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TEDDY ACTIVIST AWARD – GEWINNER

Der TEDDY AWARD, der weltweit bedeutendste queere Filmpreis und der Preisstifter HARALD CHRIST, Unternehmer und langjähriger TEDDY Unterstützer, vergeben in diesem Jahr erstmals den TEDDY ACTIVIST AWARD. Der Preis ist verbunden mit einem Preisgeld von 5.000 € und wird künftig jährlich im Rahmen der TEDDY AWARD-Verleihung verliehen. 

Inspiriert von der Arbeit und dem Mut so vieler Aktivist*innen, die für den andauernden Kampf von sexuellen und geschlechtsspezifischen Minderheiten auf der ganzen Welt kämpfen, würdigt der TEDDY ACTIVIST AWARD Personen, die sich unter schwierigen Umständen und in einem nicht unterstützenden politischen und gesellschaftlichen Umfeld für Veränderungen einsetzen und so zu Toleranz, Akzeptanz, Gerechtigkeit und Gleichheit in der Welt beitragen. In vielen Teilen der Welt bedeutet dies, sich selbst und die Menschen in der Umgebung zu gefährden und sich der Ablehnung, Marginalisierung, Isolation und Verfolgung auszusetzen. Mit der Auszeichnung soll der Mut und die Entschlossenheit dieser Menschen gewürdigt werden.

Der TEDDY ACTIVIST AWARD 2020 geht an eine Gruppe von Aktivist*innen, die unter Gefahr für das eigene Leben mit beispiellosem Einsatz mutig und entschlossen verfolgte Homo- und Transsexuelle in Tschetschenien vor Lagerhaft, Folter und Mord retten und in Sicherheit bringen. Der TEDDY und Harald Christ verneigen sich mit großem Respekt vor diesen mutigen Menschen und hoffen, dass dieser Preis dazu beiträgt, dass das anhaltende Schweigen und Wegsehen der sogenannten „Freien Welt“ nun endlich in einen Aufschrei der Empörung übergeht und die Täter von der Weltgemeinschaft geächtet und zur Rechenschaft gezogen werden.

Das Homosexuellenpogrom in Tschetschenien:

Am 1. April 2017 berichtete die Nowaja Gaseta, eine unabhängige russische Zeitung, dass staatliche Sicherheitsbeamte Schwule in Tschetschenien entführen, festhalten und foltern und forderten, dass diese Männer die Namen anderer Schwuler preisgeben, die sie dann ebenfalls entführen, inhaftieren und foltern würden. Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow hat das Ziel dieser Kampagne offen als eine Anstrengung beschrieben, „unser Blut zu reinigen“. Er hat Familienmitglieder aufgefordert, sogenannte „Ehrenmorde“ zu verüben.

Es gibt keine Schätzungen über die Zahl der Toten. Hunderte von Tschetschenen sind seit Beginn der Gräueltaten einfach verschwunden, und Hunderte weitere sind geflohen.

Die Leitung des in St. Petersburg ansässigen russischen LGBT-Netzwerks richtete bereits in den frühen Tagen des Pogroms eine Hotline ein. Sie richteten eine Reihe von geheimen Safehouses im ganzen Land ein, in Partnerschaft mit anderen LGBTQI-Organisationen, insbesondere dem Moskauer Community Center for LGBT+ Initiatives.

In den ersten zwei Jahren haben sie 151 Menschen aus Tschetschenien und über die russische Grenze geschafft. Zu den Ländern, die sie aufgenommen haben, gehören Kanada, Deutschland, Frankreich, Norwegen, Belgien, die Niederlande, Argentinien und andere. Die US-Regierung lehnte alle aus dem Pogrom kommenden Asylbewerber ab.

Die Stellungnahme der tschetschenischen Führung:

Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow hat die Vorwürfe sofort zurückgewiesen, als sie erstmals auftauchten, und sie als „Lügen“ bezeichnet. Darüber hinaus sagt er, es sei unmöglich, solche Verbrechen zu begehen, weil es „solche Leute hier nicht gibt“. „Wir haben keine Schwulen.“ Trotz dieser Behauptungen hat Kadyrow öffentlich so genannte „Ehrenmorde“ befürwortet und Familien aufgefordert, Verwandte zu ermorden, die verdächtigt werden, schwul, lesbisch oder transsexuell zu sein. Sein Pressesekretär erklärte: „Wenn es solche Menschen in Tschetschenien gäbe, bräuchten die Strafverfolgungsbehörden sich nicht mit diesen Menschen zu beschäftigen, denn ihre Verwandten würden sie an einen Ort ohne Wiederkehr schicken. Wer solche Morde beginge, habe keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Dementis Kadyrows akzeptiert. Unter dem Druck internationaler Führungspersönlichkeiten leitete Putin jedoch kurzzeitig eine weithin kritisierte Untersuchung ein, bei der keine Zeugen und Opfer gefunden wurden, die zur Stellungnahme bereit waren, da sie Vergeltungsmaßnahmen befürchteten. Der Kreml behauptete, das Fehlen von Zeugenaussagen sei ein Beweis dafür, dass keine Menschenrechtsverletzungen stattgefunden hätten. 

