Ich weiß, ich weiß: Es ist anstrengend, laut, überall wimmelt es vor Menschen, die sich rücksichtslos ihren Weg bahnen und dabei anderen Menschen sämtliche Körperteile in die Hüfte rammen, es ist kalt, man ist tendenziell übermüdet, JA auch alle diese Sachen gehören zur Berlinale. Aber trotzdem liebt man es. Diese festliche Stimmung, die in der Luft liegt, das Wissen darüber, dass gerade um einen herum in sämtlichen Kinos tolle Filme laufen, die Anwesenheit filmeliebender Menschen, die Anwesenheit filmemachender Menschen, die roten Teppiche überall, der Anblick hektischer Journalisten, die wie Wahnsinnige in ihre Computer hacken. Auch das gehört zur Berlinale und macht den Reiz dieses Festivals aus. Aber was soll ich sagen, es hat gerade angefangen und ich komme erst in Stimmung.
In Stimmung wird euch auch dieser tolle Dokumentarfilm bringen, der heute laufen wird: „Mapplethorpe: Look at the Pictures“ über den Fotografen Robert Mapplethorpe, der seinerzeit ein Teil und ein Star der New Yorker Underground-Szene der 80er war und unter anderem mit homoerotischen Fotos nackter schwarzer Männer auf sich aufmerksam machte. Wer auch das Buch „Just Kids“ von Patti Smith gelesen hat (das Robert Mapplethorpe gewidmet ist), weiß bereits um diese Kultfigur und sein Künstlerleben, das vom Leben im Chelsea Hotel bis zu selbstzerstörerischen Drogenexzessen und dem Leben in absoluter Armut, aber mit einer Kamera in der Hand, nichts ausließ. Die Dokumentation geht dem Leben des Fotografen auf den Grund, der Szene, in der er sich bewegte, und natürlich seinen Arbeiten. Wer Künstlerdokumentationen mag und der New Yorker Underground-Kunstwelt der 80er/90er Jahre nicht uninteressiert gegenübersteht, der sollte sich ernsthaft überlegen, ob er diesen Film nicht besser anschauen sollte. Und zwar sofort. Beziehungsweise heute! Cheers!
A Boy Needs a Friend
A Boy Needs a Friend
Kanada/ USA 2015
23´
Director: Steve Reinke
Im neuesten Teil seines fortlaufenden Videoessays „Final Thoughts“ wendet sich Steve Reinke dem Thema Freundschaft im Allgemeinen und insbesondere dem Konzept der queeren nietzscheanischen Freundschaft zu. Die eklektische Mischung disparater Bilder, die von Found-FootageCollagen über digitale Animationen zu Handy-Videos reichen, wird wie üblich durch Reinkes bewusstseinsstromartigen Off-Kommentar zusammengehalten, in dem er Theorien über die Austauschbarkeit von Stephen King und Joyce Carol Oates, Stickerei-Gekritzel, die Vorteile der doppelten, US-amerikanischen und kanadischen Staatsbürgerschaft und das Sexvermögen von Leichen aufstellt. „Final Thoughts“ wurde 2004 als lebenslanges Projekt gestartet: die Serie wird mit Reinke’s Tod vollendet sein. Sie besteht aus einer Sammlung von Videoessays, einem fortwährenden Strom von Gedanken und provokativen Auseinandersetzungen. Im Forum Expanded 2012 wurde der Teil The Tiny Ventriloquist: Final Thoughts, Series Two gezeigt. A Boy Needs a Friend ist Teil von The genital is Superfluous: Final Thoughts, Series Four (2016).
