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TEDDY TODAY: Sonntag Februar 18

Am heutigen Sonntag wird es erotisch: Wir haben einige der erotischsten TEDDY-Filme dieses Jahres auf dem Spielplan! Von den mit Neon-Farbe beschmierten Körpern in ‚Tinta Bruta‘ über die verführenden Bühnenperformances von Trans-MC Lynn da Quebrada hin zum wunderbar bemächtigenden Stoß-Tanz der Frauen in ‚Juck‘ – unsere heutige Auswahl feiert Sexualität in jeglicher Form. Lasst euren tierischen Instinkten bei diesem Augenschmaus von lustvollem Film freien Lauf. 

L’ Animale

Director: Katharina Mueckstein
Austria 2018 97′, German

Screening: 19.00, Zoo Palast 1

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In Österreich heißt der höchste Schulabschluss „Matura“. Anders als in „Abitur“ (von „abire“ für „davongehen“) steckt darin vor allem der Gedanke der Reifeprüfung. Mati plant wie ihre Mutter Tierärztin zu werden und dazu ihren überschaubaren kleinstädtischen Kosmos Richtung Wien zu verlassen. Doch vorerst stellt sich die Frage, ob sie reif ist für diese Zukunft. Ihre langen Haare bindet sie zum strengen Knoten, der Nacken ist ausrasiert und im Maturakleid sieht Mati, wie sie selbst sagt, aus wie ein Clown. Sie hängt mit den Jungs ab und heizt mit ihnen auf ihrer Motocross- Maschine durch den Steinbruch. Als sich in der Disko eine Klassenkameradin gegen die sexuelle Belästigung durch einen von Matis Kumpels wehrt, spuckt Mati ihr ins Gesicht. Doch genau wie die Ehe ihrer Eltern bekommt Matis Crossfahrerclique Risse, als Fragen nach Freundschaft, Liebe und Sexualität deutlicher in den Vordergrund rücken. In ihrem zweiten Spielfilm setzt Katharina Mueckstein klare Bilder, klare Worte und coole Synthesizer-Beats ein, um von einer nicht leicht erklärbaren jungen Frau vor ihrem „Davongehen“ zu erzählen. Dass Reife und Zukunftsfragen nichts mit Alter zu tun haben, zeigt das Schweigen der Erwachsenen.

Bixa Travesty (Tranny Fag)
Director: Claudia Priscilla, Kiko Goifman
Brazil 2018, 75′, Portuguese

Screening: 20.00, CineStar 7

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Als schwarze Transfrau aus den armen Peripherien São Paulos erhebt die Pop-Figur Linn da Quebrada ihre Stimme für die Queers of Colour aus den Favelas. Mit ihrer Jugendfreund*in und Partner*in in Crime, der schwarzen Transfrau und Sängerin Jup de Bairro, performt sie in fulminanten Konzerten. Mit exorbitanten Kostümen und viel Twerking unternimmt sie eine elektro-musikalische Attacke gegen die weiße heteronormative Geschlechterordnung Brasiliens und den Machismus der dortigen Funk-Musikszene. Ihre zärtliche Seite zeigt sich in privaten Szenen – beim Duschen mit Freund*innen oder beim Kochen mit ihrer Mutter spricht sie über Liebe, Rassismus und Armut. In Archivmaterial – selbstgedrehten Videos – sehen wir sie bei intimen Performances während einer Krebsbehandlung im Krankenhaus. Es wird zunehmend klar, dass Linn radikale Nacktheit als Mittel zur Unterwanderung von Genderrollen einsetzt. Die Dokumentation zeigt sie außerdem in inszenierten Radiointerviews, in denen sie ihre Überzeugungen zu Feminismus und ihrer Transsexualität sprachgewaltig präsentiert: Linn will keine Cis-Frau sein, sondern eine Frau mit Penis, deren Genderidentität nicht an Genitalien gebunden sondern im stetigen Wandel begriffen ist.

