20.000 especies de abejas (20,000 Species of Bees)
Regie: Estibaliz Urresola Solaguren
Spanien, 2023, 125 Min.
TEDDY nominated
22.02. / 15:30 Berlinale Palast
23.02. / 12:30 Zoo Palast 1
23.02. / 18:30 Verti Music Hall
25.02. / 12:30 Zoo Palast 1
26.02. / 20:30 Berlinale Palast
Ein achtjähriges Kind leidet darunter, dass die Leute es hartnäckig bei seinem Geburtsnamen Aitor nennen, der bei ihm Unbehagen auslöst. Sein Spitzname Cocó fühlt sich nicht ganz so eindeutig verkehrt, aber auch nicht richtig an. Im Sommerurlaub im Baskenland vertraut das Kind seinen Kummer Verwandten und Freund*innen an. Doch wie geht eine Mutter, die sie selbst noch mit ambivalenten elterlichen Altlasten ringt, mit der Identitätssuche ihres Kindes um? Das Spielfilmdebüt der baskischen Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren ist ein sonniges, wunderbar einfühlsames Werk, getragen von Sofia Otero, die als kleines Mädchen auf der Suche nach dem richtigen Namen das erste Mal vor der Kamera steht, und Patricia López Arnaiz als problemgeplagter, liebevoller Mutter. So wie die Vielfalt der Natur viele Bienen erfordert, sind für die Protagonistin die Nebenfiguren essenziell. Das weitgehend weibliche Umfeld lebt ihr unterschiedliche Möglichkeiten des Frauseins vor. Urresola nimmt mehr als eine Sichtweise ein, und respektiert, dass Geschlechteridentität etwas unerhört Komplexes ist. Und sie thematisiert einen vielleicht weniger augenfälligen Aspekt der Gender-Transition: die eigene Mentalität.
After
Regie: Anthony Lapia
Frankreich, 2023, 69 Min.
18.02. / 22:00 Zoo Palast 2
19.02. / 16:00 Cubix 5
21.02. / 21:30 Cubix 2
23.02. / 21:30 Cineplex Titania
25.02. / 22:00 Cubix 7
Es ist Nacht in Paris. Der treibende Bass einer Musikanlage dröhnt durch eine Tiefgarage. Auf der Tanzfläche eines Clubs lassen sich die Feiernden vom Techno treiben, umhüllt von Rauch und Licht, kommuniziert wird nur mit dem Körper. Als Félicie von ihrer Ex-Freundin angetanzt wird, wendet sie sich ab. Im Raum nebenan ist die Musik leiser. Man kommt ins Gespräch, nimmt Drogen oder macht eine Pause, bevor wieder hemmungslos weitergetanzt wird. Hier trifft Félicie auf Saïd, der gerade von seiner Schicht als Fahrer kommt und von den Gelbwestenprotesten erzählt. Félicie schlägt ihm vor, bei ihr weiterzufeiern, während die anderen Partygänger*innen sich weiter in der Nacht verlieren. In schwebenden, klarsichtigen Nahaufnahmen und inmitten einer sich stetig weiter entwickelnden Klangwelt erfasst Regisseur Anthony Lapia Anatomie und Energie einer Party genauso wie den Übergang in die langsam ruhiger werdende Welt der Afterparty. Zwischen Nacht und Tag treffen verschiedene Lebensrealitäten und Ansichten aufeinander, bevor der Alltag mehr oder weniger behutsam, aber unerbittlich zurückkehrt.
All the Colours of the World Are Between Black and White
Regie: Babatunde Apalowo
Nigeria, 2023, 92 Min.
TEDDY nominated
17.02. / 19:00 Zoo Palast 2
18.02. / 19:00 Cubix 5
19.02. / 13:00 Cubix 5
20.02. / 21:45 Zoo Palast 3
20.02. / 21:45 Zoo Palast 4
20.02. / 21:45 Zoo Palast 5
25.02. / 21:45 Cubix 8
Bambino hat sich in seinem Singleleben eingerichtet. Als Lieferfahrer in Lagos hat er ein geregeltes Einkommen, auch wenn die versprochene Beförderung auf sich warten lässt. Von der Nachbarschaft wird er geschätzt; er hilft finanziell aus, wo er kann, und ist großzügig bei verspäteten Rückzahlungen. Die Avancen der Nachbarin Ifeyinwa lassen ihn kalt, doch als er dem charismatischen Bawa begegnet, haben die beiden gleich einen Draht zueinander. Für einen Fotowettbewerb fahren sie auf langen Erkundungen immer öfter tagelang durch die Stadt. Schnell wird klar, dass Bawa durch seine Fotolinse in Bambino nicht nur ein gutes Modell sieht, sondern auch mehr als einen Freund. Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Babatunde Apalowo nimmt den Titel seines Films beim Wort: Durch eine unaufdringliche Farbdramaturgie erzählt er zurückgenommen und zärtlich von der Annäherung zweier Männer in einer Gesellschaft, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen tabuisiert und strafrechtlich verfolgt. In konzentrierten Bildern und mit großer Ruhe entfaltet sich langsam ihr Tanz umeinander. Ein sinnlicher und politisch wichtiger Film aus Nigeria über eine unerwartete Liebe.
Almamula
Regie: Juan Sebastian Torales
Frankreich, Argentinien, Italien, 2023, 94 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 17:00 Urania
19.02. / 18:45 Cubix 8
20.02. / 18:30 Filmtheater am Friedrichshain
21.02. / 15:30 Cineplex Titania
24.02. / 13:00 Urania
„Das ist nicht der erste Junge, der im Wald vermisst wird. Der Junge, der bei ihm war, sagt, ein Monster habe ihn geholt.“ Santiago del Estero, Nordargentinien. Nino ist für andere Jungs angeblich ein schlechter Einfluss. Auf der Straße ist er homophoben Angriffen ausgesetzt. Vorübergehend ziehen seine Eltern mit ihm aufs Land. Dort wandert er durch einen Wald, wo angeblich das Monster Almamula diejenigen holt, die fleischliche Sünden und unreine Handlungen begehen. Es ist Sommer: Die Körper schwitzen, die Grenze zwischen Traum und Realität verwischt. Ein Junge verschwindet. In einer Welt voller Geflüster, unausgesprochener Wünsche und Gebete erwachen Ninos Neugier und Begehren. Auf der Flucht vor einer Welt voller Hass, Unterdrückung, Verboten und drohender Gewalt werden die verborgenen und sinnlichen Rätsel des Waldes für Nino zunehmend interessant.