Der Ost-Komplex
The GDR Complex
Deutschland 2016
90´
Director: Jochen Hick
Auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist unter Historikern umstritten, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Jochen Hick, der bereits mit mehreren Filmen im Panorama vertreten war, porträtiert mit Mario Röllig einen Zeitzeugen, begleitet ihn zu seinen Eltern und ehemaligen Kollegen, zu den Stationen seiner Flucht und seiner Inhaftierungen. Der Ost-Berliner Röllig, der 1985 eine Beziehung mit einem Politiker aus West-Berlin begann, wurde 1987 in Ungarn wegen versuchter Republikflucht festgenommen und 1988 von der BRD freigekauft. Heute hält er regelmäßig Vorträge vor Schulklassen und gibt ehrenamtlich Führungen im zur Gedenkstätte umgewandelten Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Dabei ist Hick stets nah dran, trotzdem auf Neutralität bedacht, beobachtet und stellt immer wieder Fragen aus dem Off. Bei Konfrontationen mit Sympathisanten der ehemaligen DDR, die Röllig gezielte Geschichtsverfälschung vorwerfen, wird am deutlichsten, dass der Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte der DDR mit Tabus besetzt und mit individuellen Traumata belastet ist.
Jonathan
Jonathan
Deutschland 2016
99´
Director: Piotr J. Lewandowski
Cast: Jannis Niewöhner, André Hennicke, Julia Koschitz, Thomas Sarbacher, Barbara Auer
Der 23-jährige Jonathan bewirtschaftet mit seiner Tante Martha einen Bauernhof und kümmert sich aufopferungsvoll um seinen krebskranken Vater Burghardt, der die Bemühungen des Sohnes allerdings immer wieder störrisch sabotiert, mit seiner Hinfälligkeit hadert und sich einen Tod in Würde wünscht. Jonathan ist zunehmend überfordert, bis die junge Pflegekraft Anka als Unterstützung engagiert wird. Jonathan und Anka verlieben sich ineinander und Jonathan gewinnt durch Ankas Hospiz-Erfahrung einen neuen Zugang zur Situation seines Vaters. Als Burghardts verschollen geglaubter Jugendfreund Ron auftaucht, verbessert sich sein gesundheitlicher Zustand sichtlich. Gegen den Widerstand der Familie, die Ron als Eindringling empfindet, bleibt der an Burghardts Seite. Jonathan erfährt, dass sein Vater und Ron vor vielen Jahren ineinander die große Liebe fanden. Damit bricht für ihn die Fassade sorgsam gehüteter familiärer Vorstellungen zusammen und lange unterdrückte Geheimnisse werden enthüllt – aber Jonathan lernt auch, sich von seinem Vater zu lösen und dessen Tod als etwas zu akzeptieren, das ihm den Weg zu einem selbstbestimmten Leben eröffnet.
Jug-yeo-ju-neun Yeo-ja
The Bacchus Lady
Südkorea 2016
110´
Director: E J-yong
Cast: Youn Yuh-jung, Chon Moo-song, Yoon Kye-sang, An A-zu, Choi Hyun-jun
Youn So-young hat sich einen Tripper eingefangen. „Machen Sie mich schnell gesund“, sagt sie zum Gynäkologen, sie will nämlich weiterarbeiten. In einem Park in Seoul verdient die Seniorin als „Bacchus Lady“ gerade so viel, dass sie nicht betteln muss. Die „Bacchus Ladys“, das sind ältere Damen, die das beliebte taurinhaltige Erfrischungsgetränk „Bacchus“ verkaufen, und daneben sexuelle Dienste anbieten. Denn die rasch alternde Volkswirtschaft Koreas hat für ihre Senioren kaum Geld übrig; die Altersarmut in der Gesellschaft steigt rapide. Als die Mutter des kleinen Min-ho in Polizeigewahrsam genommen wird, nimmt So-young ihn in ihre Obhut. Der nur Filipino sprechende Junge genießt in einem Hinterhof eine ganz eigene Art von Patchworkfamilie, zu der neben So-young noch deren Transgender-Nachbarin und ein einbeiniger junger Mann gehören. Viele von So-youngs gealterten ehemaligen Klienten und Freunden sehen keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation. Einer nach dem anderen bitten sie die lakonische Frau, die seit Jahren ein Geheimnis mit sich trägt, um einen letzten Gefallen.
Kater
Tomcat
Österreich 2016
114´
Director: Händl Klaus
Cast: Lukas Turtur, Philipp Hochmair, Toni, Thomas Stipsits
Andreas und Stefan leben mit ihrem Kater Moses wie im Paradies. Sie bewohnen ein schönes, altes Haus in den Wiener Weinbergen und arbeiten als Disponent und Musiker im selben Orchester. Die Leidenschaft für die Musik, der große Kollegen- und Freundeskreis und ihr pelziger Gefährte prägen den Alltag der beiden Männer. Doch eines Morgens erschüttert ein unvorhergesehener Gewaltausbruch Stefans die harmonische Beziehung der beiden. Skepsis und Entfremdung bestimmen von diesem Zeitpunkt an den Beziehungsalltag und stellen eine nur schwer überwindbare Hürde dar. Während Stefan den Boden unter den Füßen verliert, ringt Andreas weiter mit seinem Misstrauen und um seine Liebe zu Stefan. Nach seinem preisgekrönten Debüt „März“ inszeniert Händl Klaus in seinem zweiten Werk die Vertreibung zweier Liebender aus dem Paradies. Mit viel Feingefühl für die männliche Seele und den blinden Fleck, den wir in uns tragen, erzählt diese musisch-poetische Ballade von der Fragilität der Liebe. Die Darsteller Philipp Hochmair und Lukas Turtur sind zwei Theatertiere, die mit ihrem naturalistischen Schauspiel zu beeindrucken wissen.
Little Men
Little Men
USA 2016
85´
Director: Ira Sachs
Cast: Greg Kinnear, Paulina Garcia, Jennifer Ehle, Theo Taplitz, Michael Barbieri
«Warum sind sie immer noch böse auf uns?» · «Unsere Eltern sind in geschäftliche Angelegenheiten verstrickt und langsam wird‘s hässlich. Also lassen sie es an uns aus.» Ein Sommer in Brooklyn. Jakes Eltern sind in das vom Großvater geerbte Haus gezogen, Tonys Mutter ist schon lange Mieterin des Geschäfts im Erdgeschoss. Schnell entdecken die beiden 13-Jährigen ihr gemeinsames Interesse für Kunst, Computerspiele und Mädchen. Zusammen träumen sie davon, im Herbst auf die renommierte La Guardia High School zu wechseln. So werden sie bald Verbündete, nicht nur gegenüber den anderen Jungs im Viertel, sondern auch im erbitterten Mietstreit ihrer Eltern. Mit einem eigenwilligen Protest versuchen sie den unaufhaltsamen Einfluss der Erwachsenenwelt auf ihre aufrichtige Jugendfreundschaft abzuwenden. Erneut beweist der renommierte Independent Filmemacher Ira Sachs ein Gespür für emotionale Tiefen, mit dem er die familiären und moralischen Konflikte auslotet.
Mapplethorpe: Look at the Pictures
Mapplethorpe: Look at the Pictures
USA/ Deutschland 2016
108´
Director: Fenton Bailey, Randy Barbato
Cast: Robert Mapplethorpe, Edward Mapplethorpe, Debbie Harry, Patti Smith, Gloria von Thurn und Taxis, Brooke Shields, Fran Lebowitz, Brice Marden
Er war ein Katalysator und Erheller, aber auch ein Skandalmagnet. Sehr früh schon hatte Robert Mapplethorpe ein Ziel, das er bedingungslos verfolgte: „to make it“ und nicht nur Künstler, sondern auch Kunststar zu sein. Der Zeitpunkt ist günstig, es ist das Manhattan von Warhols Factory, des Studio 54 und einer nach den Stonewall-Unruhen hedonistisch ausgelebten Sexualität. Bereits seine erste Einzelausstellung (1976) breitet seine Themen aus: erotische Darstellungen, Blumen und Porträts. Berühmt-berüchtigt wird er durch eine Serie von Sex-Fotos aus dem schwulen SM-Milieu und Nacktaufnahmen von Schwarzen. In der Dokumentation Mapplethorpe: Look at the Pictures von Fenton Bailey und Randy Barbato, die bereits 2003 und 2005 Panorama-Auftritte hatten, und für ihren neuen Film unbeschränkten Zugang zu Mapplethorpes Archiven bekamen, spricht der Ausnahmekünstler in neu entdeckten Interviews offen über sich selbst. Zugleich zeichnen die Aussagen von Freunden, Lovern, Familienmitgliedern, Berühmtheiten und Modellen ein durchaus kritisches Bild dieser komplexen Schlüsselfigur der Fotografie des 20. Jahrhunderts.
O Pássaro da Noite
L’Oiseau de la Nuit
Portugal/ Frankreich 2015
20´
Director: Marie Losier
Cast: Cast: Fernando Santos aka Deborah Krystal, Cindy Scrash, Alda Cabrita, João Pedro Rodrigues
Im neuesten ihrer Porträts internationaler Underground-Legenden führt uns Marie Losier in die Weltvon Fernando, aka Deborah Krystal, dem glitzernden Dichter-Performer des Lissaboner Clubs Finalemente. In den letzten dreißig Jahren ist Fernando jeden Abend in goldenen Kleidern im Finalemente aufgetreten. O Pássaro da Noite enthüllt die vielen Facetten Fernandos, die unter den Fasern seiner farbenfrohen Gewänder liegen. Unterstützt von zahlreichen Freunden_innen und Filmemacherkollegen_innen lässt Marie Losier Lissaboner Mythen zum Leben erwachen. Mit seinen wechselnden, transformatorischen Auftritten als Meerjungfrau, Vogel oder Löwe führt uns Fernando auf eine Reise in eine Welt des durch Metamorphosen und Mythen ausgelösten Begehrens und Träumens. Diese Reise führt uns vom hellen Sonnenlicht eines farberfüllten Strandes zu den spukhaften Schatten eines Museums bei Nacht.
Quand on a 17 ans
Being 17
Frankreich 2016
116´
Director: André Téchiné
Cast: Sandrine Kiberlain, Kacey Mottet Klein, Corentin Fila, Alexis Loret
Damien und Thomas gehen in dieselbe Gymnasialklasse – und mögen sich ganz und gar nicht. Sobald Worte nicht mehr genügen, um sich gegenseitig zu verletzen, prügeln sie aufeinander ein. Dabei könnten sie Freunde sein: Damien, der Sohn der Landärztin Marianne und eines Militärfliegers, der gerade im Auslandseinsatz ist, und Thomas, Adoptivsohn mit maghrebinischen Wurzeln, der in einer Bauernfamilie auf einem abgelegenen Berghof lebt. Als die Bäuerin nach mehreren Fehlgeburten wieder ein Kind erwartet und einer komplizierten Schwangerschaft entgegensieht, nimmt Marianne den verschlossenen Jungen für eine Weile bei sich auf. Damien und Thomas müssen nun unter einem Dach leben … In seinem neuen Film behandelt André Téchiné, der mit Filmen wie Les temps qui changent (2005) und Les témoins (Die Zeugen, 2007) schon mehrfach im Wettbewerb der Berlinale vertreten war, das Aufwachsen in verschiedenen sozialen Milieus, die Verwirrungen der Jugend und die Erziehung der Gefühle. Ein raues südwestfranzösisches Bergdorf im Wechsel der Jahreszeiten wird zur Seelenlandschaft für die zwischen Ablehnung und Anziehung changierende Beziehung zweier junger Männer.
Rara
Rara
Chile/ Argentinien 2016
88´
Director: Pepa San Martin
Cast: Mariana Loyola, Julia Lübbert, Agustina Muñoz, Emilia Ossandó
«Also … küssen deine Mama und Lia sich in der Öffentlichkeit?» · «Manchmal. Nicht so häufig.» Seit der Trennung ihrer Eltern lebt Sara mit ihrer jüngeren Schwester bei der Mutter, die jetzt mit einer Frau zusammen ist. Der Alltag der vier unterscheidet sich eigentlich kaum von dem anderer Familien. Für Sara ist die Situation eigentlich ganz in Ordnung. Doch nicht alle sehen es so, insbesondere ihr Vater hat Bedenken. Als Saras 13. Geburtstag ansteht, ist sie überfordert: die erste Verliebtheit, ein Körper, der sich verändert, und jetzt auch noch Loyalitätskonflikte mit den Eltern, alles wirkt falsch. Das einfühlsame Spielfilmdebüt der Regisseurin Pepa San Martín beruht auf wahren Ereignissen.
San Fu Tian
Dog Days
Hong Kong, China 2016
95´
Director: Jordan Schiele
Cast: Huang Lu, Tian Mu Chen, Luo Lanshan, Xing Dan Wen
Nicht enden wollende Hundstage lasten bleiern auf dem ärmlichen Außenbezirk von Changsha, wo die junge Mutter Lulu als Tänzerin in einem billigen Nachtklub arbeitet. Als sie spät nachts nach Hause kommt, ist ihr Freund Bai Long mit dem gemeinsamen Säugling verschwunden. Ihre verzweifelte Suche führt sie in ein Travestielokal, wo der schwule Sunny auftritt, der weiß, wo sich der Kindsvater aufhält. Es kommt zu einem Deal zwischen dem ungleichen, von nun an schicksalhaft miteinander verstrickten Paar: Lulu will ihr Kind zurück und im Gegenzug der homosexuellen Beziehung zwischen Bai Long und Sunny nicht im Wege stehen. In einem Hotel in Schanghai überschlagen sich die Ereignisse; emotionale und erotische Irrungen und Wirrungen häufen sich. Es stellt sich heraus, dass Bai Long seinen Sohn unter dem Vorwand, dass dessen Mutter gestorben sei, an ein wohlhabendes Arztehepaar verkauft hat. Wie wird die Zukunft für Lulu und ihr Kind aussehen?
WEEKENDS
WEEKENDS
Südkorea 2016
98´
Director: Dong-ha Lee
Cast: Jaewoo, Sander, Jonggirl, Namypooh, Gang
Jedes Wochenende probt der schwule Männerchor G-Voice in Seoul, und das seit 2003. Als eine Art Gegenpol zur koreanischen Gesellschaft, die von Homophobie geprägt ist, thematisiert er den homosexuellen Alltag auf intelligente und humorvolle Weise. Für das zehnjährige Jubiläum planen die Mitglieder ihr erstes großes Konzert mit anspruchsvollen Arrangements, kreativen Choreografien und vielen neuen Stücken. Das stellt die Amateursänger auf eine harte Bewährungsprobe, denn bei manchen ist der Enthusiasmus größer als die Stimmsicherheit, während andere die ehrenamtliche Organisationsarbeit aufreibt. Neben der Konzertvorbereitung engagiert sich G-Voice auch politisch und singt für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung, und das nicht nur auf LGBTQ-Demos. Regisseur Lee Dong-ha gelingt es, beinahe beiläufig einen Einblick in das schwule Leben in Korea zu geben. Er begleitet Chormitglieder und Organisatoren auch nach den Proben, wenn beim Essen die Gespräche persönlicher werden. Die Stücke von G-Voice, gefilmt im Stil schicker Musikvideos, kommentieren unter anderem die Erfahrungen der Männer mit der Gesellschaft, mit ihren konservativen Familien und mit schwuler Lebensfreude.
Who’s Gonna Love Me Now?
Who’s Gonna Love Me Now?
Großbritannien/ Israel 2016
84´
Director: Tomer Heymann, Barak Heymann, Alexander Bodin Saphir
Saar hat den Erwartungen seiner Eltern nie entsprochen. Seit er sich vor 17 Jahren den Regeln seines Kibbuz widersetzte und von der Siedlungsgemeinschaft ausgeschlossen wurde, war er für seine Familie nicht mehr existent. Er verließ Israel, um in London ein freies schwules Leben zu beginnen. Nach dem Ende einer dreijährigen Partnerschaft suchte er exzessive Sex- und Drogenabenteuer, bis er HIV-positiv getestet wurde und gezwungen war, sein Dasein zu überdenken. Im London Gay Men’s Chorus hat er schließlich ein Zuhause gefunden und schöpft dort aus der Musik den Mut für eine Wiederbegegnung mit seiner Familie. Einfühlsam, mit Humor und Charme dokumentiert der Film, wie sich der inzwischen Vierzigjährige und seine ihm entfremdeten Eltern und Geschwister auf den Weg machen, sich gemeinsam ihren Zerwürfnissen und Ängsten zu stellen. Unerwartete Nähe und tiefe Zurückweisung werden zur Herausforderung. Beiläufig beleuchtet Saars sehr persönliche Geschichte auch die faszinierende Vielfalt kulturell und religiös geprägter kollektiver Lebensweisen und inspiriert zur aufrichtigen Identitätsfindung. Zahlreiche energetisch aufgeladene Chorszenen verleihen dieser Botschaft leidenschaftlich Ausdruck.
Zona Norte
Zona Norte
Deutschland 2016
90´
Director: Monika Treut
Fünfzehn Jahre nachdem Monika Treut in ihrem Film Kriegerin des Lichts (Panorama 2002) die Menschenrechtlerin Yvonne Bezerra de Mello bei ihrer Arbeit mit Straßenkindern porträtierte, kehrt sie nach Rio de Janeiro zurück, um die Entwicklung und Nachhaltigkeit des alternativen Schulprojekts Uerê zu dokumentieren. Täglich versorgt de Mello in ihrer Einrichtung mittlerweile etwa 250 Kinder mit Essen und bietet ihnen ein liebevolles, sicheres und effektives Lernumfeld an. Ihre alternative Pädagogik ermöglicht den Kindern, die aus massiven Gewalterfahrungen resultierenden Lernprobleme zu überwinden. Doch inzwischen haben die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele und der massive Militäreinsatz gegen die Bewohner der Favelas bürgerkriegsähnliche Zustände provoziert. Stets nah an den Menschen und sensibel in der Bildsprache untersucht Treut die Auswirkungen der stadtsoziologischen Veränderungen. In Zona Norte begibt sie sich auf die Suche nach den Protagonisten von damals. Die Schüler, die sie 2001 in ihrem Film porträtierte, schienen keine Zukunft zu haben, doch die Wiederbegegnung zeigt, dass de Mellos Projekt den Kindern langfristig bessere Perspektiven eröffnet.
15.15 Uhr, CineStar 3
Girl Talk
Girl Talk
USA 2015
4´
Director:Wu Tsang
Cast: Fred Moten
Girl Talk zeigt den Dichter und kritischen Theoretiker Fred Morten beim Zeitlupentanz in „dragged time“ zu einer Accappella-Version des Jazz Standards „Girl Talk“. Das Lied von Betty Carter wird hier in einer Neuinterpretation des Musikers Josiah Wise vorgetragen. Moten dreht sich euphorisch in einem sonnendurchfluteten Garten, sein juwelenbesetzes Samtgewandt reflektiert das Licht in pinken, blauen und grünen Strahlen. Moten und Tsang, Dichter und Künstler, untersuchen die Figur der Drag Queen und sind selbst an keine Persona gebunden.
10.02-22.0 2. / täglich 19:00 – 21:00 Akademie der Künste als Installation