Die TEDDY Foundation vergibt zusätzlich zu den Preisen für aktuelle Filme den Special TEDDY AWARD für herausragende Leistungen und nachhaltige Verdienste an Kulturschaffende* deren Wirken zu einer umfangreichen öffentlichen Wahrnehmung und Rezeption queerer Perspektiven in Kunst, Kultur und Medien in außerordentlichem Maße beiträgt. Zu den bisherigen Preisträger*innen des Special TEDDY AWARD zählen u.a. Tilda Swinton, Werner Schroeter, Ulrike Ottinger, Monika Treut, John Hurt, Udo Kier, Christine Vachon, Joe Dallesandro, Evita Bezuidenhout, Rosa von Praunheim und Elfi Mikesch.
Der diesjährige Special TEDDY AWARD geht an die Filmkurator*in, Archivar*in, Filmemacher*in, Autor*in und LGBT-Filmhistoriker*in Jenni Olson für ihre jahrzehntelange brückenbauende Arbeit mit der sie queere Filmgeschichte sicht- und greifbar macht.
Jenni Olson’s Begeisterung für das Medium Film manifestiert sich auf unzähligen Ebenen. Sie findet immer das richtige Werkzeug um ihre Neugierde und Faszination in die Praxis umzusetzen. Sie kämpft um die Erhaltung und Verbreitung von filmischen Nachlässen und verwaisten Filmkopien, fördert aufstrebende Talente und schafft ihr eigenes filmisches Oeuvre. Sie greift dabei auf ein queeres Filmnetzwerk zurück, welches sie selbst über die Jahrzehnte durch ihre Kollaborationen und Einfluss gestärkt und erweitert hat. Jenni Olson verkörpert, lebt und schafft Queere Film Kultur.
Wir gratulieren Jenni Olson und freuen und auf die Preisverleihung am 18.06.2021 im TEDDY AWARD Studio
Wir freuen uns sehr, die Internationale Jury des 35. TEDDY AWARD vorzustellen. Drei renommierte Film- und Festivalschaffende wählen in diesem Jahr aus den nominierten queeren Filmen der Berlinale die Preisträger*innen in den Kategorien Bester Langfilm und Bester Kurzfilm aus und vergeben den TEDDY Jury Award.
Sylvie Cachin ist eine Filmregisseurin, deren preisgekrönte Filme auf zahlreichen Festivals Erfolge feierten bevor sie sich 2017 als künstlerische Leiterin und Generalintendantin dem Genfer internationalen queeren Filmfestival Everybody’s Perfect anschloss. Nachdem sie in der Schweiz, in Rom und Paris Kunstgeschichte, Geschichte sowie italienische Sprache und Literatur studierte und in Genf ein Filmstudium mit Magister abschloss, arbeitete sie in ihrer eigenen Produktionsfirma Lunafilm als Drehbuchautorin, Kamerafrau, Cutterin und Produzentin. Von ihrem Entdeckungs- und Freiheitssinn angetrieben engagiert sie sich radikal für Autorenkino sowie für queere und feministische Blicke. Durch ihre Leidenschaft für das Erleben und Teilen einer großen Vielfalt an künstlerischen Momenten bietet ihre Programmauswahl jedes Jahr eine neue Magie.
Samuel Girmaist Kurator in den Bereichen Film und Kunst, Gemeinschaftsorganisator und Aktivist und lebt in Stockholm. Zurzeit recherchiert er für einen experimentellen Kurzfilm über James Baldwins Queerness und befindet sich in der Gründungsphase eines Schwarzen Kulturraums für Film und Kunst. Samuel ist Mitbegründer der antirassistischen, intersektionalen und feministischen Plattform Black Queers Sweden. Er wurde in Äthiopien geboren, wuchs dort auf und emigrierte mit 13 Jahren nach Schweden, was seinen Blick auf Schwarzsein und die Erfahrungen, die mit Migration einhergehen, nachhaltig geprägt hat. Ein Großteil seiner Arbeiten, Kunstwerke und Schriften basiert und konzentriert sich auf Erfahrungen Schwarzer Körper.
Esma Akyelist ein*e LGBTI+ und transfeministische*r Aktivist*in aus der Türkei. Esma leitet das Pink Life QueerFest, das 2011 gegründete, erste und einzige queere Filmfestival in der Türkei. Das Festival wird organisiert von der Pink Life LGBTI+ Solidarity Association, der ersten und größten trans Selbstorganisation in der Türkei. Esma ist Vorstandsmitglied der ERA – LGBTI Equal Rights Association for the Western Balkans and Turkey und eine*r der Kurator*innen des QueerFest Berlin. Esma hat einen Magisterabschluss der Bilkent-Universität in Medien- und Bildwissenschaften.