Lesben und Transgender-Frauen und -Männer sind ebenfalls das Ziel dieses Angriffs:

Obwohl sich ein Großteil der Berichterstattung zu diesem Thema auf schwule Männer konzentrierte, berichten tschetschenische Lesben und transgender Frauen über eine ähnliche Behandlung. Die Überlebenden sprachen häufig über erzwungene religiöse Exorzismen und unfreiwillige Einweisungen in psychiatrische Krankenhäuser sowie über Folter und Inhaftierung. Es gibt auch Beweise für so genannte „Ehrenmorde“ an Lesben.

Frauen haben in der tschetschenischen Interpretation des Islam wenig Autonomie. Männliche Familienmitglieder begleiten sie im Allgemeinen, wenn sie sich außerhalb ihrer Wohnung aufhalten, was ihre Bemühungen, sich in Sicherheit zu bringen, noch schwieriger – und gefährlicher – macht als für Männer.

Die Opfer werden in der ganzen Welt gejagt:

Da das Ziel der Regierung Kadyrovs die Eliminierung von LGBTQI-Menschen aus der tschetschenischen Volksgruppe ist, garantiert die Flucht aus dem Land den Opfern keine Sicherheit.  Die Behörden üben Druck auf tschetschenische Familien aus, um die Opfer zu jagen und sie zur Hinrichtung zurückzubringen. Und ihre Macht reicht erstaunlich weit. Es gibt eine weltweite Diaspora derjenigen, die während der beiden Tschetschenienkriege geflohen sind.

Im November 2019 riefen offizielle Vertreter die Menschen in der Diaspora auf, die tschetschenischen Sitten überall dort durchzusetzen, wo sie leben. In Bemerkungen, die weithin als Bezugnahme auf Homosexuelle angesehen wurden, sagte Kadyrows rechte Hand: “ Ich sage es denjenigen, die in Europa, Amerika und Kanada leben: Stoppt solche Menschen! Entsprechend dem Gesetz, mit unseren Traditionen und Bräuchen, sollten wir ihr Problem lösen“, sagte Adam Delimkhanov. „Wir beschwören Euch, lasst nicht zu, dass sie die Ehre unserer Nation in den Schmutz ziehen.“  Es hat Fälle gegeben, in denen Tschetschenen zur Rückkehr verleitet oder in ihrem Gastland gezwungen wurden, die eigene Homosexualität zu leugnen. Einige von ihnen wurden in ihren Gastländern gezielt angegriffen.

Es ist keine gute Zeit, für Homo- und Transsexuelle in weiten Teilen der Welt:

Die Jagd auf Homo- und Transsexuelle ist nicht nur in Tschetschenien zu einem großen Problem geworden. Nach Angaben der ILGA-Europe gibt es weltweit 70 Länder, in denen Schwulsein kriminalisiert wird, darunter 11 Länder, in denen die Todesstrafe angewendet werden kann.

Was in Tschetschenien geschieht, ist allerdings dramatisch anders. Es handelt sich dort um die einzige Regierung seit Nazi-Deutschland, die LGBTQI-Menschen zur Ausrottung zusammentreibt.

ERGÄNZENDE QUELLEN

Masha Gessen, “The Gay Men Who Fled Chechnya’s Purge, New Yorker, July 3, 2017 https://www.newyorker.com/magazine/2017/07/03/the-gay-men-who-fled-chechnyas-purge 

Masha Gessen, “Fleeing Anti-Gay Persecution in Chechnya, Three Young Women Are Now Stuck in Place,” New Yorker, October 1, 2018 https://www.newyorker.com/news/our-columnists/fleeing-anti-gay-persecution-in-chechnya-three-young-women-are-now-stuck-in-place

