Tag drei der Berlinale und ich behaupte einfach mal frech, dass das Motto des heutigen Tages „Südamerika“ sein wird. Besser gesagt: Chile! Denn aus diesem Land haben wir heute gleich zwei wunderbare Film in den Kinos laufen. Da wäre als erstes „Rara“. Eine Produktion aus Chile/Argentinien. Der Film wird aus der Perspektive der 13jährigen Sara erzählt, die mit ihrer Schwester und der Freundin ihrer Mutter zusammenlebt. Der Film observiert sehr behutsam die Gefühlswelt des pubertären Mädchens und wie sie sich aus dem Geflecht von sozialen Konventionen, Probleme des Erwachsenwerdens und Fragen der familiären Zugehörigkeit zurecht findet. Ein Art Coming-of-Age Film mit queerem Content, der dazu noch nebenbei die politische und soziale Situation für queere Menschen in Chile aufgreift. Sehenswert!
In „Nunca vas estar sola“ geht es um einen Vater, der mit seinem homosexuellen Sohn zusammenlebt der Opfer eines brutalen Angriffs von Neonazis wird und der sich daraufhin in der brutalen Realität einer homophoben Gesellschaft wiederfindet. Der Film basiert lose auf den Ereignissen des Jahres 2012, als der offen schwul lebende Daniel Zamudio Opfer einer Gewaltattacke wurde. Der Filmemacher Alex Anwandter ist in Chile eigentlich ein bekannter Popmusiker und die Geschichte von der er erzählt ist eigentlich die Geschichte einer seiner Fans, die ihn so schockierte, dass er sich entschloss seinen Debütfilm darüber zu drehen. Eine interessante Vater-Sohn Geschichte und kritische Gesellschaftsanalyse zugleich. Mein Fazit: anschauen!
A Boy Needs a Friend
A Boy Needs a Friend
Kanada/ USA 2015
23´
Director: Steve Reinke
Im neuesten Teil seines fortlaufenden Videoessays „Final Thoughts“ wendet sich Steve Reinke dem Thema Freundschaft im Allgemeinen und insbesondere dem Konzept der queeren nietzscheanischen Freundschaft zu. Die eklektische Mischung disparater Bilder, die von Found-FootageCollagen über digitale Animationen zu Handy-Videos reichen, wird wie üblich durch Reinkes bewusstseinsstromartigen Off-Kommentar zusammengehalten, in dem er Theorien über die Austauschbarkeit von Stephen King und Joyce Carol Oates, Stickerei-Gekritzel, die Vorteile der doppelten, US-amerikanischen und kanadischen Staatsbürgerschaft und das Sexvermögen von Leichen aufstellt. „Final Thoughts“ wurde 2004 als lebenslanges Projekt gestartet: die Serie wird mit Reinke’s Tod vollendet sein. Sie besteht aus einer Sammlung von Videoessays, einem fortwährenden Strom von Gedanken und provokativen Auseinandersetzungen. Im Forum Expanded 2012 wurde der Teil The Tiny Ventriloquist: Final Thoughts, Series Two gezeigt. A Boy Needs a Friend ist Teil von The genital is Superfluous: Final Thoughts, Series Four (2016).
21.30 Uhr, Akademie der Künste
Antes o tempo nao acabava
Time Was Endless
Brasilien/ Deutschland 2016
85´
Director: Sérgio Andrade, Fábio Baldo
Cast: Anderson Tikuna, Rita Carelli, Begê Muniz, Emanuel Aragão
In einen indigenen Stamm im Amazonasgebiet hineingeboren, hat Anderson schmerzhafte Initiationsriten kennengelernt. Nun wohnt er mit seiner Schwester und deren kranker Tochter in der Großstadt Manaus, hat ein Handy, arbeitet in verschiedenen Jobs und muss sich den Herausforderungen zwischen modernem Leben und dem Glauben der Schamanen stellen. Für ihn stoßen die beiden Welten täglich zusammen: Wenn seine Nichte geopfert werden soll, ihm ein mythisches Monster in Menschengestalt erscheint oder er in einem Nachtclub bei Doom Metal einen One-Night-Stand kennenlernt. Der Schamane plant die Vollziehung eines weiteren alten Rituals an Anderson, ohne das der nach Meinung des Heilers für immer verloren wäre. In starken Bildern und zu elektronischer Musik erzählen die Regisseure Sérgio Andrade und Fábio Baldo von einem Wanderer zwischen zwei Welten. Die eine, bedrohte lebt von Mythen und Legenden und verhallt in dem wenigen Raum, den die weißen Eroberer ihr gelassen haben, die andere ist laut und anstrengend – aber vielleicht kann sich Anderson in ihr besser entfalten. Ohne didaktisch zu sein, malt der Film ein träumerisch-dokumentarisches Porträt einer verschwindenden Kultur.
Der Ost-Komplex
The GDR Complex
Deutschland 2016
90´
Director: Jochen Hick
Auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist unter Historikern umstritten, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Jochen Hick, der bereits mit mehreren Filmen im Panorama vertreten war, porträtiert mit Mario Röllig einen Zeitzeugen, begleitet ihn zu seinen Eltern und ehemaligen Kollegen, zu den Stationen seiner Flucht und seiner Inhaftierungen. Der Ost-Berliner Röllig, der 1985 eine Beziehung mit einem Politiker aus West-Berlin begann, wurde 1987 in Ungarn wegen versuchter Republikflucht festgenommen und 1988 von der BRD freigekauft. Heute hält er regelmäßig Vorträge vor Schulklassen und gibt ehrenamtlich Führungen im zur Gedenkstätte umgewandelten Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Dabei ist Hick stets nah dran, trotzdem auf Neutralität bedacht, beobachtet und stellt immer wieder Fragen aus dem Off. Bei Konfrontationen mit Sympathisanten der ehemaligen DDR, die Röllig gezielte Geschichtsverfälschung vorwerfen, wird am deutlichsten, dass der Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte der DDR mit Tabus besetzt und mit individuellen Traumata belastet ist.