Der Himmel auf Erden (Heaven on Earth)
Director: Reinhold Schünzel, Alfred Schirokauer
Germany 1927, 113′, German inter-titles

Screening: 19.30, CinemaxX 8

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Lautstark wettert der Abgeordnete Traugott Bellmann gegen den Sittenverfall im Allgemeinen und gegen das berüchtigte Nachtlokal »Himmel auf Erden« im ganz Besonderen. Pech für ihn, dass er die Lokalität erbt – nebst einer halben Million Mark, und ausgerechnet an jenem Tag, da er zum Präsidenten des Sittlichkeitsvereins ernannt wird! Pech auch, dass sein verstorbener Bruder das Erbe an die Bedingung geknüpft hat, Traugott müsse Nacht für Nacht von zehn bis drei in dieser »Hölle des Lasters« schmoren. Noch mehr Pech, dass dies alles an Traugotts Hochzeitstag geschieht und im Schlafzimmer die Tochter eines ehrbaren Sektfabrikanten ihren Bräutigam erwartet … Shimmy, Jazz und Girlkultur: Mit frivolen Anspielungen und überschäumendem Witz fügt der Film Elemente des urbanen Entertainments zu einer Attacke auf das Schmutz- und Schundgesetz von 1926. Zugleich feiert er das Kino als zirzensisches Medium, indem er Kleinkünstlern zu großen Auftritten verhilft. Die Türen fliegen wie bei Lubitsch, und als mondäner Damen-Impersonator bringt der spätere Viktor-und-Viktoria-Regisseur Reinhold Schünzel schon hier die Geschlechteridentitäten zum Tanzen.

Juck
Director: Olivia Kastebring, Julia Gumpert, Ulrika Bandeira
Sweden, 2018, 18′, Swedish

Screening: 15.30, CinemaxX 3

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Juck ist Sex. Juck ist Energie. Juck ist Protest. Juck ist Therapie. Juck ist Aktion. Juck ist Dominanz. Juck ist Provokation. Juck ist Toleranz. Juck ist Bewegung. Juck ist Fantasie. Juck ist Erregung. Juck ist Utopie. Juck ist, sich selbst zu sehen, auch wenn es schwer ist. Juck ist, sich nicht für seine Existenz zu entschuldigen. „Weiblichkeit ist ein Wort, das wir mit allem füllen können, was wir wollen“, sagen sie. Sie füllen es mit Juck .

Mes provinciales (A Paris Education)
Director: Jean Paul Civeyrac
France, 2018, 136′, French

Screening: 19.00, Kino International

Displaying Andranic Manet, Sophie Verbeeck © Moby Dick Films

Voller Erwartungen kommt Etienne aus Lyon nach Paris, um an der Sorbonne Filmregie zu studieren. Seine Freundin Lucie lässt er mit dem Versprechen zurück, sich regelmäßig per Skype bei ihr zu melden. In seinem Kurs trifft er unter anderem auf Jean-Noël und Mathias, die ebenfalls aus kleineren Städten in die Metropole gekommen sind und seine Leidenschaft fürs Kino teilen. Gemeinsam diskutiert man über Filmklassiker, liest Texte von Flaubert und Pasolini, hört Bach und Mahler. Während sich Jean-Noël als umgänglicher Freund erweist, der Etiennes fragiles Selbstbewusstsein zu stärken versucht, wirkt Mathias oft streng, unnahbar und geheimnisvoll. Er streitet sich gern und taucht wochenlang ab, ohne dass die anderen wissen, wo er sich gerade aufhält. Auch seinen Studentenfilm bekommt niemand zu Gesicht. Besonders enttäuscht ist Etienne, als er zufällig entdeckt, dass Mathias ein Geheimnis mit Annabelle teilt, jener idealistischen jungen Frau aus seiner Wohngemeinschaft, in die er heimlich verliebt ist. Jean Paul Civeyracs zärtlich-melancholische schwarz-weiße Studie über Erfahrungen mit der Kunst und dem Leben ist zugleich eine Liebeserklärung ans klassische Kino und an die Stadt Paris.