Lisa zieht aus der WG mit Mara aus, um künftig allein zu wohnen. An den beiden Umzugstagen und in der Nacht dazwischen geht vieles zu Bruch, anderes renkt sich ein. Der Film ist filigran und geometrisch aufgebaut wie das Netz der titelgebenden Spinne. Er spielt fast ausschließlich in Innenräumen und wirkt damit unwillkürlich auch wie ein Resümee der Pandemiezeit mit ihren Paradoxien. Der Wechsel von einer Bleibe in die andere und die Energie, die freigesetzt wird, wenn eine Geschichte endet und eine neue beginnt, versetzen das Figurenensemble in einen besonderen Aggregatzustand… mehr
Warten im Pausenraum, Sex und Aufreihen für den nächsten Freier wechseln sich ab. Die selbstbewusste Italienerin Maria ist neu in dem Berliner Bordell, in dem Sascha schon lange arbeitet, und anders als die anderen hier. Sie ist Mitte 20, tätowiert und gepierct und schreibt in den Pausen Gedichte in ein Notizbuch. Die beiden Frauen fühlen sich sofort voneinander angezogen. Maria bewahrt ihr Geld in einem Schließfach in der Staatsbibliothek auf. Ihrem Vater versichert sie am Telefon regelmäßig, dass es ihr gut geht und sie viel Geld verdient. Sascha verbindet die Regionalbahn nicht nur mit ihrem alten Leben in der brandenburgischen Provinz, sondern auch mit ihrem 11-jährigen Sohn… mehr
Die Vervielfachung und Spiegelung weiblicher Charaktere war früher schon Thema in Hamaguchis Œuvre und ist es auch in seinem neuesten Film. Waren die Vorgänger Happy Hour und Asako I & II literarisch gesprochen eher Romane, so könnte man Guzen to sozo als Sammlung von Kurzgeschichten bezeichnen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Erzählrhythmus: Die drei Episoden, die jeweils um eine Frauenfigur kreisen, sind wiederum in drei Akte gegliedert. Es geht dabei um eine unerwartete amouröse Dreieckskonstellation, eine versuchte Verführung, die gleichzeitig eine Falle ist, und eine Begegnung, die durch ein Missverständnis zustande kommt… mehr
Als ihr Vater Paris schwer erkrankt, beschließt Artemis, nach einigen Jahren der Abwesenheit in ihre Heimat Griechenland zurückzukehren. Als Einzelkind geschiedener Eltern ist sie die Einzige, die sich um Paris kümmern kann, der täglicher Pflege bedarf. Im Prozess des Entdeckens und gegenseitigen Erkennens wird das Verhältnis von Vater und Tochter auf eine neue Grundlage gestellt… mehr
Im Regiedebüt der Schauspielerin und Podcast-Moderatorin Dasha Nekrasova kommen zwei sehr ungleiche WG-Genossinnen hinter die düsteren Geheimnisse in ihrem neuen Apartment an der Upper East Side und erleben diese nach. Der Film ist so besessen wie eine der Protagonistinnen, die von den Geistern der jungen Opfer des pädophilen Milliardärs Jeffrey Epstein verfolgt wird – und lässt dabei eine Obsession für die italienischen „Giallo“-Thriller und den Psycho-Horror der 1970er-Jahre erkennen… mehr
DOKUMENTAR- / ESSAYFILM
Esquí
Regie: Manque La Banca, Argentinien / Brasilien, 2021
Im Nahuel-Huapi-See lebt ein Monster. In der Dämmerung spannt es sich wie eine Kuhhaut über die Wasseroberfläche; mit scharfen Krallen greift es nach seinen Opfern. Rund um den See, der bei Bariloche in den argentinischen Anden liegt, treibt noch ein anderes Monster sein Unwesen. Es heißt Capa Negra, Schwarzer Umhang; nachts ist es auf den Skipisten unterwegs. Ihm zu begegnen, sollte man unbedingt vermeiden. Über Umwege gelangen die Monster aus den Legenden der Mapuche in Manque La Bancas Langfilmdebüt Esquí. Sie interagieren dort mit vielen anderen: mit aus Österreich stammenden alten Herren und Damen, die behaupten, den Skisport nach Bariloche gebracht zu haben, mit Skifahrer*innen, die in umso atemberaubenderen Szenen den Berg hinunterschießen, je großzügiger Zeitlupe und Bilderstottern zum Einsatz kommen, mit den Anwohner*innen eines ärmeren Viertels, die einen Teil der Regie in eigene Hände nehmen, und schließlich mit dem Filmemacher selbst, der seinen haarigen Hintern Richtung Kamera reckt. Esquí ist eine Kostbarkeit, weil der Formwille der Hipster und das politische Bewusstsein der Generation Woke hier am Beginn einer wunderbaren Freundschaft stehen.
20 Jahre nach ihrem Film Gendernauts, einem der ersten Filme, der die Trans*-Bewegung in San Francisco porträtierte und 1999 im Panorama lief, sucht Monika Treut die Pionier*innen von damals auf. Was hat sich verändert? Wie haben sich die Leben der Protagonist*innen weiterentwickelt? Während San Francisco, wie Annie Sprinkle es ausdrückt, einst die „Klitoris der USA“ war, hat heute die Tech-Industrie die Stadt fest im Griff. Die aggressive Gentrifizierung hat die genderqueere Community von einst verdrängt. Unter der Trump-Regierung stehen erkämpfte Transgender-Rechte massiv unter Beschuss… mehr
Aufgrund seiner Trans*identität muss Alexander in seiner Heimat ein Leben im Verborgenen führen. Mit der Kennzeichnung als „weiblich“ im Pass kann er keinen legalen Job aufnehmen. Da selbst ein Arztbesuch ein Risiko für ihn darstellt, hat er seine Hormontherapie zur Transition mithilfe von Internetforen und der Trans*-Community vor Ort eigeninitiativ begonnen. Um ihrer perspektivlosen Lage zu entkommen und das Land verlassen zu können, entschließt sich Alexanders Frau Mari, für 12.000 US-Dollar eine Leihmutterschaft einzugehen. Doch der vermeintlich pragmatische Plan entpuppt sich als tückisch… mehr
Miguel’s War
Regie: Eliane Raheb, Libanon / Deutschland / Spanien, 2021
In diesem inhaltlich wie formal vielschichtigen Porträt stellt sich ein schwuler Mann den Geistern seiner Vergangenheit und geht versteckten Sehnsüchten, unerfüllter Liebe und quälenden Schuldgefühlen auf die Spur. Miguel wurde 1963 als Sohn eines konservativ-katholischen libanesischen Vaters und einer autoritären Mutter aus einer wohlhabenden syrischen Familie geboren. Vielfältige Konflikte um seine nationale, religiöse und sexuelle Identität trieben ihn mit Anfang 20 zur Flucht nach Spanien. Im Madrid der Post-Franco-Zeit lebte er offen schwul, sein Alltag glich einer fortwährenden Almodóvar’schen Orgie voller Exzesse und sexueller Tabubrüche. Darauf folgten Absturz und Neuanfang… mehr
Drei Jahre nach dem ungeklärten Tod seiner Nichte Kalla kehrt der Künstler und Filmemacher Angelo Madsen Minax zurück in die Heimat seiner mormonischen Familie, eine Kleinstadt in Michigan, wo das Sägewerk des Vaters steht. Seine Schwester Jesse, die nach einer schwierigen Jugend und Suchtproblemen vorübergehend Stabilität als Mutter gefunden hatte, wird von den Behörden verdächtigt, zusammen mit ihrem Partner David Schuld am Tod ihrer Tochter Kalla zu sein… mehr
KURZFILM
Blastogenese X
Regie: Conrad Veit & Charlotte Maria Kätzl, Deutschland, 2020
Mit der Anmutung einer wiederentdeckten Filmrolle aus der Frühzeit des Kinos und der Kostümierung in „Animal Drag“ entwirft diese dadaistische Naturdokumentation eine Utopie der Gleichberechtigung sämtlicher Lebensformen. Fabelhafte Wesen entziehen sich der binären Einordnung in männlich und weiblich sowie der Trennung zwischen Mensch und Tier und durchlaufen den klassischen Zyklus von Geburt, Balz, Fortpflanzung, Brutpflege und Raubverhalten… mehr
Anfang Mai 2020, am jährlich stattfindenden International Dawn Chorus Day, stimmen Vögel aus sechs Kontinenten in eine Videokonferenz ein: Sie tratschen über Stürme, Katzen, Drahtseile und Termine. Sie tauschen sich aus über den ägyptischen Filmemacher Shady Habash, bekannt für seine satirischen, systemkritischen Musikvideos. Am Tag zuvor ist er in Kairos berüchtigtem Tora-Gefängnis gestorben. Sie reden auch über die queere ägyptische Aktivistin Sarah Hegazi, die bei einem Konzert in Kairo eine Regenbogenflagge schwenkte und dafür ins Gefängnis kam; mittlerweile lebt sie als politischer Flüchtling in Toronto. Sie ahnen nicht… mehr
Les Attendants
Regie: Truong Minh Quý, Frankreich / Singapur, 2020
Im Bergbau bezeichnet eine Halde einen künstlich aufgeworfenen Hügel, der aus dem abgeräumten, wertlosen Material besteht, das beim Abbau von Rohstoffen anfällt. Dort, wohin einst die Arbeiter von nah und fern zogen, um unter Tage für einen Hungerlohn zu schuften, wachsen heute Birken. Männer treffen sich hier zum anonymen Sex und um Momente der Nähe zu schenken. „Ich glaube, er war auch schwul“, sagt einer von ihnen über seinen Vater… mehr
In einer regnerischen Nacht macht sich Gonçalo auf den Weg, um seiner verlorenen Liebe einen letzten Brief zu übergeben. „Pass auf, der Boden ist rutschig!“, ruft ihm Diana an der Straßenecke vergeblich zu. Der Unfall wird Ende und Anfang zugleich… mehr
Eines Abends am Küchentisch fragt sie ihre Mutter um Rat. „Du brauchst keinen Rat, du bist schon klug genug“, antwortet diese. Zart wie in einer Skizze verweben sich die Erinnerungen an eine vergangene Liebe mit der Sehnsucht nach ihr… mehr