Wer ist das denn?

Die Tänzerin Valeska Gert war in den 1920er und 1930er Jahren eine Berühmtheit. Und dies nicht nur in ihrer Heimatstadt Berlin, sondern durch ihre Tourneen und ihre Emigration auch in Europa, Moskau und den Vereinigten Staaten. Valeska Gert war eine Künstlerin von ungeheurer Modernität. Ihre avantgardistischen Tanz-Soli waren ihrer Zeit weit voraus und beeinflussten die Jahrzehnte danach.

Valeska Gert wurde 1892 in Berlin geboren. Sie wohnte mit ihren Eltern in der Köpenicker Straße. Bereits mit fünf Jahren erhielt sie Tanzstunden; mit 16 Schauspielunterricht. Kurze Zeit, nachdem sie 1916 als Tänzerin debütierte, wurde sie bekannt: Ihre exzentrischen Tanzpantomimen, in denen sie Sujets wie Boxen, Nervosität, Kupplerin, Politiker und Prostitution analysierte und deren Vielschichtigkeit als Einheit umsetzte, machten sie schließlich zum skandalumwitterten Star. Sie realisierte in den 1920er-Jahren auch radikalere Tänze wie den Tod: ein Tanz über die letzten Atemzüge eines Menschen, der beinahe aus Bewegungslosigkeit besteht und in seiner Radikalität einzigartig im Modernen Tanz oder der Performance der Zeit war. Auch stellte sie bereits in den 1920er Jahren das junge Medium Film performativ dar, indem sie Zeitraffer, Zeitlupe und auch den Filmschnitt selbst tanzte, letzteren als moderner Straßenverkehr.

Im Jahr 1925 war sie erstmals in einem Stummfilm zu sehen: In Hans Neumanns Parodie von Ein Sommernachtstraum verkörperte sie den Puck. Georg Wilhelm Pabst engagierte sie für Die freudlose Gasse (1925), in dem sie eine schmierige Kupplerin gab. 1929 brillierte sie in Pabsts Tagebuch einer Verlorenen als sadistische Leiterin eines Heims für gefallene Mädchen. Es sind vor allem die Szenen mit Valeska Gert, die dem Zuschauer im Gedächtnis haften bleiben: Während sie ihre leicht bekleideten Schutzbefohlenen zu Turnübungen animiert, treibt sie sich durch das Schlagen eines Gongs in eine Schrecken erregende Ekstase, die in einem veritablen Orgasmus mündet. Einen größeren Bekanntheitsgrad erlangte sie ein Jahr später mit ihrem Auftritt als Mrs. Peachum in der ebenfalls von Pabst in Szene gesetzten Dreigroschenoper.

Als Avantgardekünstlerin und Jüdin seit 1933 ohne Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland, emigrierte Valeska Gert u.a. nach England und ab 1939 in die USA. 1941 eröffnete Gert in New York die Beggar Bar, eine Mischung aus Kabarett und Restaurant, die sie jedoch 1945 wegen behördlicher Auflagen wieder schließen musste. Die wildesten Ideen brachte sie in ihre Bar ein, um den weltlichen Widrigkeiten etwas entgegen zu setzen. So bastelte sie die Tischdekoration selbst, bemalte selbst die Wände und stellte an Stelle von Lampen Kerzen auf. Bereits am ersten Abend war die Kellerbar überfüllt. Dort trat u.a. Kadidja Wedekind mit Rezitationen von den Gedichten ihres Vaters Frank Wedekind auf; einer ihrer Kellner war der später als Dramatiker weltberühmt gewordene Tennessee Williams, der hier auch eigene Gedichte vortrug. An der Garderobe arbeitete die später durch das Living Theatre berühmte Judith Malina.

1947 kehrte Gert nach Europa zurück. Nach Zwischenaufenthalten in Paris und Zürich, wo sie das Kabarett Café Valeska und ihr Küchenpersonal eröffnete, reiste Gert 1949 in das unter Blockade stehende Berlin, wo sie zunächst das Kabarett Bei Valeska und im Folgejahr das Kabarett Hexenküche eröffnete, für die sie den jungen Klaus Kinski engagierte. Sie selbst spielte in der Hexenküche die für ihre Grausamkeit berüchtigte KZ-Kommandeuse Ilse Koch. Im Jahr 1951 erfolgte die Eröffnung des Nachtlokals Ziegenstall in Kampen auf der Nordseeinsel Sylt. In der mit Heu dekorierten Bar sorgten wieder die Kellner nicht nur für das leibliche Wohl, sondern auch für die Unterhaltung der Gäste. Valeska Gert trat hier jedoch nicht selbst auf.

Federico Fellini engagierte sie 1965 für den Film Julia und die Geister, in dem sie, mit einer weißen Perücke versehen, die Rolle eines Faktotums übernahm. Am 28. Juni 1970 erhielt sie das Filmband in Gold für ihr langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film. 1973 wirkte sie in R.W. Fassbinders TV-Serie Acht Stunden sind kein Tag mit und 1976 war sie in Volker Schlöndorffs Der Fangschuß zu sehen. Werner Herzog engagierte sie 1978 für seine Neuverfilmung des Murnau- Klassikers Nosferatu, doch starb sie vor Beginn der Dreharbeiten.

Valeska Gert wurde in ihrer Geburts- und Lieblingsstadt Berlin auf dem Friedhof Ruhleben beerdigt. Der schwarze Grabstein trägt ihren Namen als Autogramm in Pink.

Ein Portrait von Valeska Gert steht im Zentrum des Plakatmotivs des 28. TEDDY AWARD. Das  Plakat wurde gestaltet von Jonny Abbate. Artwork aus der Reihe „GOLDEN QUEERS“ by Rinaldo Hopf.

 

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