Arturo a los 30 (About Thirty)
Regie: Martín Shanly
Argentinien, 2023, 92 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 16:00 Cubix 7
20.02. / 21:30 Kino Arsenal 1
23.02. / 10:30 Zoo Palast 5
25.02. / 21:00 Delphi Filmpalast
Buenos Aires im März 2020, an einem der letzten Tage vor Ausbruch der Pandemie. Eine Hochzeit wird gefeiert, ein Auto überschlägt sich. Joints, Küsse, ein Blowjob und die Erinnerung an einen Verlust werden geteilt. Im Mittelpunkt dieser Komödie der Irrungen steht der vom Regisseur Martín Shanly gespielte Arturo, ein Mann von 30 Jahren. Sein Hang zum Missgeschick ist so groß wie seine Orientierungslosigkeit, bei den anderen Figuren ist es ähnlich. Die Häufung von Fehltritten und Fettnäpfchen verhält sich umgekehrt proportional zur Geschmeidigkeit, mit der der Film vom Tag der Trauung zurück in die 2010er-Jahre gleitet. Episoden aus Arturos Leben, etwa eine Busreise nach Patagonien mit seinem trans Mitbewohner oder die Generalprobe eines Theaterstücks, das zum Fremdschämen einlädt, kommen zur Geltung, die erzählte Zeit verdichtet sich, dann dehnt sie sich wieder, ein Voiceover gibt Halt im turbulenten Gang der Dinge. Wenn der Schlager „Azúcar amargo“ (Bitterer Zucker) ertönt, dann füllt sich die Tanzfläche, und der Hinweis auf das bittersüße Wesendes Films ist so deutlich zu vernehmen wie zuvor der Husten, vor den sich hier noch keine Ellenbeuge schiebt.
La Bête dans la jungle (The Beast in the Jungle)
Regie: Patric Chiha
Frankreich, Belgien, Österreich, 2023, 103 Min.
17.02. / 18:30 Zoo Palast 1
18.02. / 12:00 Haus der Berliner Festspiele
19.02. / 10:00 Cubix 7
20.02. / 19:00 Cubix 2
25.02. / 15:30 Cubix 9
Es beginnt Ende der 1970er-Jahre mit schillernden Nächten im Club als Ort der endlosen (Un)möglichkeiten und zeitlosem Uhrwerk einer Stadt. Hier warten John und May auf den außergewöhnlichen, alles verändernden Moment. Um sie herum ist alles laut und in Bewegung, während sie in Ruhe ausharren. Es vergehen 25 Jahre, auf dem Röhrenfernseher verfolgen sie das Weltgeschehen: Mitterrands Amtszeit, Aidskrise, Mauerfall und 9/11. Johns obsessives Ausschau-Halten nach dem einen, großen Ereignis wird zum Ungeheuer, May zur leidtragenden Komplizin. Von 1979 bis 2004: von Disco zu Techno. Mode, Bewegungen und Drogen im Wandel. Antanzen gegen die Zeit, die immer schneller vergeht. Verloren unter Menschen, gemeinsam allein, beobachten die beiden die Welt vom Rand aus. Wenn es nur Liebe wäre. Patric Chiha versetzt das Paar aus Henry James’ Kurzgeschichte „The Beast in the Jungle“ in den Club und kontrastiert sein schicksalhaftes Warten mit dem ultimativen Im-Moment-Sein und dem hedonistischen Begehren der Tänzer*innen, in immerwährenden Choreografien die Zeit aufzulösen.
Bis ans Ende der Nacht (Till the End of the Night)
Regie: Christoph Hochhäusler
Deutschland, 2023, 120 Min.
TEDDY nominated
24.02. / 18:45 Berlinale Palast
25.02. / 12:45 Verti Music Hall
25.02. / 15:00 Haus der Berliner Festspiele
26.02. / 22:00 Verti Music Hall
Robert trägt Lederjacke und die Haare etwas länger. Ein Cop, wie er nicht im Buche steht – zumindest nicht im deutschen Kino-Drehbuch. Als verdeckter Ermittler soll er über die fingierte Beziehung mit Leni (die im Gegenzug auf Bewährung aus der Haft entlassen wird) das Vertrauen eines Kriminellen gewinnen. Die Kontaktaufnahme gelingt beim Tanzkurs: Robert und Leni – er schwul, sie trans; ein großes Paar – haben Victor an der Angel. Oder doch er sie? Und sind bei der angeblich nur vorgetäuschten Liebe am Ende nicht sehr viel mehr Gefühle im Spiel? Wir wären nicht in einem Film von Christoph Hochhäusler, gäbe es einfache Antworten oder gar schlichte Wahrheiten. Der gewiefte Plot ist pures Oszillieren; so entsteht ein ebenso geistreiches wie berührendes Vexierbild des Emo-Intellekts. Der Film ist ein (nicht ganz drogenfreier) Trip entlang der für den Regisseur zum Markenzeichen gewordenen Möbiusschleife aus Genre- und Autorenkino. Hinzu kommen einer der schönsten Nostalgie-Soundtracks des Jahres, eine abgerockt-romantische Atmosphäre mit Fassbinder-Charme und schließlich ein Ensemble, das den Täuschungsmanövern des Marionettenspielers Hochhäusler Leben einhaucht, Todessehnsucht inklusive.
El castillo (The Castle)
Regie: Martín Benchimol
Argentinien, Frankreich, 2023, 78 Min.
19.02. / 16:00 Zoo Palast 2
20.02. / 13:00 International
21.02. / 10:00 Cubix 9
22.02. / 21:45 Zoo Palast 3
22.02. / 21:45 Zoo Palast 4
22.02. / 21:45 Zoo Palast 5
23.02. / 18:00 IL KINO
26.02. / 22:00 Cubix 7
Justina und ihre Tochter Alexia versuchen das riesige Haus, das die ehemalige Haushälterin von ihrer Chefin geerbt hat, zu erhalten. Aber die beiden indigenen Frauen haben keinerlei Rücklagen, um die Ausgaben für das verfallende Anwesen zu finanzieren. Der Onlinehandel mit den Einrichtungsgegenständen und der Verkauf der Rinder sind nicht mehr als Tropfen auf den heißen Stein. Zudem kommt die Familie der ehemaligen Besitzerin regelmäßig zu Besuch, die Justina und Alexia weiterhin wie Bedienstete behandelt. Alexia akzeptiert diese Rolle nicht mehr, sie will als Automechanikerin zurück in die Stadt und von dort als Rennfahrerin die Welt erobern. In einer Mischung aus dokumentarischen und mit Horror-Elementen inszenierten Szenen wird das Haus zum verwunschenen Schloss, das seine Bewohnerinnen nicht loslässt. Der spärliche Mobilfunkempfang wird zur Metapher für die Marginalisierung der beiden und ihren täglichen Kampf mit bzw. gegen die Lebensumstände. Die unüberwindbaren Klassengrenzen in Argentinien halten Justina in ihrer sozialen Schicht gefangen, auch nachdem sie Haus- und Landbesitzerin geworden ist. Ein märchenhaft düsterer Film.
Desperté con un sueño (I Woke Up With a Dream)
Regie: Pablo Solarz
Uruguay, Argentinien, 2022, 75 Min.
18.02. / 11:00 Urania
19.02. / 09:30 Filmtheater am Friedrichshain
20.02. / 10:00 Cineplex Titania
24.02. / 15:45 Cubix 8
„Wir werden erwachsen, machen Fehler, lernen daraus, wir leiden, wir lachen herzlich, wir werden älter, wir werden krank, wir sterben. Und während all dem, lieber Felipe Zavala, müssen wir leben.“ Felipe hat einen Traum: Er steht als Schauspieler auf der Bühne, während seine Mutter, seine Oma und sein verstorbener Vater im Publikum sitzen und ihm begeistert zuschauen. Nach dem Aufwachen holt ihn die Realität wieder ein. Mit seinen Freund*innen spielt er leidenschaftlich gern Theater, nachts schreibt er seine eigenen Stücke, aber er verheimlicht seiner Mutter, dass er Schauspielunterricht nimmt. In deren Wirklichkeit ist für solche Träume kein Platz, und auf das Theater ist sie ohnehin schlecht zu sprechen. Als Felipe zu einem Casting eingeladen wird und dort etwas über die Geheimnisse innerhalb seiner Familie erfährt, verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Realität, Wahrheit und Lüge, Inszenierung und Leben zunehmend.
Drifter
Regie: Hannes Hirsch
Deutschland, 2023, 79 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 18:30 Cubix 9
19.02. / 19:00 Cubix 5
23.02. / 22:00 Zoo Palast 2
Moritz kommt ziemlich planlos nach Berlin. Vielleicht will er Kunstgeschichte studieren, aber eilig hat er es nicht, er ist erst 22. Der Grundfür den Umzug ist sein Freund Jonas. Fotograf, hübsch und mit den Gepflogenheiten und Unverbindlichkeiten schon etwas vertrauter. Das Ende der Beziehung kommt plötzlich. Moritz ist zerstört, allein, auf der Suche. Sein erster Gang führt ins Fitnessstudio. Nach und nach ändern sich die Mode, die Freund*innen und Drogen. Sein Leben verlagert sich immer mehr in die Nacht, er beginnt, bisher unterdrückte Sehnsüchte auszuleben. Hannes Hirschs Langfilmdebüt leuchtet auf sensible und dokumentarisch anmutende Weise einen Neuanfang in der Berliner Schwulenszene aus. Körper- und Männlichkeitsbilder werden immer wieder verhandelt, sexuelle Konstellationen und Identitäten ändern sich und Unsicherheiten werden mit dem Rausch der nächsten Begegnung sediert. Moritz’ Verletzlichkeit bleibt dabei immer erkennbar. So blickt Drifter hinter den verführerischen Oberflächen einer grenzenlosen Nachtkultur und ihrem kurzlebigen Spiel sehr genau auf die Menschen, statt das Klischee zu feiern.
O estranho (The Intrusion)
Regie: Flora Dias, Juruna Mallon
Brasilien, Frankreich, 2023, 105 Min.
TEDDY nominated
20.02. / 18:00 Delphi Filmpalast
22.02. / 11:00 Kino Arsenal 1
24.02. / 14:00 Werkstattkino@silent green
26.02. / 19:00 Cubix 7
O estranho, der Fremde, ist ein Ort: der Flughafen Guarulhos bei São Paulo. Von dort geht die Reise weniger durch die Welt als durch die Zeit. Auf indigenem Gebiet gebaut, hat der Flughafen die Landschaft komplett verändert. Manche Menschen sind gegangen, andere geblieben, sie arbeiten jetzt im Duty Free oder im Gepäck-Handling. Die Vergangenheit taucht in verschiedenen Formen wieder auf und fordert die Protagonist*innen heraus. Zum Beispiel Ale. Genau da, wo sie einst mit ihrer Schwester gespielt hat, im Flussbett, arbeitet sie heute den ganzen Tag. So wie der Beton die Vegetation bedeckt, die wiederum die Gräber bedeckte, so stapeln sich die Erzählungen. Sie nähren die Gedanken über das, was bleibt. Der Film, der sich zwischen Fiktion und Realität bewegt, betreibt eine minimale Form der Archäologie, in seinem Rhythmus enthüllt er die Bilder eines lebendigen Ortes. O estranho ist das zweite gemeinsame Projekt von Flora Dias und Juruna Mallon und zeigt ihr Interesse an Landschaften, Menschen und deren Zusammenspiel. Und daran, die Erinnerung aufrechtzuerhalten.
Femme
Regie: Sam H. Freeman, Ng Choon Ping
Vereinigtes Königreich, 2023, 99 Min.
TEDDY nominated
19.02. / 21:30 Zoo Palast 1
20.02. / 12:30 Cubix 9
21.02. / 21:30 Cineplex Titania
23.02. / 13:00 International
25.02. / 21:30 Zoo Palast 1
Jules gehört mit seinen Auftritten als Aphrodite Banks zu den gefeierten Drag-Performern Londons. Nach einer Show will er nur kurz Zigaretten holen und wird von einem Typen, der mit seiner Boys-Gang unterwegs ist, brutal zusammengeschlagen. Körperlich kann er sich zwar wieder erholen, zieht sich aber traumatisiert aus der Öffentlichkeit zurück. Monate später erkennt Jules in einer Schwulensauna per Zufall seinen Angreifer wieder. Ohne Make-up und nur mit einem Handtuch bekleidet kann er ihm unerkannt nahekommen und die Identität des Schlägers herausfinden. Er beginnt eine Affäre mit dem versteckt homosexuellen Preston, um sich an ihm zu rächen.Mit großer Direktheit, dicht inszenierten Szenen und getragen von der physisch und psychologisch subtilen Performance seiner Darsteller erzählt das Regieduo Sam H. Freeman und Ng Choon Ping von einem London der krassen genderideologischen Gegensätze. Ihr Revenge-Thriller ist packend und mehr als das: eine Milieustudie, die Sozialdeterminismus vermeidet, ein eindringliches Psychogramm internalisierter Homonegativität und ein so gewaltiger wie mutiger LGBTIQ*-Tritt gegen eine im Kern totalitäre, schwulen-und transfeindliche Gesellschaft.
Green Night
Regie: Shuai Han
Hong Kong, China, 2023, 92 Min.
TEDDY nominated
20.02. / 12:30 Cubix 9
21.02. / 21:30 Cineplex Titania
23.02. / 13:00 International
25.02. / 21:30 Zoo Palast 1
Sie begegnen sich am Flughafen in Seoul und könnten unterschiedlicher nicht sein: Die chinesische Immigrantin Jin Xia arbeitet an der Sicherheitskontrolle, kleidet sich praktisch, tut ihre Pflicht. Die grünhaarige Frau, die an diesem Tag dort auftaucht, ist jünger, extrovertierter und lässt sich vom Abtasten nicht beeindrucken. Jin Xia ist fasziniert. Als die Frau sie schon kurz darauf in ihre krummen Geschäfte verwickelt, wird klar, dass die beiden mehr gemeinsam haben, als man ihnen ansieht. Auf der Jagd nach dem großen Coup, der sie von allen Abhängigkeiten befreien könnte, begeben sie sich in Südkoreas Unterwelt und behaupten sich dort gegen Männer, die sie dominieren, besitzen und benutzen wollen. In ihrem zweiten Langfilm lässt Han Shuai zwei Einzelkämpferinnen aufeinandertreffen, die das Leben gelehrt hat, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Während sie ihren widerwilligen Kennenlerntanz tanzen, sich mal anziehen und mal abstoßen, mal näherkommen und wieder voneinander abwenden, rückt ihr Plan in den Hintergrund. Der verbindende Kokon, der sich um die beiden spinnt, wenn sie nachts auf dem Moped durch die Stadt rasen, scheint fragil, aber alternativlos.
Hello Dankness
Regie: Soda Jerk
Australien, 2022, 70 Min.
22.02. / 16:00 International
23.02. / 22:00 Cubix 7
24.02. / 13:00 Cubix 5
25.02. / 12:30 Cubix 9
26.02. / 21:45 Zoo Palast 3
26.02. / 21:45 Zoo Palast 4
26.02. / 21:45 Zoo Palast 5
Das Phänomen, dass der Kontext, in dem Bilder gesehen werden, stets auch deren Wahrnehmung und Wirkung bestimmt, demonstriert eindrucksvoll das Künstler*innen-Duo Soda Jerk in seinem neuesten Werk Hello Dankness. Indem sie Szenen aus unterschiedlichsten Filmen in neue Zusammenhänge montieren, teilweise manipulieren und mit neuen Tonspuren verbinden, erschaffen Soda Jerk ein unerwartetes Narrativ über die tiefen Veränderungen in der US-amerikanischen Gesellschaft seit Trumps Präsidentschaft. Medienbilder aus den letzten Jahren, von den US-Wahlen 2016, der Pandemie oder der MeToo-Debatte werden gekonnt in Szenen aus Filmen wie American Beauty oder Wayne’s World montiert. Durch die spielerische Kombination mit Anleihen bei der Popkultur entwickelt der Film immer neue, aberwitzige Wendungen. Ausschließlich aus Found Footage haben Soda Jerk ein erfrischend anarchistisches und vielschichtiges Werk erschaffen, das Themen wie Fake News, Deepfake und Verschwörungserzählungen ebenso behandelt wie die Politik der Bilder: wie diese sich verbreiten, wem sie dienen bzw. schaden und wie sie permanent umgedeutet werden können.
Între revoluții
Regie: Vlad Petri
Rumänien, Kroatien, Katar, Iran, 2023, 67 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 16:00 Zoo Palast 2
20.02. / 11:00 Kino Arsenal 1
23.02. / 19:00 Cubix 7
25.02. / 17:00 Delphi Filmpalast
In den 1970er-Jahren studiert die Iranerin Zahra Medizin an der Universität Bukarest. Dort lernt sie ihre Kommilitonin Maria kennen. Beide schließen eine tiefe Freundschaft voll gegenseitiger Bewunderung. Als 1979 die iranische Revolution den Schah stürzt, geht Zahra zurück in ihr Land, auf politischen Wandel hoffend. Enttäuschungen lassen nicht lange auf sich warten. Trotzdem kommt sie niewieder nach Rumänien. Aber sie und Maria schreiben sich jahrzehntelang Briefe. Darin berichten sie von Protesten und allgemeinen Unruhen in beiden Ländern, von der Unterdrückung der Frau und wie diese sie betrifft. Auch Rumänien erlebt seine Umwälzung. Die Korrespondenz zeigt zwei Frauen, durch zwei Revolutionen getrennt, die damit ringen, gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Nach und nach spürt man, dass sie mehr verbindet als nur Freundschaft. In seinem Film verwendet Vlad Petri ausschließlich atemberaubendes, gekonnt montiertes Archivmaterial aus dem Iran und Rumänien. Er erzählt die Geschichte der beiden Frauen aufeine Weise, dass die Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktion verblasst. So eine Verbindung in so harten Zeiten: zu schön, um wahr zu sein?
Kill Boksoon
Regie: Byun Sung-hyun
Südkorea, 2023, 137 Min.
18.02. / 21:00 Verti Music Hall
19.02. / 09:30 Cubix 9
22.02. / 21:30 Verti Music Hall
Gil Boksoon führt ein Doppelleben als alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter und sagenumwobene Profikillerin bei der Edel-Mordagentur MK Ent. Menschen umzulegen gelingt ihr möglicherweise besser, als sie großzuziehen. Doch aus Mutterinstinkt oder weil die Mordbereitschaft selbst bei der abgebrühten Boksoon Grenzen hat, lehnt sie eines Tages einen Auftrag ab und wird so selbst zur Zielperson. In Kill Boksoon führt uns Regisseur Byun Sung-hyun in eine absonderliche, erschreckende Welt, in der eine Mordagentur einer kleinen Elite Erfolg und Reichtum verspricht und bei der Talentsuche nach vielversprechenden Psychopath*innen und Waisen Ausschau hält, die nichts zu verlieren haben. Während Boksoons Tochter im pubertären Gefühlschaos versinkt, fällt die emotionale Temperatur der Älteren in den Minusbereich. Die Hauptvertreter*innen der eiskalten Mörderriege werden brillant gespielt von Jeon Do-yeon und Sul Kyung-gu, die sich von einer komplett anderen Seite zeigen als bei ihren melodramatischen Kult-Auftritten in den Filmen von Lee Chang-dong. Mit fast übernatürlichen Kampfkünsten liefern sie spektakuläre Szenen ab, die einen regelrecht umhauen.
Knochen und Namen (Bones and Names)
Regie: Fabian Stumm
Deutschland, 2023, 104 Min.
TEDDY nominated
19.02. / 19:00 International
21.02. / 10:00 Cubix 6
22.02. / 16:30 Zoo Palast 3
22.02. / 16:30 Zoo Palast 4
22.02. / 16:30 Zoo Palast 5
23.02. / 21:30 Filmtheater am Friedrichshain
„Frag mich doch nicht, wie ich etwas finde, wenn du es gar nicht hören willst!“ „Ich will es doch hören, es stimmt halt nur manchmal nicht.“ Der Schauspieler Boris und der Schriftsteller Jonathan sind ein Paar. Doch ihre Beziehung ist an einem Punkt angekommen, an dem sie die gemeinsamen Abende auch getrennt verbringen könnten: Der eine liegt im Bett und liest Drehbücher, der andere arbeitet im Nebenraum am Schreibtisch. Während Boris sich immer tiefer in die Proben zu einem neuen Film mit einer ambitionierten Regisseurin wühlt und dabei reale und fiktive Charaktere zu vermischen beginnt, versucht Jonathan, seine Stimme als Schriftsteller neu zudefinieren. Durch diese Tage des Ringens um Distanz, Nähe, Vertrauen, Verlangen und Verlustangst geistert, wie Puck bei Shakespeare, Boris’ kleine Nichte Josie und testet ihre Grenzen aus. Der Schauspieler Fabian Stumm legt mit Knochen und Namen sein Regie- und Drehbuch-Langfilmdebüt vor. Mit humor- und liebevollen Sequenzen in abgegrenzten, symptomatischen Settings (Schlafzimmer, Supermarkt, Übungsraum) komponiert er eine kluge und unterhaltsame Reflexion über Beziehungen.
Langer Langer Kuss (Long Long Kiss)
Regie: Lukas Röder
Deutschland, 2023, 40 Min.
21.02. / 19:00 International
22.02. / 21:30 Filmtheater am Friedrichshain
23.02. / 16:30 Zoo Palast 3
23.02. / 16:30 Zoo Palast 4
23.02. / 16:30 Zoo Palast 5
24.02. / 10:00 Cubix 6
26.02. / 16:30 Zoo Palast 3
26.02. / 16:30 Zoo Palast 4
26.02. / 16:30 Zoo Palast 5
Aaron will seinen Ex-Freund Paul nicht vergessen. Er glaubt, die Erinnerung an die ausgetauschten Zärtlichkeiten und Küsse nur bewahren zu können, indem er sich nicht mehr die Zähne putzt. Denn auf den Zähnen seien all die Gefühle, Berührungen und Intimitäten gespeichert. Seine jüngere Schwester und Mitbewohnerin Lina versucht behutsam, ihren Bruder zur Mundhygiene zu überreden, dringt aber nicht mehr zu ihm durch. Als Aarons und Linas autoritärer Vater zu Besuch kommt, eskaliert die Situation und Aarons Verhalten wird gefährlich selbstzerstörerisch. Der HFF-München-Student Lukas Röder thematisiert in seinem berührenden Kammerspiel mentale Gesundheit. In der intensiven, emotionalen Darstellung der Schauspieler*innen sowie durch eine zweite Ebene, auf der die Beteiligten ihre Rollen reflektieren, werden Verhaltensweisen und Hilfsmöglichkeiten untersucht.
Mammalia
Regie: Sebastian Mihăilescu
Rumänien, Polen, Deutschland, 2023, 88 Min.
18.02. / 21:00 Delphi Filmpalast
19.02. / 10:30 Zoo Palast 5
23.02. / 16:00 Cubix 7
26.02. / 16:00 Delphi Filmpalast
Eine der vielen Stärken von Sebastian Mihilescus verblüffendem Debüt ist, dass man nie weiß, wo es einen hinführt. Der Film ist in jeder Szene unvorhersehbar, überraschend. So ergeht es auch Camil, einem problembeladenen jungen Mann. Er fühlt sich herabgesetzt und unsicher gegenüber Frauen, vor allem gegenüber seiner Partnerin, die sich einer geheimen Gemeinschaft von Frauen anschließt, die in der Nähe eines Sees unheimliche Fruchtbarkeitsrituale durchführt. Doch der Film sperrt sich gegen eine Zusammenfassung. In der Tradition des Surrealismus arbeitet Mihilescu mit freien Assoziationen, etwa wenn der Schatten von Camils Glatze auf dem nackten Körper seiner Partnerin einem riesigen Penis gleicht. Ein Traum oder Wunschdenken? Männlichkeit und Geschlechterrollen stehen in Mammalia immer auf dem Spiel und sind immer in der Krise. Der von Barbu Bloiu auf plastischem 16 mm gedrehte Film bevorzugt feste Einstellungen mit Bewegungen innerhalb des Bildes, die Nutzung des Raums ist dabei immer sehr ausdrucksstark. Mammalias schräger Humor erinnert an Roy Andersson. Aber Rumänien hat in dieser Hinsicht seine eigene Tradition, die von Eugène Ionesco und dem Theater des Absurden.
Maynila: Sa mga kuko ng liwanag (Manila in the Claws of Light)
Regie: Lino Brocka
Philippinen, 1975, 124 Min.
18.02. / 16:00 Cubix 3
26.02. / 19:00 Cubix 6
Auf der Suche nach seiner Freundin ist der Fischer Julio vom Palmenstrand in die Millionenstadt Manila gekommen. Hier soll Ligaya eine Arbeitsstelle erhalten haben. Er selbst muss sich als Handlanger auf einem Neubau ausbeuten lassen. Da läuft ihm eines Tages die Frau über den Weg, die Ligaya nach Manila gelockt hat. Sie führt ihn zum Haus eines Chinesen, in dessen Fenster er seine Freundin zuerkennen meint. Als er mit der Arbeit auch seine Unterkunft verliert, nimmt ihn ein Stricher bei sich auf, der Julio in die Prostitution einweist. Alles deutet darauf hin, dass auch Ligaya der Prostitution nachgeht, allerdings nicht freiwillig … Stellvertretend für die urbanen Unterschichten schildert das Sozialmelodram den Leidensweg zweier Jugendlicher unter der Marcos-Diktatur, wobei das reale Setting symbolisch überhöht wird. Der sozialen Unterdrückung und staatlichen Korruption stehen in Manila Gesten der Solidarität unter den Ärmsten der Armen entgegen. Doch weder in kirchlichem Trost noch durch die marxistische Revolution werden die beiden Liebenden, die sich schließlich in einem Kino vor der Passion Christi in Nicholas Rays König der Könige (1961) umarmen, Erlösung finden.
Manodrome
Regie: John Trengove
Vereinigtes Königreich, USA, 2023, 95 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 19:15 Berlinale Palast
19.02. / 12:15 Verti Music Hall
20.02. / 10:00 Haus der Berliner Festspiele
21.02. / 15:45 Verti Music Hall
26.02. / 18:00 Berlinale Palast
Ralphie ist jung und gesund; seine Freundin ist schwanger. Doch er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Sein Job als Uber-Fahrer ist weder erfüllend noch bietet er finanzielle Sicherheit. Auch über sein Verhältnis zum eigenen Körper ist er sich nicht vollkommen im Klaren. Als er in einen libertären Männlichkeitskult eingeweiht wird, drängen aufgestaute innere Konflikte an die Oberfläche, und Ralphie verliert allmählich den Bezug zur Realität. In The Wound zeigte der südafrikanische Filmemacher John Trengove, wie durch ein Mannbarkeitsritual unterdrückte Gefühle freigesetzt werden und welche Gefahr davon ausgehen kann. Ähnliche Kräfte sind beim Protagonisten von Manodrome am Werk, wobei Trengove ein beunruhigendes Phänomen aus ungewöhnlichem Blickwinkel betrachtet. Denn Ralphie entspricht gerade nicht dem Stereotyp vom glühenden Frauenhasser, wie ihn die berüchtigten Incels verkörpern. Seine Figur schärft unseren Sinn dafür, was männliche Zerbrechlichkeit bedeuten kann. Trotz finsterer Implikationen zeigt der Film durchaus Humor. Der virtuose Spannungsaufbau und die darstellerische Glanzleistung von Jesse Eisenberg und Adrien Brody sind geradezu erschütternd.
Motståndaren (Opponent)
Regie: Milad Alami
Schweden, 2023, 119 Min.
TEDDY nominated
18.02. / 19:00 Haus der Berliner Festspiele
19.02. / 18:30 Cineplex Titania
20.02. / 10:00 Cubix 5
24.02. / 16:00 International
25.02. / 10:00 Haus der Berliner Festspiele
Iman lebt mit seiner Frau Maryam und seinen beiden Töchtern in Schweden in ständig wechselnden Flüchtlingsheimen. Aus Angst vor Verfolgung aus seiner ehemaligen Heimat, Iran, geflohen, sucht er nach Wegen, um ihren Aufenthalt zu sichern. Mit einem Schneemobil liefert er Pizzen aus und verdient so etwas Geld dazu. Als Maryam überraschend ein drittes Kind erwartet und die Gespräche mit den Behörden schwieriger werden, nimmt Iman seine Karriere als Wrestler wieder auf. Er hat Maryam zwar versprochen, das Ganze hinter sich zu lassen, hofft aber auf eine Sonderaufenthaltsgenehmigung als Sportler. Seine Fähigkeiten sind schnell wieder da und werden im schwedischen Team geschätzt. Sein Leben abseits der Familie bleibt nicht ohne Folgen, die Kommunikation mit seiner Frau bricht ein, die keinen Grund mehr sieht, in Schweden zu bleiben, und er wird mit den tiefer liegenden Gründen für seine Flucht konfrontiert. Der zweite Spielfilm des Regisseurs Milad Alami zeichnet eine sowohl emotionale als auch körperliche Auseinandersetzung mit dem Unausgesprochenen. Ein präzise eingefangenes Drama mit einer einnehmenden Besetzung, angeführt von Payman Maadi, welches sichtbar macht, wie sich komplexe gesellschaftliche Dynamiken auf das Innere einer Person auswirken.
Mutt
Regie: Vuk Lungulov-Klotz
USA, 2023, 87 Min.
TEDDY nominated
20.02. / 20:00 Urania
21.02. / 15:30 Filmtheater am Friedrichshain
22.02. / 12:45 Cubix 8
23.02. / 15:30 Zoo Palast 1
26.02. / 20:00 Urania
„Für mich ist das kein Problem.“ – „Na ja, für mich schon.“ Nach seiner Transition schien es für Feña zunächst leichter, getrennte Wege zu gehen. Zu schmerzhaft war es, die Veränderung zu verarbeiten, untragbar die Reaktion der Familie. Als Feña einen Ex-Freund wiedertrifft, unverhofft Besuch von der kleinen Schwester bekommt und der chilenische Vater seine Nähe sucht, kreuzen sich ihre Leben wieder: Wichtig ist nicht nur, was sich verändert, sondern auch, was bleibt. Sensibel, intim und ehrlich erforscht Vuk Lungulov-Klotz in seinem Debüt die komplexe Herausforderung des Trans-Seins, Vergangenes und Gegenwärtiges miteinander in Einklang zu bringen. Innerhalb von 24 Stunden im New Yorker Sommer verdichten sich die kleinen, lauten Nuancen von Feñas Alltag zu einem Coming-of-Age im Dazwischen.
Le Paradis (The Lost Boys)
Regie: Zeno Graton
Belgien, Frankreich, 2023, 83 Min.
TEDDY nominated
19.02. / 20:00 Urania
20.02. / 12:45 Cubix 8
22.02. / 18:30 Filmtheater am Friedrichshain
24.02. / 15:30 Zoo Palast 1
„In der Mitte des Sees haben wir manchmal eingefrorene Fische gesehen, wie aufgereiht nebeneinander. Ich dachte, die verbringen den Winter dort und wachen im Frühling wieder auf. Ich dachte, sie kehren zurück ins Leben und atmen wie zuvor.“ In einer Jugendstrafanstalt bereitet sich Joe auf seine Rückkehr in die Gesellschaft vor, unsicher, welches Leben ihn jenseits des Stacheldrahts erwartet. Doch als Neuzugang William die Nachbarzelle bezieht, wird Joes Sehnsucht nach Freiheit durch ein anderes Begehren abgelöst. Einander mit wachsender Begierde und Verzweiflung umkreisend, begeben sich Joe und William auf eine Reise der emotionalen Emanzipation. Camera-obscura-Aufnahmen, Tuschezeichnungen, Tanz und Rap werden zu Ausdrucksmitteln. Der Debütfilm verfolgt die Irrungen und Wirrungen einer Leidenschaft zwischen zwei jungen Männern, die sich auf ein Leben auf dem Wartegleis eingestellt hatten. Eine kompromisslose Vision der Liebe: Hinter diesen Mauern steht Leidenschaft an erster Stelle, dann erst kommt die Freiheit.
Passages
Regie: Ira Sachs
Frankreich, 2023, 91 Min.
TEDDY nominated
20.02. / 21:30 Zoo Palast 1
21.02. / 12:30 Cubix 9
22.02. / 21:30 Cineplex Titania
23.02. / 21:45 Zoo Palast 3
23.02. / 21:45 Zoo Palast 4
23.02. / 21:45 Zoo Palast 5
26.02. / 12:45 Cubix 9
Dem deutschen Filmemacher Tomas ist am letzten Tag seines Drehs in Paris die Anspannung anzumerken. Mit pedantischer Härte erklärt er seinen Kompars*innen, wie sie ihre Hände zu halten oder mit welcher Motivation sie eine Treppe herunterzugehen haben, bis endlich die Schlussklappe fällt. Auf der Abschlussparty fällt Tomas erst in die Arme seines britischen Ehemannes Martin, dann lernt er die junge Grundschullehrerin Agathe kennen. Aus einem Tanz entwickelt sich ein Flirt, aus dem eine leidenschaftliche Nacht wird. Am nächsten Morgen erzählt Tomas Martin stolz, dass er mit einer Frau geschlafen hat. Als sich aus dem One-Night-Stand mehr entwickelt, beginnt sich die Männerbeziehung zu verändern. Es entspinnt sich eine Beziehungsgeschichte, die von Leidenschaft, Eifersucht und Narzissmus geprägt ist und in der es wenig Gespür für die Bedürfnisse der anderen gibt. Ira Sachs, bereits zum sechsten Mal zu Gast im Panorama, beweist in seinem neuesten Film einmal mehr sein Talent für genau beobachtete Beziehungsdramen. Der Wind des französischen Kinos und ein Hauch von Fassbinder umwehen die drei, deren persönliche Verletzungen die Machtverhältnisse untereinander immer wieder neu bestimmen.
Perpetrator
Regie: Jennifer Reeder
USA, 2023, 100 Min.
TEDDY nominated
17.02. / 21:30 Zoo Palast 1
18.02. / 12:30 Cubix 9
18.02. / 20:00 HAU Hebbel am Ufer (HAU1)
19.02. / 21:30 Cineplex Titania
23.02. / 22:00 Akademie der Künste
24.02. / 21:45 Cubix 8
Die taffe Jonny ist unerschrocken, geradeheraus, knackt Schlösser mit links und scheint ganz gut für sich sorgen zu können. Ihrem alleinerziehenden Vater steckt sie Geld für die Miete zu. Die Beziehung der beiden ist brüchig und doch seltsam symbiotisch. Der überforderte Vater entscheidet sich, Jonny zu einer entfernten Tante zu schicken. Doch auch in der Obhut der strengen Hildie kommt der Teenager nicht zur Ruhe. Zu ihrem 18. Geburtstag bekommt Jonny einen Kuchen, gebacken nach magischem Familienrezept, der eine radikale Metamorphose auslöst. An ihrer neuen Schule verbreiten die ständigen Amok-Notfall-Übungen eine angespannte Atmosphäre und bald werden dort fünf Mädchen vermisst. Von ihrem Verschwinden auf unerklärliche Weise angezogen begibt sich Jonny auf Spurensuche, und eine blutgetränkte Coming-of-Age-Geschichte nimmt ihren Lauf. Jennifer Reeder präsentiert in ihrem neuen Langfilm einen düsteren, queer-feministischen Genre-Mix aus Body Horror, Gore und Mystery. Wie schon in früheren Werken blickt sie dabei vor allem durch die Augen ihrer jungen Protagonistinnen, die der verdrehten Welt der Erwachsenen mit bissigem Humor und ungebrochenem Gerechtigkeitssinn Momente der Leichtigkeit und Solidarität abtrotzen.
A Rainha Diaba (The Devil Queen)
Regie: Antonio Carlos da Fontoura
Brasilien, 1973, 99 Min.
17.02. / 22:00 Zoo Palast 2
19.02. / 10:00 Akademie der Künste
21.02. / 17:00 Werkstattkino@silent green
Vom Hinterzimmer eines Bordells aus beherrscht die schwule Schwarze „Teufelskönigin“ (ein bürgerlicher Name wird nie genannt) die Unterwelt von Rio de Janeiro. Unter grünem Lidschatten fällt ihr Blick unbarmherzig auf die Mitglieder ihres Drogenkartells. Mit demselben Klappmesser werden Beine rasiert und Verräter aufgeschlitzt. Doch ihr Terrorregime ist instabil, es regt sich Widerstand. Um die Königin zu ersetzen, führen bald alle gegeneinander Krieg, die im bürgerlichen Leben keine Chance haben: die Favela-Gangster gegen die Schwulen, die Dragqueens gegen die Sexarbeiterinnen. Fontouras grelle Pulp-Konstruktion steht für das populäre brasilianische Kino in der Zeit der Militärdiktatur, in dem Machtverhältnisse nihilistisch überzeichnet wurden. Wie in Karim Aïnouz’ Madame Satã (2002) dient auch hier João Francisco dos Santos, eine legendäre Gangsterfigur der 1930er-Jahre, als Vorbild, die hier als frühe Repräsentation von Queerness in die 1970er übersetzt wird. Milton Gonçalves spielt sie mit verschiedenen Stimmen, und das dichotomische Konzept von Männlichkeit, das zwischen Macho und Tunte keine Schattierungen zulässt, löst sich in Luft und Glitter auf.
Silver Haze
Regie: Sacha Polak
Niederlande, Großbritannien, 2023, 103 Min.
TEDDY nominated
19.02. / 16:00 International
20.02. / 22:00 Cubix 7
21.02. / 16:00 Cubix 5
22.02. / 18:00 fsk Kino
23.02. / 12:15 Haus der Berliner Festspiele
25.02. / 22:00 Zoo Palast 2
Als die 23-jährige Franky nach dem Sex von ihrem Freund die Worte „Ich liebe Dich“ hört, antwortet sie nur: „Meinetwegen, wir sehen uns später.“ Als Kind wurde sie durch ein Feuer schwer verletzt, was nicht nur an ihrem Körper Spuren hinterlassen hat. Seit 15 Jahren versucht sie, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Inzwischen arbeitet Franky als Krankenschwester in dem Krankenhaus, in dem damals ihr Leben gerettet wurde. Hier ist sie in jedem Zimmer willkommen, findet für jede*n Patient*in die richtigen Worte. Auch für die ungestüme Florence. Die beiden verlieben sich und Franky flieht mit ihr vor ihrer vereinnahmenden Familie aus dem Londoner Arbeiterviertel Dagenham. Bei Florence und ihrer Patchwork-Familie findet sie ein sicheres Zuhause. Doch die Vergangenheit lässt sie nicht zur Ruhe kommen, und bald zeigt die Beziehung zu Florence erste Risse. Silver Haze ist die zweite Zusammenarbeit von Regisseurin Sacha Polak und Laiendarstellerin Vicky Knight. Die Geschichte fügt sich aus Improvisationen und Rückgriffen auf wahre Begebenheiten aus Vicky Knights Leben zusammen. Die sinnliche Kamera fängt dazu unmittelbare, raue Bilder von sanfter Poesie ein.