“They Have Long Arms and They Can Find Me: Anti-Gay Purge by Local Authorities in Russia’s Chechen Republic,” A Human Rights Watch Report, May 26, 2017 https://www.hrw.org/report/2017/05/26/they-have-long-arms-and-they-can-find-me/anti-gay-purge-local-authorities-russias 

“Honor Kill: How the Ambitions of a Famous LGBT Activist Awoke a Terrible Ancient Custom in Chechnya, Elena Milashina,” Novaya Gazetta, April 1, 2017 https://novayagazeta.ru/articles/2017/04/01/71983-ubiystvo-chesti 

“Novaya Gazetta Learned of New Gay Persecution in Chechnya,” Novaya Gazetta, January 11, 2019 https://novayagazeta.ru/news/2019/01/11/148260-chechnya 

ILGA Europe, “Sexual Orientation Laws in the World, 2019” https://ilga.org/downloads/ILGA_Sexual_Orientation_Laws_Map_2019.pdf 

 

Der Schritt ins Licht: Repräsentation von Transidentitäten in der brasilianischen Kunstszene

Evangelina Kraniotis sphärischer Dokumentarfilm ,Obscuro Barroco‘ verspricht die „Geschichte einer stillen Finsternis“, indem er den Erfahrungen des Trans-Charakters Luana Muniz folgt, wie sie sich im Karneval von Rio de Janeiro einen Weg durch die Straßen bahnt. Im Laufe des Films erleben wir eine Bewegung aus der Nacht zum Tag und die Schlussszene des Films zeigt Sonnenstrahlen, die sich über den Horizont erstrecken. Die Verwandlung der Stadt aus dem Dunkel hin zum Licht symbolisiert die Metamorphose der Geschlechter, wie sie im Film gezeigt wird, aber gleichzeitig auch allgemein die Trans-Bevölkerung in dieser Region, die immer sichtbarer wird. Wie der Trans-Protagonist in die Morgendämmerung Rios tritt, so treten auch zahlreiche Trans-Künstler auf brasilianische Bühnen. Dieser Dokumentarfilm von Kraniotis ist nur einer von zahlreichen brasilianischen und lateinamerikanischen Filmen im Programm des Teddy Awards 2018, der queere und Transkultur zelebriert. So etwa auch ‚Bixa Travesty‘ von Regisseur Kiko Goifman, eine empfindsame Filmbiographie über die brasilianische Trans-Sängerin Linn da Quebrada. Zu den zunehmenden Darstellungen von Trans-Personen auf den großen Leinwänden reihen sich entsprechende Entwicklungen in kleineren Rahmen. Die Daily-Soap ‚Edge of Desire‘, ein Bericht über die Geschlechtsumwandlung eines Trans-Manns, fesselte 2017 pro Nacht 50 Millionen Fernsehzuschauer. Die Sendung wurde vom brasilianischen Medien-Netzwerk Globo ausgestrahlt und war die erste Soap in der Geschichte des Landes mit einem Trans- Charakter in einer Hauptrolle. Außerdem stellte der Trans-Sänger Pabllo Vittar in diesem Jahr mit seinem Lied Sua Cara einen neuen Klick-Rekord bei YouTube auf und die Show des britischen Bühnenautors Jo Clifford, ‚The Gospel According to Jesus, Queen of Heaven’, die Jesus als eine Trans-Frau zeigt, ist seit seinem Debüt 2016 ständig auf allen Bühnen des Landes ausverkauft. Brasilien beheimatet eine große Gemeinschaft von Trans-Menschen, neben Angehörigen der travestis. Dieses „dritte Geschlecht“ des Landes beschreibt Personen, die bei Geburt als Männer eingeordnet wurden, aber eine weibliche Geschlechtsidentität ausleben. Ihre jährliche Pride-Parade in Sao Paolo ist die größte der Welt und zog im vergangenen Jahr drei Millionen Besucher an. Auch hinsichtlich LGBTQ-Rechten stellt das Land ein Paradebeispiel dar: Als eine der ersten überhaupt arbeitete die Regierung des Landes mit solchen Organisationen zusammen und bot HIV- und Aids-Erkrankten kostenlose medizinische Behandlung. 2013 kam dazu die gesetzliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe sowie des Rechts darauf, seinen Namen und die Geschlechtsangabe auf einigen vom Staat ausgestellten persönlichen Dokumenten zu ändern. Folglich spiegelt sich die wachsende rechtliche Umsetzung von Trans-Identitäten zwangsläufig auch in der Ausgestaltung dieser in der brasilianischen Kunstszene wider. Trotzdem schwebt eine dunkle Wolke über diesen Fortschritten: Mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum wird gleichzeitig von mehr und lauter werdender Feindseligkeit begleitet. In der Kunstwelt zeigt diese Feindseligkeit sich in Form von gesellschaftlicher Zensur – zwei Ausstellungen queerer Kunst wurden in diesem Jahr in Brasilien frühzeitig wegen politisch rechter und christlich-konservativer Proteste geschlossen. Im täglichen Leben manifestiert sich die Opposition gegenüber der Queer- und Trans-Gemeinschaft in Form brutaler Gewalt. Machismo-Kultur ist in weiten Teilen Lateinamerikas noch stark vertreten: Laut der UNO wird in Sao Paulo alle 15 Sekunden eine Frau angegriffen und 2017 wurden 200 LGBTQ-Personen in Brasilien ermordet. Besonders Trans-Menschen sind stark gefährdet, wie grausamerweise im letzten Jahr ein sich rasend schnell verbreitendes Video zeigte, in dem die Trans-Frau Dandara dos Santos in Fortaleza gequält und getötet wurde. Wir sind vermutlich noch viele Jahre davon entfernt, bis Trans-Kunst in ein Rampenlicht treten kann, das nicht von solchen Vorurteilen und Gewalt beschmutzt ist. Heute aber müssen wir den Mut der zahlreichen Filmemacher, Schauspieler, Sänger und Theaterbesucher anerkennen, die öffentlich queere und Trans-Kultur zelebrieren, trotz dieser Feindseligkeiten. Übersetzung: Martina Zigmund [1] https://www.nytimes.com/2017/10/07/world/americas/brazil-transgender-pabllo-vittar.html [2] https://www.nytimes.com/2017/10/07/world/americas/brazil-transgender-pabllo-vittar.html [3] https://www.youtube.com/watch?v=hWNQtlsvQiY [4] http://www.rioonwatch.org/?p=37249 [5] http://www.rioonwatch.org/?p=37249 [6] http://www.bbc.com/news/world-latin-america-33939470

Eine sehr fantastische Frau gewinnt einen Oscar

Anlässlich der 90. Oscarverleihung am vergangenen Sonntag wurde „Una Mujer Fantástica“ (Eine fantastische Frau) mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Der Film, der 2017 mit dem TEDDY AWARD für den besten Spielfilm ausgezeichnet wurde, ist das Werk des chilenischen Regisseurs Sebastián Lelio. Der Oscar für einen nicht-englischsprachigen Film wird seit 1956 vergeben und „A Fantastic Woman“ ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein; Es ist der erste chilenische Film, der mit dem fremdsprachigen Oscar ausgezeichnet wurde, der erste Film mit einem trans themenbezogenen Plot, der den Preis mit nach Hause nimmt, und Hauptdarstellerin Daniela Vega ist die erste offene transgender Person, die bei der Preisverleihung derOscars einen Preis auf der Bühne überreicht. Sebastián Lelio lobte Daniela Vega als „Inspiration für diesen Film“.

Die Geschichte folgt Marina (Daniela Vega), einer Transfrau, die als Kellnerin arbeitet und eine liebevolle Beziehung zu Orlando (Francisco Reyes) hat, einem geschiedenen Mann, der 30 Jahre älter ist. Ihre liebevolle Liebe wird am Tag des plötzlichen Todes von Orlando abrupt beendet. Nach dieser Tragödie sieht sich Marina mit dem Hass von Orlandos Ex-Frau und Kindern konfrontiert. Sie kämpft gleichzeitig für ihr Recht, ihren Geliebten zu betrauern und gegen die Vorurteile und Schikanen der Familie ihres verstorbenen Liebhabers. Der Film gibt nicht nur eine einfühlsame Darstellung des universellen Rechts auf Trauer, sondern erzählt auch die intime Geschichte einer Trans-Frau im heutigen konservativen Chile. Auf einer breiteren Ebene beleuchtet der Film die Transphobie und Ignoranz, die für viele Transpersonen auf der ganzen Welt den Alltag ausmachen. Nur wenige können das Kino unbeeindruckt von dieser berührenden Geschichte von Liebe und Verlust verlassen.

Um mehr über den Film zu erfahren geht am besten in das nächste Kino in dem er läuft. Bis dahin schaut einfach mal in das Interview mit Regisseur Sebastián Lelio und den Hauptdarsteller*innen Daniela Vega und Francisco Reyes: https://www.youtube.com/watch?v=Q9VQLBKaP9Q