Onde o Verão Vai (episódios da juventude)/ Where the Summer Goes (chapters on youth)
Director: David Pinheiro Vicente
Portugal 2018 20′, Portuguese

Screening: 21.30, CinemaxX 3

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Die Hitze des Sommers flirrt. Eine Gruppe von Freunden fährt in den Wald. Die Körper sind dicht gedrängt in diesem Auto. Vier auf der Rückbank, zwei vorne. Die Männer küssen. Im Wald finden sie eine Schlange. Die Schlange ringelt sich über den Fuß des jungen Mannes. Das Mädchen hält sie in den Händen. Zwei Männer essen Pfirsiche. Nach dem Kuss ist der Tag vorüber. Die Komposition der Gruppe in einem Bildrahmen erinnert an die frühen Filme von Asghar Farhadi, in denen ebenfalls immer wieder der Einzelne der Gruppe gegenübersteht. Die Inszenierung der Jugend ist modern und gleichzeitig in ihren Blicken und Gesten ein Verweis auf die Malerei des Barock, ohne jemals das Heute zu vergessen. In vier Kapiteln eignet sich der 21-jährige David Vincente den Anfang aller Erzählungen der monotheistischen Religionen an und interpretiert ihn neu. Reframing his-story.

Para Aduma (Red Cow)
Director: Tsivia Barkai Yacov
Israel, 2018, 90′, Hebrew

Screening: 17.00, Haus der Kulturen der Welt

Displaying Avigayil Koevary © Boaz Yehonatan Yacov.jpg

„Wie denkst du über intime Beziehungen? Sag ruhig, zöger nicht.“ · „Ich denke, sie sind die höchste Verbindung zwischen zwei Seelen.“ Ihr Haar ist so rot wie das Fell des Kuhkalbs, von dem sich der strenggläubige Vater die prophezeite Erlösung erhofft. So einsam
und gefangen wie das Kalb in seinem Gatter fühlt sich die 17-jährige Benny auch. Ihre Mutter hat sie bei der Geburt verloren, seither lebt sie allein bei ihrem fürsorglichen, patriarchalischen Vater, der für viele in der Jerusalemer Gemeinde Autoritätsperson und Mentor ist. Auch für Yael, die bei Benny wildes Gefühlschaos auslöst. Während sie dem religiös-utopischen Nationalismus ihres Vaters zunehmend skeptisch gegenübersteht, verspürt Benny eine aufwühlende Faszination für die selbstbewusste und verletzliche Frau. Mit emotionaler Wucht verkörpert Avigayil Koevary im Langfilmdebüt der israelischen Regisseurin das jugendliche (Auf-)Begehren.

T.R.A.P
Director: Manque La Banca
Argentina, 2018, 16′, Spanish

Screening: 16.00, CinemaxX 5

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Mystischer Ort, verwunschene Geschichte: Ein Gruppe von Rittern, direkt aus dem Mittelalter importiert, geht am Ufer des Río de la Plata an Land. Sie sind auf der Suche nach einem Grab, an dem sie ein Ritual abhalten wollen. Während sie durch den Dschungel ziehen, geschehen Dinge, die sie im Heute landen lassen. Sie haben Sex, finden ein Auto, genießen mit einem Bier in der Hand den Sonnenuntergang. Dann erklingt im Radio eine Nachricht, die alles in einem anderen Licht erscheinen lässt, und es gibt kein Zurück mehr. Im Süden Argentiniens ist es im vergangenen Sommer zu Demonstrationen gegen das italienische Mode- und Textilunternehmen Benetton gekommen. Die Firma besitzt dort riesige Ländereien, die ursprünglich den Mapuche gehörten. Die Mapuche-Ureinwohner versuchen seit Jahren, ihren Besitz zurückzubekommen, um selbstbestimmt zu leben. Die Demonstrationen waren mit Ausschreitungen auf beiden Seiten verbunden; dabei verschwand Santiago Maldonado, der mit den Mapuche demonstrierte. „Nie wieder“ hieß es seit dem Ende der Diktatur in Argentinien, nun ist es wieder soweit. Es gibt keine Flucht vor der Realität, es gilt sich ihr zu stellen. Der Filmemacher bricht vorherrschende Stereotypen auf, um so seine eigene Geschichte jenseits des hegemonialen Anspruchs zu erzählen.

Three Centimetres

Director: Lara Zeidan
Great Britain, 2017, 9′, Arabic

Screening: 15.30, CinemaxX 3

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Ein Moment des Stillstands, der Schwebe. Vier Freundinnen sitzen in der Gondel eines Riesenrads; die Kamera nimmt das Mittelmeer vor der libanesischen Küste mit in den Blick, beobachtet, wie die Mädchen einsteigen, dreht eine Runde, fährt mit ihnen bis nach oben. Dann stoppt das Rad und auch die Kamera hält inne. Die Unterhaltung ist bereits zuvor ins Stocken geraten, als Manal gesteht, dass sie mit einer Frau zusammen ist.

Tinta Bruta (Hard Paint)
Director: Marcio Reolon, Filipe Matzembacher
Brazil, 2018, 118′, Portuguese

Screening: 22.30, CinemaxX 7

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Pedro verdient sein Geld in Chatrooms. Die Bildauflösung mag nicht perfekt sein, doch wenn sich Pedro vor der Webcam in NeonBoy verwandelt, erzielt das den gewünschten Effekt. Langsam lässt der junge Mann seine Finger erst in verschiedene Farbtöpfe und danach über seinen nackten Körper wandern. Im Dunkeln beginnt NeonBoy zu leuchten, folgt den Aufforderungen der User und trifft sich schließlich für Geld mit einem von ihnen im privaten Chat. Als Pedros Schwester Luzia aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und er bemerkt, dass jemand seine Shows imitiert, beginnen die Dinge sich zu verändern. Er verabredet sich mit dem Unbekannten zu einem Date, das weitreichende Folgen hat. Wie in bisher allen Filmen des Regie-Duos Felipe Matzembacher und Marcio Reolon befinden wir uns in Porto Alegre in Nordbrasilien und beobachten junge, queere Menschen auf der Suche nach Nähe, Gemeinschaft und Geborgenheit. Die elegant eingewobenen virtuellen Bilder führen, wie auch die Geschichten der Figuren, indirekt aus dieser Welt heraus, dennoch bleiben wir immer vor Ort, in einer zunehmend homophoben brasilianischen Gesellschaft, deren Außenseitern hier mit großer Zärtlichkeit und viel Sensibilität ein Porträt in drei Akten gewidmet wird.

TEDDY TODAY: Samstag Februar 17

Heute ist Tag drei der Berlinale und wir wissen kaum, wo wir unseren Überblick bei der umfangreichen Auswahl des Tages beginnen sollen. Die Klassik-Liebhaber wird Rupert Everetts ‚The Happy Prince‘ begeistern, der die letzten Kapitel im Leben des offen schwulen britischen Autors Oscar Wilde beleuchtet. Für alle, die nach etwas Gewagterem suchen, enthält der heutige Spielplan einige der radikalsten und herausforderndsten Filme des TEDDY 2018. ‚Shakedown‘, fast ausschließlich mit VHS aufgezeichnet, dokumentiert einen gleichnamigen schwarz-lesbischen Nachtklub, der Film ‚Garbage‘ vom umstrittenen indischen Regisseur Q, welcher der Berlinale bereits bekannt ist, dekonstruiert Maskulinität auf drastische Weise und der experimentelle Kurzfilm ‚Contra-Internet‘ entführt uns in eine Schreckenswelt, die Internet und Sexualität hinter sich gelassen hat. Wenn euch das noch nicht zufriedenstellt, dann hat unser action-geladenes Programm noch vieles mehr für euch im Petto – also ab in die Kinos! 

Contra-Internet: Jubilee 2033

Director: Zach Blas
USA/Great Britain 2018 29′, English, Spanish

Akademie der Künste, 19:00

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Inspiriert von Derek Jarmans queerem Punk-Film Jubilee von 1978, erzählt Contra-Internet: Jubilee 2033 die Geschichte um Ayn Rand und Mitglieder ihres Kollektivs – darunter u.a. Alan Greenspan – die sich im Jahr 1955 auf einen LSD-Trip begeben. Zach Blas erschafft, mit Susanne Sachsse in der Rolle der Ayn Rand, einen psychedelischen Fiebertraum, in dem die Philosophin und ihre Anhänger*innen in das dystopische Silicon Valley der Zukunft versetzt werden. Während die Campusse von Apple, Facebook und Google brennen, verrät ihnen ihre Reiseleiterin –
die künstliche Intelligenz Azuma –, dass Ayn als Philosophin für Tech-Manager*innen eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, da ihre Schriften den Unternehmergeist fördern. Inmitten der Trümmer erfahren Rand und das Kollektiv von der Existenz des Internets und werden Zeugen von Kämpfen zwischen Techies und Anti-Campus-Groupies. Sie treffen auf die contra-sexuelle Internetgegner*in Nootropix, die das Ende des Internets predigt. Rand und das Kollektiv brauchen eine Verschnaufpause und finden sich am Silicon Beach wieder, wo sich Stücke aus polykristallinem Silizium mit Sand und Ozean vermischen.

Garbage

Director: Q
India 2018 105′, Hindi

CineStar 3, 20:15

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Mit einer langen Metallkette ist eine junge, scheinbar stumme Frau an der Wand einer Wohnung festgemacht. Sie wird als Sklavin im Haus des Taxifahrers Phanishwar gehalten, schläft auf einem Tisch und kocht ihm Essen. Phanishwar ist ein glühender Anhänger des rechtsextremen Gurus „Baba“ und verbreitet seinen Hass in den Kommentarspalten sozialer Netzwerke. Eines Tages trifft er die junge Rami, die in Goa untertauchen muss, als sich ein heimlich gefilmtes Sexvideo mit ihr viral im Netz verbreitet. Er wird zu ihrem Fahrer, während er die junge Frau online heimlich stalkt. Der indische Regisseur Q scheut keine Kontroverse. Schon mit den abgründigen Geschichten in seinem Spielfilmdebüt Gandu erhitzte er die Gemüter. Seine stilsicher inszenierte Rachegeschichte Garbage kreist um zwei Frauen, die unterschiedlichen Formen von Unterdrückung ausgesetzt sind. Q lässt sich bei der Entwicklung der Ereignisse zunächst Zeit und schlägt manchen (queeren) Umweg ein, bis sich die Vorzeichen schließlich radikal ändern. Als weibliches Martyrium in Vergeltung umschlägt, findet der Regisseur drastische Bilder für die filmische Dekonstruktion (indischer) Männlichkeit.

The Happy Prince

Director: Rupert Everett
Germany/Belgium/Italy 2017 105′, English, French, Italian

Friedrichstadt Palast, 21:00

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Ende des 19. Jahrhunderts ist Oscar Wilde Dandy und Darling der Londoner Gesellschaft – geistreich, humorvoll und skandalumwittert. Doch seine für die Zeit zu offen gelebten Liebesbeziehungen mit Männern bringen ihn ins Zuchthaus. Bei seiner Entlassung ist er verarmt und gesundheitlich angegriffen und geht ins Exil nach Paris. Nach einem halbherzigen Versöhnungsversuch mit seiner Frau nimmt er die Beziehung zum jungen Lord Douglas wieder auf, womit er sich jedoch vollends ins Unglück stürzt. Was ihm bleibt, sind seine versponnenen Geschichten, mit denen er die Zuneigung zweier Straßenjungen gewinnt. Unterstützt von treuen Freunden, die ihn vor seinen eigenen Exzessen zu schützen versuchen, bewahrt er auch seinen Charme und seine Ironie bis zum bitteren Ende: „Entweder diese scheußliche Tapete geht – oder ich …“ Im Zentrum der Filmbiografie von Rupert Everett, verantwortlich für Drehbuch, Regie und Hauptrolle, stehen die letzten Jahre des einst gefeierten, später in Ungnade gefallenen Schriftstellers. Rückblenden und assoziative Traumbilder zeigen ihn als den exzentrischen Lebemann, der er zeitlebens war, und das Porträt öffnet sich zu einem Panorama der beginnenden Moderne.

Hojoom (Invasion)

Director: Shahram Mokri

Iran 2017 102′, Farsi

Cinestar IMAX, 21:30

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 Ewige Dunkelheit scheint über dem Stadion zu liegen, in dem Männer mit bizarren Tätowierungen eine Sportart ausüben, die nie gezeigt oder benannt wird. Eine Leiche wurde hier gefunden, die Polizei hat bereits einen Schuldigen ausgemacht. Nun soll der Tathergang rekonstruiert werden, damit man den Fall schon bald ad acta legen kann. Der wahre Mörder und seine Mannschaftskameraden wollen die Rekonstruktion jedoch nutzen, um ein weiteres Verbrechen zu begehen: Die Zwillingsschwester des Opfers, der man nachsagt, eine Vampirin zu sein, soll getötet werden. Doch bei der Nachstellung des Mordes vergessen die Spielenden ihre Rolle, Chaos bricht aus und die Figuren scheinen sich in einer Endlosschleife zu befinden, in der sich Ereignisse unter anderen Vorzeichen wiederholen. Das beklemmende Gefühl, dass die Zeit sich auflöst, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins werden und die Geschichte angehalten wurde, dürfte dem Lebensgefühl vieler junger Iraner entsprechen. In seinem Kammerspiel verbindet Shahram Mokri Ort, Raum und Zeit in den labyrinthischen Gängen des Stadions unheilvoll zu einer düsteren Allegorie.

Je fais où tu me dis (Dressed for Pleasure)

Director: Marie de Maricourt

Switzerland 2017 17′, French

CinemaxX 3, 15:30

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Nach Léchez-nous, Miaou, Miaou! (Generation 2016) erzählt Marie de Maricourt erneut von einer schillernden Rebellion sexueller Identität. Sarahs Sehnsüchte scheinen in ihrem Elternhaus keinen Platz zu haben. Die fremdbestimmte Atmosphäre in dem gutbürgerlichen Haushalt erlebt die junge Frau beengender als ihren Rollstuhl. Mithilfe einer heimlichen Komplizin findet sie jedoch Wege, das düstere Anwesen in einen Tempel der Wonne zu verwandeln.

Pop Rox

Director: Nate Trinrud
USA 2017 14′, English

CinemaxX 3, 15:30

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Jesse ist kreativ und überhaupt nicht auf den Mund gefallen. Wie aber soll sie ihrer besten Freundin gestehen, dass sie verliebt ist? Und zwar in sie! Es vorspielen mit Fingerpuppen? Zu albern. Einen Liebesbrief schreiben? Vielleicht. Oder es ihr einfach sagen? Mit großer Anteilnahme und einer Prise Ironie beschreibt der Film die Gefühlswelt des verliebten Teenagers, hin- und hergerissen zwischen wilder Entschlossenheit und der Angst, enttäuscht zu werden.

Shakedown

Director: Leilah Weinraub
USA 2018 82′, English

Zoo Palast 2, 22:00

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Die von und für afroamerikanische Frauen in L.A. gegründete Partyreihe „Shakedown“ hostete Go-go-Dance und Strip-Shows für den lesbischen Underground der Stadt. Inspiriert von der Transfrau Mahogany, die als Mutter der Szene in den Achtzigern queere Strip-Shows und Bälle für
ein nicht heterosexuelles Publikum veranstaltete, initiierte, produzierte und präsentierte die Butch Ronnie Ron die Events: Shows, in denen das hauptsächlich weibliche Publikum aus der „hood“ den Tänzerinnen für ihre Lapdances Dollars in die Panties steckt, während sie auf Hip-Hop-Beats lesbische Sexualität feiern. Die intime Chronik zeigt die Protagonistinnen auch Backstage und in Interviews, in denen klar wird, dass „Shakedown“ mehr war als ein Strip-Club: Als einer der wenigen Räume für lesbische Subkultur schuf der Club für Freaks und Queers of colour eine solidarische Community-Struktur. Doch als solcher war er polizeilicher Repression ausgesetzt. Die Regisseurin ist selbst Teil der Szene und wirft mit exklusivem Archivmaterial, Postern und Flyern einen persönlichen Blick auf weibliches Begehren, das selten auf der Leinwand zu sehen ist.

 

TEDDY TODAY: Freitag Februar 16

Die Berlinale ist jetzt in vollem Gange und wir vom TEDDY AWARD haben den glamourösen roten Teppich des CineStar genossen, wo gestern unser lieber Zsombor Interviews führte. Diese und all unsere weiteren Interviews mit Filmemachern und Stars und Sternchen des TEDDY AWARDs sind auf unserem YouTube-Kanal zu finden: https://www.youtube.com/channel/UCD1iOuMk-g6JvV76Rj_qBkw.

Unser heutiges Programm stellt eine Reise durch die lateinamerikanische queere Filmwelt dar. Startpunkt ist in Paraguay, wo das lesbische Drama von Marcelo Martinessi spielt, in dem eine ältere Dame ihre sexuelle Lust wiederentdeckt. Weiter geht es nach Brasilien, wo Evangelia Kranioti mit ihrem sphärischen Dokumentarfilm queeres und Trans-Leben inmitten des Karnevals von Rio de Janeiro abbildet. Der letzte Stopp unserer Reise ist Argentinien, wo wir in die komplexe Kunst des Malambo-Tanzens eingeführt werden.

Las herederas (The Heiresses)
Director: Marcelo Martinessi
Paraguay/Uruguay/Germany/Brazil/Norway/France, 2018, 95′, Spanish

Screening: 15.30, Berlinale Palast

Chela und Chiquita sind schon lange ein Paar. Mit den Jahren haben sie sich in einer festen Rollenverteilung eingerichtet. Die extrovertierte
Chiquita regelt das gemeinsame Leben. Chela hingegen verlässt eher ungern das Haus, lieber verbringt sie den Tag hinter ihrer Staffelei. Finanzielle Schwierigkeiten zwingen sie dazu, Teile ihres geerbten und geliebten Mobiliars – allesamt Erinnerungsstücke – zu verkaufen. Als Chiquita
wegen Überschuldung ins Gefängnis kommt, ist Chela plötzlich auf sich allein gestellt. Mit ihrem alten Daimler bietet sie einen Taxi-Service für wohlhabende ältere Damen aus der Nachbarschaft an. Beim Chauffieren lernt sie auch eine von deren Töchtern kennen, die junge, lebensfrohe Angy. Diese Begegnung lockt die eher passiv auftretende Chela aus der Reserve und lässt sie ihre eigenen Sehnsüchte neu entdecken. So zurückhaltend und vorsichtig wie seine Heldin erkundet der Film die Außenwelt und richtet den Blick zunehmend auf eine Gesellschaftsschicht, die seltsam abgeschottet von der Wirklichkeit in den Tag hineinlebt. Wenn Chela ihre Freundin im Gefängnis besucht, entfaltet sich dagegen ein ganz anderes Bild von den Verhältnissen in Paraguay.

Obscuro Barroco
Director: Evangelia Kranioti
France/Greece, 2018, 60′, Portuguese

Screening: 19.30, CineStar IMAX

Langsam und elegisch gleitet die Kamera erst über einen in dichten Nebel gehüllten Wald, dann über das Panorama von Rio de Janeiro. Rio sei eine Fabrik der Träume und Alpträume, sagt eine Stimme aus dem Off, eine Stadt der Transformationen. In ihrem essayistischen Film Obscuro Barroco folgt die griechische Regisseurin Evangelia Kranioti den poetischen Worten ihrer transidenten Erzähler*in Luana Muniz, Ikone der queeren Subkultur Brasiliens. In einem schlafwandlerischen Fluss von Kamerabildern begibt sie sich in die pulsierende Welt der Nachtgestalten. Ein Bewusstseinsstrom aus dem Underground Brasiliens fließt mitten hinein in den Straßenkarneval der Stadt. Zwischen Masken und Make-up, jungen, nackten und neuen Körpern und dem Spektakel des Feuerwerks kommen Menschen zum Vorschein, deren Transformationen kein klares Geschlecht mehr kennen. Ein weißer Clown führt uns durch den Film, in dessen Bildwelten unvermittelt auch Proteste gegen die Regierung ihr ungeschminktes Gesicht zeigen. In geschlossenen Räumen fallen die Hüllen, die „Transvestiten“ werden besungen und feiern sich selbst, bis der Traum in eine tänzerische Ekstase mündet.

Malambo, el hombre bueno (Malambo, the Good Man)
Director: Santiago Loza
Argentina, 2017, 71′, Spanish

Screening: 20.00, CinemaxX 7

Würdevoll und stark sieht er aus, unangreifbar und voll erotischer Anziehungskraft: Der junge Malambo-Tänzer Gaspar ist eins mit seiner Leidenschaft, der Tanz ist sein Beruf. Doch Regisseur Santiago Loza lehrt uns bereits zu Anfang seines Films, dass der argentinische Wettbewerbstanz Malambo auch ein kompromissloser Kampf gegen die Zeit ist. Man verschreibt ihm sein Leben. Gewinnt man den großen Zweikampf, ist man danach dazu verdammt, als Trainer den Nachwuchs zu unterrichten oder zur Abendunterhaltung auf Kreuzfahrtschiffen zu tanzen. Ein Weiterleben im Wettbewerb gibt es nicht. In kontrastreichen, magischen Schwarz-Weiß-Bildern entführt uns Loza in die Welt des argentinischen Gauchotanzes. Als Fiktion angekündigt, kommt sein Film wie eine Mischung aus Dokumentarfilm und Märchen, Biografie und Essay daher und stellt dabei die Schönheit des Kampfes der harten Alltagsrealität seines Tänzers gegenüber. Gaspars Hingabe fordert erste körperliche Opfer. Etwas anderes als Malambo scheint es nicht mehr zu geben. In raren Begegnungen mit dem Leben abseits des Tanzes trifft Gaspar Familienmitglieder, Kontrahenten oder seinen Mitbewohner in der Hitze seiner kleinen Wohnung.

TEDDY TODAY: Donnerstag Februar 15

Hallo und herzlich willkommen zu den 32. TEDDY AWARDS! Verteilt über die kommenden zehn Tage haben wir für euch einen Hochgenuss kinematographischer Besonderheiten vorbereitet. Mit TEDDY-Veteranen wie Barbara Hammer und Gus Van Sant neben Erstfilm-Regisseuren aus aller Welt weisen die Filme 2018 eben diese Diversität und Innovation auf, die unseren Preis auszeichnen. Körperpolitik, Intersektionalität und das Zelebrieren von Sinnlichkeit sind nur einige der bedeutsamen Themen, auf die ihr euch freuen könnt.

Mit unseren TEDDY AWARD-Posts werden wir euch durch die queere Welt der Berlinale geleiten und auf dem neuesten Stand halten, welche Filme ihr sehen solltet, zu welcher Zeit und wo. Als Auftakt startet das Panorama mit dem Eröffnungsfilm ‚River’s Edge‘. Dieser umwerfende Spielfilm des japanischen Filmemachers Isao Yukisada beginnt passenderweise mit dem Bild eines Mädchens, das sich an den Teddybären aus ihrer Kindheit klammert. Diese Szene ist eine Vorausblende, auf welche die übrige Erzählung sich zurankt, indem sie sich einen Weg durch die Leben einer Gruppe von Teenagern bahnt. Macht euch gefasst auf mutige, unerschrockene Abbildungen der sexuellen und psychologischen Geheimnisse, welche die jungen Generationen der heutigen Zeit quälen…“

River’s Edge

Director: Isao Yukisada
Japan 2018 118′, Japanese

CinemaxX 7, 21:00

Displaying Ryo Yoshizawa, Shuhei Uesugi © River’s Edge Film Partners, TAKARAJIMASHA : Kyoko Okazaki.jpg

Tokio 1994. In einem Videointerview redet eine junge Frau über die Bedeutung eines Teddybären. Kurz darauf stürzt in der Nacht ein brennendes Objekt aus einem Hochhaus. Ein gefesselter, nackter junger Mann fällt aus einem Spind. Zwei Fischer reden über einen Wassergeist. In Isao Yukisadas außergewöhnlichem Drama River’s Edge werden viele Fährten gelegt und die Wechsel zwischen den Erzählsträngen sind so sprunghaft und unberechenbar wie die Figuren: Ichiro ist schwul und Opfer der Gewalt seiner Mitschüler, zieht aber Stärke aus seinen Blessuren. An einem nahe gelegenen industrieverseuchten Fluss macht er einen grausigen Fund und zeigt ihn seiner besten Freundin Haruna. Kannonzaki liebt brutalen Sex und überschreitet dabei immer weitere Grenzen. Ein in sich zurückgezogenes Mädchen liest obsessiv in den Tagebüchern ihrer schwangeren Schwester und das bulimische Model Kozue vergräbt sich nachts in Bergen aus Essen. Alle diese und andere Geschichten werden virtuos zum atemlosen Sittengemälde einer getriebenen, scheinbar verlorenen Jugend montiert, wobei die Begegnungen mit Gewalt unabdingbar scheinen.