierten sich auf Lebensentwürfe und Milieus, die nicht so oft im Film dargestellt werden. Ich denke, wir konnten auch ein neues Publikum gewinnen, zum Teil wegen der Vielfalt des Programms. Wir haben viele positive Reaktionen erhalten. Paz: Ja, und das war sehr ermutigend und bekräftigend. Mit unseren Instinkten lagen wir also letzten Endes nicht falsch. Es ist sehr wichtig für einen Kurator, gute Instinkte zu haben. Denn man kann nie wissen, wie die Filme oder Ihr Programm bei der Branche und dem Publikum ankommen werden. Man kann es nicht vorhersagen, man kann nur eine Intuition dafür haben. Deshalb war es uns auch sehr wichtig, das Leben der Filme nach dem Festival zu verfolgen und wir sind sehr stolz darauf, dass sie so extrem erfolgreich waren. Michael: Der TEDDY-Gewinner Tinta Bruta zum Beispiel ist wirklich von einem Filmfestivals zum anderen um die Welt gereist und hat viele Preise gewonnen. Am Ende des Jahres ist er auf vielen „Top 10“-Listen gelandet. Es war sehr gut zu sehen, dass der Film so gut aufgenommen wurde. Aber im Allgemeinen blieben die Filme das ganze Jahr über sichtbar, was nicht selbstverständlich ist. Dabei spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Ich denke, es spricht wirklich für ihre Qualität und ihren Kommentar zu sozialen und politischen Fragen. Das hatte viel mit den intersektionalen Ansätzen zu tun, die sie gewählt haben. Es waren nicht nur von der Suche nach Identität getriebene Stoffe, es wurden auch andere Themen eingebracht, die das Spektrum erweiterten. Das war sehr wichtig, und es war sicherlich ein Ziel, das wir hatten und immer noch haben. Aber jedes Jahr ändert sich etwas. Man weiß nie, was man entdecken wird und was im Programm landet. Paz: Genau. Und in diesem Sinne war dieses Jahr ganz anders als das letzte, einfach weil die Filme so markant waren. Zum Beispiel hatten wir im vergangenen Jahr viele Filme zur Auswahl, in denen es um lesbische Thematiken ging – in diesem Jahr nicht. Michael: Weil sie fast alle im Wettbewerbsprogramm gelandet sind! Paz (lacht): Ja, wir sind ein wenig eifersüchtig. Aber natürlich freuen wir uns sehr für sie. Michael: Und das ist das Schöne am TEDDY. Es gibt Filme aus allen Bereichen und wir freuen uns sehr, dass es in diesem Jahr so viele queere Inhalte beim Festival gibt.
Wie habt ihr die Filme in diesem Jahr ausgewählt und was sind die wichtigsten Themen des queeren Programms?
Michael: Wir interessieren uns für Filme, die Grenzen überschreiten. Wir sind auf der Suche nach Filmen mit einer unverwechselbaren individuellen Stimme und einer einzigartigen Vision. Eine intersektionale Art des Erzählens und der Struktur ist uns ebenfalls sehr wichtig. Paz: Teil der Arbeit ist es auch, sich verschiedene Filme anzusehen, denn es gibt viel zu lernen von dem, was in der Filmpraxis allgemein in einem bestimmten Jahr passiert. Alle Filme, die wir in diesem Jahr ausgewählt haben, haben ihre Brüder und Schwestern da draußen, die es aus verschiedenen Gründen nicht in unser Programm geschafft haben. Man könnte sagen, dass wir den Puls des Filmschaffens jedes Jahr abtasten. Und dieser Puls ist definitiv ganz anders als im letzten Jahr. Bei den queeren Materialien ist die sexuelle und geschlechtsbezogene Fluidität gerade bei jüngeren Generationen in den Mittelpunkt gerückt. Es ist alles sehr aufregend. Michael: Ja, auch Bisexualität wird in den diesjährigen Filmen breiter diskutiert, was im Kino ziemlich selten ist. Es wird ein immer größeres Thema. Genauso auch die Fluidität, die Paz erwähnt hat. Und das tun sie, weil sie die Realität der Dinge widerspiegeln. Die Dinge sind nicht mehr so stark festgelegt wie früher für unsere Generation oder die Generationen davor. Es existiert mittlerweile eine völlig andere Herangehensweise an Identität und sexuelle Fluidität, und das alles spiegelt sich in den diesjährigen queeren Filmen wider. Paz: Absolut. Die Filme stellen sehr wichtige und dringende Fragen. Warum muss ich mich definieren? Viele Filme beschäftigen sich in diesem Jahr mit dieser Frage. Das zu sehen, war sehr erfrischend. Vor allem, dass diese Filme geografisch betrachtet von sehr unterschiedlichen Orten stammen. Es scheint ein übergreifendes Thema zu sein, und ich freue mich sehr über diesen Trend. Michael: Auch die Kritik und Herausforderung der Norm ist als Thema in diesem Jahr sehr ausgeprägt. Das hatten wir schon immer, aber gerade dieses Jahr liegt der Schwerpunkt darauf. Wie beispielsweise in Normal. Das ist kein klassischer, typisch queerer Film, überhaupt nicht. Es ist ein Film, der binäre Geschlechtereinteilungen und Stereotypen dekonstruiert, indem er sich mit Ritualen beschäftigt, die wir in der Gesellschaft immer wieder durchführen und die als normales Geschlechtsverhalten betrachtet werden. Es wird untersucht, warum es in der Gesellschaft keinen Raum zwischen Hypermaskulinität und Hyperfeminität gibt, wie man entweder klar das eine oder das andere sein muss. Der Film ist sehr interessiert an diesem erzwungenen Binärsystem. Paz: Der Film macht wirklich Spaß. Vor allem, weil der einzige Kommentar, den er anbietet, der Titel ist: Normal. Ansonsten beobachtet die Kamera lediglich und es ist das Publikum, das sich entscheiden muss, was es daraus machen soll. Und dann haben wir das genaue Gegenteil davon, eine Dokumentation namens Searching Eva. Eva ist ein absoluter Freigeist. Sie weigert sich, sich in irgendeiner Weise zu definieren. Sie erfindet sich jeden Tag neu, so wie sie es will. Identität erscheint als etwas, das formbar ist und mit dem man spielen und es so gestalten kann, wie man es möchte. Sie hat die Welt wirklich zu ihrem Zuhause gemacht. Dieser Film spielt zum Beispiel sehr offen mit den Ideen der Fluidität. Und das nicht nur in Bezug auf Eva, die Hauptfigur, sondern auch in Bezug auf die Welt um sie herum. Diese Filme bilden also die zwei gegenüberliegenden Seiten eines Spektrums. Und was dazwischen liegt, kommt aus den anderen Filmen.
Konntet ihr im diesjährigen Programm eine bestimmte queere Art des Filmemachens identifizieren?
In diesem Jahr wird das Panorama 40 Jahre alt. Wie hat sich das Panorama im Laufe der Jahre verändert? Was sind seine Kernwerte und sein Erbe?
Michael: Die Landschaften von Kino und Filmkultur haben sich in diesen 40 Jahren drastisch verändert, und damit auch die Sektion. Digitalisierung, Internet, Fernsehen, Vertrieb, die Art, wie Menschen auf Filme zugreifen – alles hat sich verändert. Für eine gewaltige Anzahl an Filmen sind Filmfestivals die einzige Möglichkeit der Distribution. Auch der filmische Output ist viel größer und vielfältiger. Natürlich gab es in diesen 40 Jahren so viele ikonische Filme, so viele Filme auch aus der New Queer Cinema-Bewegung, aber es gibt trotzdem mittlerweile eine größere Vielfalt. Die Grundwerte waren von Anfang an vorhanden. Was den TEDDY betrifft, war das in erster Linie die Notwendigkeit, innerhalb eines A-Filmfestivals einen Raum für queere Filme zu schaffen. Paz: Am Anfang funktionierte das alles mehr als ein Sicherheitsnetz. Wenn die anderen Sektionen nicht genügend queere Inhalte hatten, haben wir nachgeholfen. Inzwischen ist es ein organischer Prozess geworden. Panorama ist kein Wachhund über queere Inhalte mehr. Die Berlinale hat sich schon vor langer Zeit davon emanzipiert. Michael: Ja, wir sind da sehr privilegiert. Diese Filme kommen und finden ihren Weg in das Programm auf ganz organische Weise. Das liegt natürlich auch daran, dass Wieland Speck und Manfred Salzgeber diese Bühne und Stimme und Aufmerksamkeit für die Filme geschaffen haben. Sie haben nicht nur einen Markt für diese Filme geschaffen, sondern auch ein Publikum, was eine immens wichtige Sache ist. Sie wussten, dass das Publikum da draußen ist. Wir befinden uns in einer so riesigen urbanen Landschaft wie Berlin, und Vielfalt ist natürlich da draußen, aber man muss die Menschen eben auch wachrütteln. Paz: Es war für die beiden immer ein langfristiges Projekt. Sie wussten, dass dafür Zeit nötig ist und bauten es energisch auf, was wirklich einzigartig ist. Ich kenne kein anderes Festival, bei dem das so reibungslos ablaufen würde wie hier auf der Berlinale. Michael: Eine weitere tolle Sache ist die Vielfalt, die damit einhergeht. Die Filme in den Sektionen Forum und Forum Expanded sind völlig anders als die im Wettbewerb, Generation oder hier im Panorama. Es gibt jedes Jahr eine sehr große Auswahl an queeren Filmen und dass das alles einfach so organisch geschieht, ist eine enorme Leistung. Es gibt eine Vielfalt an Narrativen, aber auch an Ästhetik und visuellen Ansätzen. Das ist auch etwas, was den TEDDY äußerst relevant macht. Paz: Die bahnbrechende Vision von Manfred und Wieland wächst jedes Jahr und wird auf anderen Festivals adoptiert, was wirklich wunderbar ist.
Anlässlich des Jahrestages der Sektion gibt es ein spezielles Panorama 40-Programm, das dieses Jahr kuratiert wurde und sich mit der Geschichte des Panoramas beschäftigt. Was kann ein Filmfestival wie die Berlinale tun, um das queere Filmerbe zu bewahren, dem das Panorama in diesen vier Jahrzehnten eine Plattform geboten hat?
Michael: Es ist eine sehr wichtige, aber auch schwierige Frage. Das Festival findet nur einmal im Jahr statt, was bereits ein Problem darstellt. In der Welt gibt es verschiedene Modelle. Einige Festivals haben ein eigenes Kino und programmieren ihre Filme das ganze Jahr über, sie bringen auch alte Filme zurück oder buchen sie später für eine ganze Kinolaufzeit. Wir haben diese Option nicht, also machen wir andere Sachen. Wir kuratieren zum Beispiel Programme für andere queere Filmfestivals und Initiativen. Paz: Diese Frage stellt sich der TEDDY schon seit langem. Wie kann man ein Archiv für queere Filme aufbauen? Wie stellt man sicher, dass diese Filme ihren Platz haben und geschützt sind? Wie finden sie den Weg zurück zum Publikum? Und so hat die Queer Academy tatsächlich angefangen, das war die Grundidee dahinter. Michael: Ja, die Idee und Plan für die Queer Academy sind schon länger vorhanden, aber es ist einfach keine leichte Aufgabe, ohne jegliche finanzielle Unterstützung ein lebendiges Archiv aufzubauen. Das Arsenal zum Beispiel leistet wunderbare Arbeit in der Archivierung und Kuratierung, und sie haben viel queeres Material in ihrem Archiv. Paz: Einen Treffpunkt für queere Filmfestivalprogrammer innerhalb eines der größten A-Filmfestivals bieten zu können, ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Es ist eine gute Grundlage, um darauf aufzubauen. Es gibt viel zu tun, aber die Grundstruktur ist vorhanden und sehr solide. Michael: Ja, wir wollten schon immer alle queeren Filmfestivals einbeziehen, denn – und das ist auch im Falle der Berlinale außergewöhnlich – das Netzwerk, das zwischen den queeren Filmfestivals und der Industrie und allen, die sich für solche Inhalte interessieren, aufgebaut wurde, ist ein überaus wichtiger Teil der globalen Pflege eines queeren Erbes. Letzten Endes ist es ein Treffpunkt für Programmer, Industrie und Publikum. Das ist ein ganz wesentlicher Teil und großer Vorzug. Aber wenn man nicht über die finanziellen Mittel verfügt, ist es schwierig. Man braucht die Leute, die es dann tatsächlich auf die Beine stellen werden, und letzten Endes ist es ein Luxus. Es ist sehr schwer, die finanzielle Unterstützung zu bekommen. Wir haben es viele Male versucht und bisher hat es nicht funktioniert. Aber wir werden nicht aufgeben. Das erfordert viel Aufmerksamkeit, viel Zeit, viel Konzentration. Paz: Auch wenn man sich den European Film Market (EFM) einmal ansieht, sieht man, dass queeres Kino dort mit offenen Armen begrüßt wird. Das ist ein großer Bestandteil der Berlinale selbst. Die Industrie, die allein für den Markt und seine queeren Filme kommt, ist riesig. Das existiert sonst nirgendwo. Was Matthijs Wouter Knol für den EFM getan hat, ist bemerkenswert. Es gibt keinen anderen Filmmarkt auf der Welt, in dem es eine Person gibt, die speziell an Diversität und Inklusion arbeitet, wie Themba Bhebhe beim EFM. Was der EFM auf dieser Ebene geleistet hat, ist historisch einzigartig! Michael: Und ich denke, es gibt kein anderes Festival, bei dem der Markt so eng mit dem Programmingteam zusammenarbeitet. Wir arbeiten wirklich Seite an Seite. Natürlich spielt der EFM eine entscheidende Rolle bei der lebendigen Verbreitung queerer Filme,was eben auch Teil der Arbeit ist, wenn es um den Schutz dieses Erbes und der queeren Filmkultur geht.
Die ungleiche Verteilung von queeren Filmfestivals und Filmtiteln auf der ganzen Welt ist immer noch ein dominantes Thema. Der Queer Academy Summit 2019 ist eine gute Initiative, um auch diese Problematik zu diskutieren. Networking und Zusammenarbeit scheinen der Schlüssel zur Lösung zu sein. Glaubt ihr, dass das die Zukunft des queeren Kinos ist?
Michael: Eine andere Art von Netzwerk und ein Modell für eine gleichmäßige Verteilung ist sehr wichtig. Wir versuchen, Programmer mit der Industrie zusammenzubringen. Aber das Ganze ist sehr komplex. Und als Programmer kannst du nur bis zu einem gewissen Punkt handeln. Jemand muss ab einem bestimmten Schritt die Führung übernehmen. Das ist ein großes Thema in der Filmfestivaltheorie, aber irgendwie schafft es das nicht in die Praxis. Das ist stark mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden. Die Kreativität, die Ideen, die Leidenschaft sind alle im Übermaß vorhanden, aber es braucht etwas, um sie zu katalysieren. Und im Moment wirft auch das Diktat des Filmmarktes einige Schwierigkeiten auf. Da gibt es sehr starre Verhältnisse, wahrscheinlich starrer denn je. Wenn man sich ansieht, welche Filme das meiste Geld reinholen…. das sind alles Franchises. Unabhängige queere Stimmen sind in diesem Umfeld in einer schwierigen Situation. Paz: Auch die Vertriebslandschaft hat sich stark gewandelt. Neue Akteure wie Netflix oder Amazon haben das Ganze komplett verändert. Wir müssen uns dessen bewusst sein und darauf reagieren. Wir müssen mit diesem sich rapide verändernden Feld irgendwie Schritt halten. Als wir dieses Jahr in Toronto nach Filmen gesucht und Gespräche mit Leuten aus der Branche geführt haben, waren sich alle einig, dass sich das Spiel völlig verändert hat. Das ist nicht nötigenfalls schlecht oder gut, sondern bedeutet lediglich, dass wir uns in einer neuen Situation befinden, die natürlich neue Herausforderungen mit sich bringt. Wir sind alle neugierig, wohin das alles führt, aber sicherlich wird es auch Auswirkungen auf die Verbreitung queerer Titel haben. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es positive Auswirkungen sein werden.
Letztes Jahr sagte eine Freundin von mir, dass sie das Panorama und innerhalb des Panoramas den TEDDY besonders mag, weil es eine Sektion mit Persönlichkeit ist, die den Zuschauer direkt anspricht. Was ist der Schlüssel zum Erfolg des Panoramas, sich so gut mit dem Publikum zu verbinden?
Michael: Es ist auch historisch so gewachsen. Manfred und Wieland haben für diese Filme ein Publikum geschaffen und vor allem darin liegt der Schlüssel. Paz: Wir haben einen Publikumspreis, das Publikum fühlt sich sehr sichtbar und integriert. Wir haben Q&As, die sehr lang sind, aber die Leute bleiben gerne. Und das ist eine ziemlich große Sache! Während eines Festivals hat jeder sehr volle Zeitpläne, die Leute müssen immer zur nächsten Vorstellung rennen, oder Essen holen, oder was auch immer. Aber die Leute bleiben für Q&As und beteiligen sich und ich denke, das hat große Wirkung. Wir sind auch sehr präsent. Michael: Ja, die Leute wollen sich beteiligen. Und das hat viel mit dem Programm zu tun. Verschiedene Arten von Visionen, Erzählungen, Orten und Perspektiven können hier entdeckt werden. Die eigene Perspektive wird oft in Frage gestellt, was das gesamte Publikum anspricht. Das Berliner Publikum ist in der Regel sehr gebildet und politisch, sie sind sehr aktiv. Sie wollen nicht die ganze Zeit überflüssiges Zeug sehen. Sie wollen etwas lernen und sie wollen etwas sehen. Deshalb haben wir diese Mischung, dass neue Visionen und herausforderndes Material präsentiert werden, die aber trotzdem zugänglich sind. Paz: Wir sind da, wir sind greifbar. Wir verstecken uns nicht im Glamour. Es ist ein Festival, bei dem alle auf Augenhöhe präsent sind: Programmer, Industrie, Presse, Publikum, alle. Michael: Allerdings. Es ist einfach alles sehr zugänglich. Für alle Menschen – nun, das wäre nicht ganz richtig. Man muss für die Tickets bezahlen, man muss Englisch verstehen, aber trotzdem, vor allem im Vergleich zu anderen Festivals, ist es für das Publikum sehr zugänglich. Paz: Filmemacher sind auch sehr offen und wollen ihr Publikum kennenlernen. Sie mögen es, sich mit ihnen zu beschäftigen und sie freuen sich darauf! Auch in diesem Sinne ist unser Budget sehr begrenzt. Aber trotzdem leistet das Team hervorragende Arbeit und die Filmemacher sind daran immer beteiligt. Es ist einfach ein Teil der Panorama-DNA. Keiner scheut irgendwelche Mühen, um die Dinge möglich zu machen. Es ist eine Leidenschaft, die wir teilen, und die dabei hilft, unsere Grenzen zu überschreiten. Das haben wir von Anfang an gelernt, und das geht wiederum alles auf die fantastische Arbeit von Manfred und Wieland und die enorme Arbeit des Panorama-Teams zurück. Irgendwie ist es einfach nie eine Frage. So funktioniert das Panorama eben.