Ja, Olga Hepnarova
I, Olga Hepnarova
Tschechische Republik/ Polen/ Slowakei/ Frankreich 2016
105´
Director: Tomas Weinreb, Petr Kazda
Cast: Michalina Olszanska, Martin Pechlat, Klara Meliskova, Marika Soposka
Olga ist eine komplizierte junge Frau, die sich von ihrer gefühlskalten Familie und gesellschaftlichen Konventionen freizuschwimmen versucht. Kettenrauchend schlakst der Louise-Brooks-artige Tomboy von einem Arbeitsplatz zum nächsten, bis sie als LKW-Fahrerin ihre Bestimmung gefunden zu haben scheint. Es gibt Liebhaberinnen, aber keine Beziehung, ständig kommt es zu Konfrontationen, sprachlosen Gefühlsausbrüchen und Ausnahmezuständen. In konzisen Einstellungen und elegischem Schwarz-Weiß erzählt der Film die kurze Lebensgeschichte einer radikal einsamen jungen Frau, die zur Massenmörderin wird. Am 10. Juli 1973 fährt sie, gerade 22-jährig, mit einem LKW in eine Menschengruppe, acht Personen sterben. In ihrem Bekennerschreiben heißt es, dass sie sich damit an der Gesellschaft und den Menschen rächt, von denen sie sich gehasst fühlt. Sie ist die letzte Person, die in der Tschechoslowakei öffentlich hingerichtet wird – trotz ihrer offensichtlichen psychischen Krankheit. Der erste Spielfilm der Regisseure, die bisher gemeinsam Dokumentar- und Kurzfilme realisiert haben, basiert auf einem langen Rechercheprozess, aus dem bereits die Dokumentation Everything is Crap hervorgegangen ist.
Jonathan
Jonathan
Deutschland 2016
99´
Director: Piotr J. Lewandowski
Cast: Jannis Niewöhner, André Hennicke, Julia Koschitz, Thomas Sarbacher, Barbara Auer
Der 23-jährige Jonathan bewirtschaftet mit seiner Tante Martha einen Bauernhof und kümmert sich aufopferungsvoll um seinen krebskranken Vater Burghardt, der die Bemühungen des Sohnes allerdings immer wieder störrisch sabotiert, mit seiner Hinfälligkeit hadert und sich einen Tod in Würde wünscht. Jonathan ist zunehmend überfordert, bis die junge Pflegekraft Anka als Unterstützung engagiert wird. Jonathan und Anka verlieben sich ineinander und Jonathan gewinnt durch Ankas Hospiz-Erfahrung einen neuen Zugang zur Situation seines Vaters. Als Burghardts verschollen geglaubter Jugendfreund Ron auftaucht, verbessert sich sein gesundheitlicher Zustand sichtlich. Gegen den Widerstand der Familie, die Ron als Eindringling empfindet, bleibt der an Burghardts Seite. Jonathan erfährt, dass sein Vater und Ron vor vielen Jahren ineinander die große Liebe fanden. Damit bricht für ihn die Fassade sorgsam gehüteter familiärer Vorstellungen zusammen und lange unterdrückte Geheimnisse werden enthüllt – aber Jonathan lernt auch, sich von seinem Vater zu lösen und dessen Tod als etwas zu akzeptieren, das ihm den Weg zu einem selbstbestimmten Leben eröffnet.
Jug-yeo-ju-neun Yeo-ja
The Bacchus Lady
Südkorea 2016
110´
Director: E J-yong
Cast: Youn Yuh-jung, Chon Moo-song, Yoon Kye-sang, An A-zu, Choi Hyun-jun
Youn So-young hat sich einen Tripper eingefangen. „Machen Sie mich schnell gesund“, sagt sie zum Gynäkologen, sie will nämlich weiterarbeiten. In einem Park in Seoul verdient die Seniorin als „Bacchus Lady“ gerade so viel, dass sie nicht betteln muss. Die „Bacchus Ladys“, das sind ältere Damen, die das beliebte taurinhaltige Erfrischungsgetränk „Bacchus“ verkaufen, und daneben sexuelle Dienste anbieten. Denn die rasch alternde Volkswirtschaft Koreas hat für ihre Senioren kaum Geld übrig; die Altersarmut in der Gesellschaft steigt rapide. Als die Mutter des kleinen Min-ho in Polizeigewahrsam genommen wird, nimmt So-young ihn in ihre Obhut. Der nur Filipino sprechende Junge genießt in einem Hinterhof eine ganz eigene Art von Patchworkfamilie, zu der neben So-young noch deren Transgender-Nachbarin und ein einbeiniger junger Mann gehören. Viele von So-youngs gealterten ehemaligen Klienten und Freunden sehen keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation. Einer nach dem anderen bitten sie die lakonische Frau, die seit Jahren ein Geheimnis mit sich trägt, um einen letzten Gefallen.
18.30 Il KINO & 22.45 Uhr, CineStar3
Kater
Tomcat
Österreich 2016
114´
Director: Händl Klaus
Cast: Lukas Turtur, Philipp Hochmair, Toni, Thomas Stipsits
Andreas und Stefan leben mit ihrem Kater Moses wie im Paradies. