Tag 5: Nimm ’ne Pose ein!

Niemand auf dieser Welt kommt um die Popstar-Ikone Madonna herum. Madonna ist einfach überall und gefühlt schon immer präsent. In der bekannten und auch wunderbaren Dokumentation „Truth or Dare“ wurde sie während ihrer „Blond Ambition Tour“ 1990 begleitet. Für die Tour castete Madonna Tänzer, die vor allem aus der Voguing-Szene kamen, die der homosexuellen Subkultur in New York entsprang. Die Doku blickt hinter die Kulissen der Tour, zeigt vor allem Madonna in intimen Momenten mit ihren Tänzern, wie sie im Bett sitzen, scherzen, kuscheln, reden. Madonna wollte ein politisches Zeichen setzen; die Homosexualität ihrer Tänzer steht sehr im Vordergrund des Films.  Auch Aids ist ein Thema. 1991 erschien „Truth or Dare“, wir schreiben das Jahr 2016 und eine weitere Dokumentation beschäftigt sich mit der Blond Ambition Tour, 25 Jahre später: „Strike a Pose“, der dieses Jahr auch um einen TEDDY konkurriert. In dieser Doku erzählen die Filmememacher Ester Gould und Reijer Zwaan aus der Perspektive der Tänzer und wie sie die Tour, das Filmen hinter den Kulissen, und das Ausleuchten ihrer Privatsphäre wahrnahmen. Anscheinend nicht allzu angenehm, ansonsten hätten nicht drei ihrer Tänzer 1992 Madonna verklagt, weil sie sich ihrer Privatsphäre beraubt fühlten. Ein interessanter Blick hinter die Kulissen des Showbiz. Die Dokumenatation läuft heute um 17 Uhr im Kino International. Liebe Leute: Nehmt ’ne Pose ein, denn heute zählen wir bereits den 5. Tag der Berlinale!


Der Ost-Komplex
The GDR Complex

Deutschland 2016
90´
Director: Jochen Hick

Auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist unter Historikern umstritten, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Jochen Hick, der bereits mit mehreren Filmen im Panorama vertreten war, porträtiert mit Mario Röllig einen Zeitzeugen, begleitet ihn zu seinen Eltern und ehemaligen Kollegen, zu den Stationen seiner Flucht und seiner Inhaftierungen. Der Ost-Berliner Röllig, der 1985 eine Beziehung mit einem Politiker aus West-Berlin begann, wurde 1987 in Ungarn wegen versuchter Republikflucht festgenommen und 1988 von der BRD freigekauft. Heute hält er regelmäßig Vorträge vor Schulklassen und gibt ehrenamtlich Führungen im zur Gedenkstätte umgewandelten Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Dabei ist Hick stets nah dran, trotzdem auf Neutralität bedacht, beobachtet und stellt immer wieder Fragen aus dem Off. Bei Konfrontationen mit Sympathisanten der ehemaligen DDR, die Röllig gezielte Geschichtsverfälschung vorwerfen, wird am deutlichsten, dass der Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte der DDR mit Tabus besetzt und mit individuellen Traumata belastet ist.

Der Ost-Komplex(1)

16.00 Uhr, Colosseum 1


Jonathan 
Jonathan

Deutschland 2016
99´
Director: Piotr J. Lewandowski
Cast: Jannis Niewöhner, André Hennicke, Julia Koschitz, Thomas Sarbacher, Barbara Auer

Der 23-jährige Jonathan bewirtschaftet mit seiner Tante Martha einen Bauernhof und kümmert sich aufopferungsvoll um seinen krebskranken Vater Burghardt, der die Bemühungen des Sohnes allerdings immer wieder störrisch sabotiert, mit seiner Hinfälligkeit hadert und sich einen Tod in Würde wünscht. Jonathan ist zunehmend überfordert, bis die junge Pflegekraft Anka als Unterstützung engagiert wird. Jonathan und Anka verlieben sich ineinander und Jonathan gewinnt durch Ankas Hospiz-Erfahrung einen neuen Zugang zur Situation seines Vaters. Als Burghardts verschollen geglaubter Jugendfreund Ron auftaucht, verbessert sich sein gesundheitlicher Zustand sichtlich. Gegen den Widerstand der Familie, die Ron als Eindringling empfindet, bleibt der an Burghardts Seite. Jonathan erfährt, dass sein Vater und Ron vor vielen Jahren ineinander die große Liebe fanden. Damit bricht für ihn die Fassade sorgsam gehüteter familiärer Vorstellungen zusammen und lange unterdrückte Geheimnisse werden enthüllt – aber Jonathan lernt auch, sich von seinem Vater zu lösen und dessen Tod als etwas zu akzeptieren, das ihm den Weg zu einem selbstbestimmten Leben eröffnet.

Jonathan(1)

22.30 Uhr, Colosseum 1


Kater
Tomcat

Österreich 2016
114´
Director: Händl Klaus
Cast: Lukas Turtur, Philipp Hochmair, Toni, Thomas Stipsits

Andreas und Stefan leben mit ihrem Kater Moses wie im Paradies. Sie bewohnen ein schönes, altes Haus in den Wiener Weinbergen und arbeiten als Disponent und Musiker im selben Orchester. Die Leidenschaft für die Musik, der große Kollegen- und Freundeskreis und ihr pelziger Gefährte prägen den Alltag der beiden Männer. Doch eines Morgens erschüttert ein unvorhergesehener Gewaltausbruch Stefans die harmonische Beziehung der beiden. Skepsis und Entfremdung bestimmen von diesem Zeitpunkt an den Beziehungsalltag und stellen eine nur schwer überwindbare Hürde dar. Während Stefan den Boden unter den Füßen verliert, ringt Andreas weiter mit seinem Misstrauen und um seine Liebe zu Stefan. Nach seinem preisgekrönten Debüt „März“ inszeniert Händl Klaus in seinem zweiten Werk die Vertreibung zweier Liebender aus dem Paradies. Mit viel Feingefühl für die männliche Seele und den blinden Fleck, den wir in uns tragen, erzählt diese musisch-poetische Ballade von der Fragilität der Liebe. Die Darsteller Philipp Hochmair und Lukas Turtur sind zwei Theatertiere, die mit ihrem naturalistischen Schauspiel zu beeindrucken wissen.

Kater

22.30 Uhr, Cubix 7


Mamma vet bäst
Mother knows best

Schweden 2016
12´
Director: Mikael Bundsen
Cast: Alexander Gustavsson, Hanna Ullerstam, Karl-Erik Franzén

Er ist also schwul. Heute Abend hat er ihr seinen Freund vorgestellt. Zum Abschied küsst er ihn leidenschaftlich. Er hat Glück, so eine tolerante Mutter zu haben. Das ist nicht selbstverständlich. Seinem Vater solle er es lieber noch nicht erzählen, sagt sie. Und in der Öffentlichkeit sollte er sich erst recht nicht als schwul zu erkennen geben. Viele hätten Vorurteile. Nicht alle seien so verständnisvoll wie sie.

Mamma vet bäst

17.00 Uhr, CinemaxX 1


Mapplethorpe: Look at the Pictures
Mapplethorpe: Look at the Pictures

USA/ Deutschland 2016
108´
Director: Fenton Bailey, Randy Barbato
Cast: Robert Mapplethorpe, Edward Mapplethorpe, Debbie Harry, Patti Smith, Gloria von Thurn und Taxis, Brooke Shields, Fran Lebowitz, Brice Marden

Er war ein Katalysator und Erheller, aber auch ein Skandalmagnet. Sehr früh schon hatte Robert Mapplethorpe ein Ziel, das er bedingungslos verfolgte: „to make it“ und nicht nur Künstler, sondern auch Kunststar zu sein. Der Zeitpunkt ist günstig, es ist das Manhattan von Warhols Factory, des Studio 54 und einer nach den Stonewall-Unruhen hedonistisch ausgelebten Sexualität. Bereits seine erste Einzelausstellung (1976) breitet seine Themen aus: erotische Darstellungen, Blumen und Porträts. Berühmt-berüchtigt wird er durch eine Serie von Sex-Fotos aus dem schwulen SM-Milieu und Nacktaufnahmen von Schwarzen. In der Dokumentation Mapplethorpe: Look at the Pictures von Fenton Bailey und Randy Barbato, die bereits 2003 und 2005 Panorama-Auftritte hatten, und für ihren neuen Film unbeschränkten Zugang zu Mapplethorpes Archiven bekamen, spricht der Ausnahmekünstler in neu entdeckten Interviews offen über sich selbst. Zugleich zeichnen die Aussagen von Freunden, Lovern, Familienmitgliedern, Berühmtheiten und Modellen ein durchaus kritisches Bild dieser komplexen Schlüsselfigur der Fotografie des 20. Jahrhunderts.

Mapplethorpe

14.30 Uhr, CineStar 7


O noapte in Tokoriki
A night in Tokoriki

Rumänien 2016
18´
Director: Roxana Stroe
Cast: Cristian Priboi, Cristian Bota, Iulia Ciochina

Party im Nachtklub Tokoriki. Geanina wird 18, und das ganze Dorf ist da. Die Neonpalme ist eingeschaltet und der DJ trägt sein goldenes Hemd. Alin und seine Freunde fahren mit Style im Pferdewagen vor und erobern die Tanzfläche. Aber Alin scheint etwas auf der Seele zu liegen. Mit glühenden Augen starrt er Gianina an. Das bleibt auch ihrem Freund nicht verborgen. Die Gefühle kochen hoch. Kommt es heute Nacht zur Eskalation?

O noapte in Tokoriki

17.00 Uhr, CinemaxX 1


Quand on a 17 ans
Being 17

Frankreich 2016
116´
Director: André Téchiné
Cast: Sandrine Kiberlain, Kacey Mottet Klein, Corentin Fila, Alexis Loret

Damien und Thomas gehen in dieselbe Gymnasialklasse – und mögen sich ganz und gar nicht. Sobald Worte nicht mehr genügen, um sich gegenseitig zu verletzen, prügeln sie aufeinander ein. Dabei könnten sie Freunde sein: Damien, der Sohn der Landärztin Marianne und eines Militärfliegers, der gerade im Auslandseinsatz ist, und Thomas, Adoptivsohn mit maghrebinischen Wurzeln, der in einer Bauernfamilie auf einem abgelegenen Berghof lebt. Als die Bäuerin nach mehreren Fehlgeburten wieder ein Kind erwartet und einer komplizierten Schwangerschaft entgegensieht, nimmt Marianne den verschlossenen Jungen für eine Weile bei sich auf. Damien und Thomas müssen nun unter einem Dach leben … In seinem neuen Film behandelt André Téchiné, der mit Filmen wie Les temps qui changent (2005) und Les témoins (Die Zeugen, 2007) schon mehrfach im Wettbewerb der Berlinale vertreten war, das Aufwachsen in verschiedenen sozialen Milieus, die Verwirrungen der Jugend und die Erziehung der Gefühle. Ein raues südwestfranzösisches Bergdorf im Wechsel der Jahreszeiten wird zur Seelenlandschaft für die zwischen Ablehnung und Anziehung changierende Beziehung zweier junger Männer.

Quand on a 17 ans

15.00 Uhr, Friedrichstadt Palast & 21.00 Uhr Haus der Berliner Festspiele


Rara
Rara

Chile/ Argentinien 2016
88´
Director: Pepa San Martin
Cast: Mariana Loyola, Julia Lübbert, Agustina Muñoz, Emilia Ossandó

«Also … küssen deine Mama und Lia sich in der Öffentlichkeit?» · «Manchmal. Nicht so häufig.» Seit der Trennung ihrer Eltern lebt Sara mit ihrer jüngeren Schwester bei der Mutter, die jetzt mit einer Frau zusammen ist. Der Alltag der vier unterscheidet sich eigentlich kaum von dem anderer Familien. Für Sara ist die Situation eigentlich ganz in Ordnung. Doch nicht alle sehen es so, insbesondere ihr Vater hat Bedenken. Als Saras 13. Geburtstag ansteht, ist sie überfordert: die erste Verliebtheit, ein Körper, der sich verändert, und jetzt auch noch Loyalitätskonflikte mit den Eltern, alles wirkt falsch. Das einfühlsame Spielfilmdebüt der Regisseurin Pepa San Martín beruht auf wahren Ereignissen.

Rara

15.30 Uhr, CinemaxX 3


Strike a Pose
Strike a Pose

Niederlande/ Belgien 2016
83´
Director: Ester Gould, Reijer Zwaan

1990 suchte Superstar Madonna für ihre „Blond Ambition“-Tour Performer, die sich mit Vogueing auskannten. Aus zahllosen Bewerbern wurden die schwulen Tänzer Salim, Kevin, Carlton, José, Luis und Gabriel ausgewählt, und als einziger Hetero der Breakdancer Oliver. Die Tour wurde von einem Filmteam begleitet, und die Musikerin inszenierte sich als Mutterfigur der Bühnenfamilie. Die Jungs fanden schnell Fans unter homosexuellen Jugendlichen, die sie als Vorbilder ansahen, während die Tour zu Madonnas Bekenntnis für die schwule Befreiung und die Akzeptanz von Aids wurde. Doch die heile Welt zerbrach, als Gabriel, Kevin und Oliver gegen das unerwünschte Outing klagten, das sie durch den Film „In Bed With Madonna“ erlebten. Gabriel starb 1995 an Aids, die anderen verfolgten weiter ihre beruflichen Karrieren. 25 Jahre nach der gemeinsamen Zeit treffen sich die sechs Männer, und es werden Geheimnisse gelüftet, die lange zurückgehalten wurden. Den Filmemachern gelingt es, die Geschichten der sehr unterschiedlichen Tänzer zu erzählen, wobei sie die offiziellen Versionen behutsam in Frage stellen, um sich zum Kern der Wahrheit vorzuarbeiten.

Strike a Pose

17.00 Uhr, International


Théo et Hugo dans le même bateau
Théo et Hugo dans le même bateau

Frankreich 2016
97´
Director: Olivier Ducastel, Jacques Martineau
Cast: Geoffrey Couët, François Nambot

In einem Sex-Club treffen die Körper von Théo und Hugo aufeinander. Sie tauschen sich aus, verschwimmen in der Unschärfe eines hemmungslosen Verlangens, nehmen im Wechsel ihrer Blicke Gestalt an, um sich erneut zu erkunden und zu verlieren. Wenige Momente später zieht es die beiden jungen Männer nach draußen. Gemeinsam lassen sie sich durch die leergefegten Straßen im nächtlichen Paris treiben. Unvermittelt werden sie hier mit einer Realität konfrontiert, die ihre Freiheit und Ziellosigkeit aushebelt und jedem weiteren Schritt eine Ratlosigkeit von existenziellem Ausmaß verleiht: Möchten sie mehr voneinander erfahren? Wird Vertrauen belohnt werden? Was erwartet sie? Mit meisterhaftem Feingefühl lassen Olivier Ducastel und Jacques Martineau uns daran teilhaben, wie zwei Männer in einer tiefen gegenseitigen Verunsicherung stranden und dennoch nach Nähe suchen. Ihre beiden Hauptdarsteller verzaubern mit großem Einfühlungsvermögen und umwerfendem Charme.

Théo et Hugo dans le même bateau(1)

20.00 Uhr, International


Who’s Gonna Love Me Now?
Who’s Gonna Love Me Now?

Großbritannien/ Israel 2016
84´
Director: Tomer Heymann, Barak Heymann, Alexander Bodin Saphir

Saar hat den Erwartungen seiner Eltern nie entsprochen. Seit er sich vor 17 Jahren den Regeln seines Kibbuz widersetzte und von der Siedlungsgemeinschaft ausgeschlossen wurde, war er für seine Familie nicht mehr existent. Er verließ Israel, um in London ein freies schwules Leben zu beginnen. Nach dem Ende einer dreijährigen Partnerschaft suchte er exzessive Sex- und Drogenabenteuer, bis er HIV-positiv getestet wurde und gezwungen war, sein Dasein zu überdenken. Im London Gay Men’s Chorus hat er schließlich ein Zuhause gefunden und schöpft dort aus der Musik den Mut für eine Wiederbegegnung mit seiner Familie. Einfühlsam, mit Humor und Charme dokumentiert der Film, wie sich der inzwischen Vierzigjährige und seine ihm entfremdeten Eltern und Geschwister auf den Weg machen, sich gemeinsam ihren Zerwürfnissen und Ängsten zu stellen. Unerwartete Nähe und tiefe Zurückweisung werden zur Herausforderung. Beiläufig beleuchtet Saars sehr persönliche Geschichte auch die faszinierende Vielfalt kulturell und religiös geprägter kollektiver Lebensweisen und inspiriert zur aufrichtigen Identitätsfindung. Zahlreiche energetisch aufgeladene Chorszenen verleihen dieser Botschaft leidenschaftlich Ausdruck.

Who's Gonna Love Me Now

20.15 Uhr, Cubix 7


Girl Talk
Girl Talk

USA 2015

Director:Wu Tsang
Cast: Fred Moten

Girl Talk zeigt den Dichter und kritischen Theoretiker Fred Morten beim Zeitlupentanz in „dragged time“ zu einer Accappella-Version des Jazz Standards „Girl Talk“. Das Lied von Betty Carter wird hier in einer Neuinterpretation des Musikers Josiah Wise vorgetragen. Moten dreht sich euphorisch in einem sonnendurchfluteten Garten, sein juwelenbesetzes Samtgewandt reflektiert das Licht in pinken, blauen und grünen Strahlen. Moten und Tsang, Dichter und Künstler, untersuchen die Figur der Drag Queen und sind selbst an keine Persona gebunden.

Girl Talk

10.02-22.0 2. / täglich 19:00 – 21:00 Akademie der Künste als Installation