Sisi & Ich (Sisi & I)
Regie: Frauke Finsterwalder
Deutschland, Schweiz, Österreich, 2023, 136 Min.
19.02. / 18:00 Zoo Palast 1
20.02. / 09:30 Verti Music Hall
21.02. / 18:00 Cubix 9
25.02. / 18:30 Zoo Palast 1
Irma Gräfin von Sztáray hat es nicht leicht. Kurz vor ihrer Bewerbung als Hofdame von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn schlägt ihr die strenge Mutter vor Aufregung die Nase blutig, dann wird sie bei Hof wie ein Stück Vieh aufs Podest gestellt und verhört. Auf Sisis Sommersitz auf Korfu muss Irma in sadistischen Übungen erst ihre Sportlichkeit unter Beweis stellen und wird mit Kokainextrakten auf Diät gesetzt, bevor sie endlich die launische und erratische Kaiserin persönlich kennenlernt. Zwischen Abführtees und Wassersuppen, Wanderungen und Schönheitsbehandlungen kommen die beiden unterschiedlichen Frauen sich schnell nah – natürlich nur so nah, wie Sisi erlaubt. Doch jeder Sommer hat ein Ende, und mit der Rückkehr nach Wien ändern sich die Leben von Sisi und Irma drastisch. Frauke Finsterwalder lässt in ihrer wilden Neuinterpretation des viel erzählten Sisi-Mythos die zwei schauspielerischen Naturgewalten Susanne Wolff und Sandra Hüller aufeinander los und erlaubt ihnen, sich gegenseitig an die Wand zu spielen. In umwerfenden Kostümen von Tanja Hausner und zum Soundtrack von Nico, Portishead und Le Tigre entführt der Film in eine von Frauen dominierte Welt, zu der neben den queeren Zofen nur der schwule Erzherzog Viktor Zugang hat.
Taifū kurabu (Typhoon Club)
Regie: Shinji Sōmai
Japan, 1985, 115 Min.
21.02. / 19:00 Cubix 3
22.02. / 13:00 Cubix 6
Fünf Tage, während derer ein Taifun aufzieht, wütet und abklingt, bilden den zeitlichen Rahmen für eine Schüler*innentragödie an einer Oberschule außerhalb von Tokio. Als der Klassenclown Akira dort eine nächtliche Party seiner Mitschülerinnen im schuleigenen Schwimmbad beobachtet, wird er von diesen als unliebsamer „Spanner“ so lange untergetaucht, dass er fast ertrinkt. Der herbeigerufene Klassenlehrer hat eigene Probleme. Die Mutter und der Onkel einer Kollegin, mit der er ein Verhältnis hat, wollen ihn zur Hochzeit zwingen. So entgehen ihm die Nöte, die seine Schüler*innen bewegen. Ihre Gespräche kreisen um Leben, Tod und Wiedergeburt, um ein lesbisches Paar unter ihnen und den Taifun. Als dieser naht, nehmen die Aggressionen in der Schülerschaft zu … Mit der Unbedingtheit einer Naturgewalt entfesseln sich im Typhoon Club wahre Gefühlsstürme. In einem sich zuspitzenden Episodenreigen erzählt der Film von einem „Frühlingserwachen“, bei dem sich die Emotionen eruptiv entladen: in einer Klassenschlägerei, bei einem Vergewaltigungsversuch. Dabei gestaltet der Film eine autarke Welt der Jugendlichen zwischen Überschwang und Depression, zu der die Kamera respektvoll Distanz hält.
TÁR
Regie: Todd Field
USA, 2022, 158 Min.
23.02. / 22:00 Berlinale Palast
25.02. / 13:15 Zoo Palast 3
25.02. / 13:15 Zoo Palast 4
25.02. / 13:15 Zoo Palast 5
Die talentierte Dirigentin Lydia Tár hat sich in der männerdominierten klassischen Musikszene durchgesetzt. Mit der Ernennung zur ersten Chefdirigentin eines großen deutschen Orchesters in Berlin erreicht sie den Höhepunkt ihrer Karriere. Zwischen Konzertterminen auf beiden Seiten des Atlantiks bereitet sie eine mit Spannung erwartete Einspielung von Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie vor. Doch plötzlich fällt ein Schatten auf ihre charismatische Gestalt; ihre Leistung am Dirigentenpult leidet und ihr Status gerät ins Wanken. Frühere Lebensentscheidungen, deren Folgen für eine junge Musikerin und ihre eigenen Obsessionen drohen sie wieder einzuholen und führen zu Komplikationen in der Beziehung mit ihrer Konzertmeisterin und Lebensgefährtin (gespielt von Nina Hoss). Tár gefährdet ihre Karriere und den Ruf des ganzen Orchesters. TÁR – laut Regisseur Todd Field ein Film „von“ Cate Blanchett, der ohne sie nie zustande gekommen wäre – zeichnet das Bild einer hochkomplexen, ambitionierten Frauenfigur und zugleich ein provokatives Porträt des klassischen Musikbetriebs. Ein Film voller musikalischer Leidenschaft und eine Hommage an die Stadt Berlin und das, was sie ausmacht.
Viver Mal (Living Bad)
Regie: João Canijo
Portugal, Frankreich, 2023, 125 Min.
23.02. / 12:30 Akademie der Künste
24.02. / 10:30 International
24.02. / 13:30 Zoo Palast 5
24.02. / 22:00 Cubix 5
Fünf Frauen betreiben ein altes Hotel und versuchen, es vor dem Verfall zu retten. Im Laufe des Wochenendes treffen Gäste ein. Ein Paar ist gezeichnet von den Verletzungen, die ihr gegenseitiges Unverständnis über die Jahre hinterlassen hat. Eine grenzüberschreitende Mutter mischt sich in die Beziehung ihrer Tochter ein. Zwei Freundinnen versuchen, gegen den Widerstand einer besitzergreifenden Mutter ihre Liebe zu verteidigen. Viver Mal ist der Gegenschuss zum im Wettbewerb laufenden Mal Viver. João Canijo zeigt darin gewissermaßen spiegelverkehrt das, was dort in der Tiefenschärfe wabert. Die Wirklichkeit setzt sich aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zusammen. Das Sichtbare und das, was sich dem Blick entzieht, überlagern und überschneiden sich. Einem Spiel von Lichtreflexen vergleichbar, ist Viver Mal die Überführung von Mal Viver in eine andere Dimension. Das Bild verformt sich. Zugleich will es sich mit einem Sprung in die Unendlichkeit neu definieren.