Evangelina Kraniotis sphärischer Dokumentarfilm ,Obscuro Barroco‘ verspricht die „Geschichte einer stillen Finsternis“, indem er den Erfahrungen des Trans-Charakters Luana Muniz folgt, wie sie sich im Karneval von Rio de Janeiro einen Weg durch die Straßen bahnt. Im Laufe des Films erleben wir eine Bewegung aus der Nacht zum Tag und die Schlussszene des Films zeigt Sonnenstrahlen, die sich über den Horizont erstrecken. Die Verwandlung der Stadt aus dem Dunkel hin zum Licht symbolisiert die Metamorphose der Geschlechter, wie sie im Film gezeigt wird, aber gleichzeitig auch allgemein die Trans-Bevölkerung in dieser Region, die immer sichtbarer wird. Wie der Trans-Protagonist in die Morgendämmerung Rios tritt, so treten auch zahlreiche Trans-Künstler auf brasilianische Bühnen. Dieser Dokumentarfilm von Kraniotis ist nur einer von zahlreichen brasilianischen und lateinamerikanischen Filmen im Programm des Teddy Awards 2018, der queere und Transkultur zelebriert. So etwa auch ‚Bixa Travesty‘ von Regisseur Kiko Goifman, eine empfindsame Filmbiographie über die brasilianische Trans-Sängerin Linn da Quebrada. Zu den zunehmenden Darstellungen von Trans-Personen auf den großen Leinwänden reihen sich entsprechende Entwicklungen in kleineren Rahmen. Die Daily-Soap ‚Edge of Desire‘, ein Bericht über die Geschlechtsumwandlung eines Trans-Manns, fesselte 2017 pro Nacht 50 Millionen Fernsehzuschauer. Die Sendung wurde vom brasilianischen Medien-Netzwerk Globo ausgestrahlt und war die erste Soap in der Geschichte des Landes mit einem Trans- Charakter in einer Hauptrolle. Außerdem stellte der Trans-Sänger Pabllo Vittar in diesem Jahr mit seinem Lied Sua Cara einen neuen Klick-Rekord bei YouTube auf und die Show des britischen Bühnenautors Jo Clifford, ‚The Gospel According to Jesus, Queen of Heaven’, die Jesus als eine Trans-Frau zeigt, ist seit seinem Debüt 2016 ständig auf allen Bühnen des Landes ausverkauft. Brasilien beheimatet eine große Gemeinschaft von Trans-Menschen, neben Angehörigen der travestis. Dieses „dritte Geschlecht“ des Landes beschreibt Personen, die bei Geburt als Männer eingeordnet wurden, aber eine weibliche Geschlechtsidentität ausleben. Ihre jährliche Pride-Parade in Sao Paolo ist die größte der Welt und zog im vergangenen Jahr drei Millionen Besucher an. Auch hinsichtlich LGBTQ-Rechten stellt das Land ein Paradebeispiel dar: Als eine der ersten überhaupt arbeitete die Regierung des Landes mit solchen Organisationen zusammen und bot HIV- und Aids-Erkrankten kostenlose medizinische Behandlung. 2013 kam dazu die gesetzliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe sowie des Rechts darauf, seinen Namen und die Geschlechtsangabe auf einigen vom Staat ausgestellten persönlichen Dokumenten zu ändern. Folglich spiegelt sich die wachsende rechtliche Umsetzung von Trans-Identitäten zwangsläufig auch in der Ausgestaltung dieser in der brasilianischen Kunstszene wider. Trotzdem schwebt eine dunkle Wolke über diesen Fortschritten: Mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum wird gleichzeitig von mehr und lauter werdender Feindseligkeit begleitet. In der Kunstwelt zeigt diese Feindseligkeit sich in Form von gesellschaftlicher Zensur – zwei Ausstellungen queerer Kunst wurden in diesem Jahr in Brasilien frühzeitig wegen politisch rechter und christlich-konservativer Proteste geschlossen. Im täglichen Leben manifestiert sich die Opposition gegenüber der Queer- und Trans-Gemeinschaft in Form brutaler Gewalt. Machismo-Kultur ist in weiten Teilen Lateinamerikas noch stark vertreten: Laut der UNO wird in Sao Paulo alle 15 Sekunden eine Frau angegriffen und 2017 wurden 200 LGBTQ-Personen in Brasilien ermordet. Besonders Trans-Menschen sind stark gefährdet, wie grausamerweise im letzten Jahr ein sich rasend schnell verbreitendes Video zeigte, in dem die Trans-Frau Dandara dos Santos in Fortaleza gequält und getötet wurde. Wir sind vermutlich noch viele Jahre davon entfernt, bis Trans-Kunst in ein Rampenlicht treten kann, das nicht von solchen Vorurteilen und Gewalt beschmutzt ist. Heute aber müssen wir den Mut der zahlreichen Filmemacher, Schauspieler, Sänger und Theaterbesucher anerkennen, die öffentlich queere und Trans-Kultur zelebrieren, trotz dieser Feindseligkeiten. Übersetzung: Martina Zigmund [1]https://www.nytimes.com/2017/10/07/world/americas/brazil-transgender-pabllo-vittar.html[2]https://www.nytimes.com/2017/10/07/world/americas/brazil-transgender-pabllo-vittar.html[3]https://www.youtube.com/watch?v=hWNQtlsvQiY[4]http://www.rioonwatch.org/?p=37249[5]http://www.rioonwatch.org/?p=37249[6]http://www.bbc.com/news/world-latin-america-33939470
Anlässlich der 90. Oscarverleihung am vergangenen Sonntag wurde „Una Mujer Fantástica“ (Eine fantastische Frau) mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Der Film, der 2017 mit dem TEDDY AWARD für den besten Spielfilm ausgezeichnet wurde, ist das Werk des chilenischen Regisseurs Sebastián Lelio. Der Oscar für einen nicht-englischsprachigen Film wird seit 1956 vergeben und „A Fantastic Woman“ ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein; Es ist der erste chilenische Film, der mit dem fremdsprachigen Oscar ausgezeichnet wurde, der erste Film mit einem trans themenbezogenen Plot, der den Preis mit nach Hause nimmt, und Hauptdarstellerin Daniela Vega ist die erste offene transgender Person, die bei der Preisverleihung derOscars einen Preis auf der Bühne überreicht. Sebastián Lelio lobte Daniela Vega als „Inspiration für diesen Film“.
Die Geschichte folgt Marina (Daniela Vega), einer Transfrau, die als Kellnerin arbeitet und eine liebevolle Beziehung zu Orlando (Francisco Reyes) hat, einem geschiedenen Mann, der 30 Jahre älter ist. Ihre liebevolle Liebe wird am Tag des plötzlichen Todes von Orlando abrupt beendet. Nach dieser Tragödie sieht sich Marina mit dem Hass von Orlandos Ex-Frau und Kindern konfrontiert. Sie kämpft gleichzeitig für ihr Recht, ihren Geliebten zu betrauern und gegen die Vorurteile und Schikanen der Familie ihres verstorbenen Liebhabers. Der Film gibt nicht nur eine einfühlsame Darstellung des universellen Rechts auf Trauer, sondern erzählt auch die intime Geschichte einer Trans-Frau im heutigen konservativen Chile. Auf einer breiteren Ebene beleuchtet der Film die Transphobie und Ignoranz, die für viele Transpersonen auf der ganzen Welt den Alltag ausmachen. Nur wenige können das Kino unbeeindruckt von dieser berührenden Geschichte von Liebe und Verlust verlassen.
Um mehr über den Film zu erfahren geht am besten in das nächste Kino in dem er läuft. Bis dahin schaut einfach mal in das Interview mit Regisseur Sebastián Lelio und den Hauptdarsteller*innen Daniela Vega und Francisco Reyes: https://www.youtube.com/watch?v=Q9VQLBKaP9Q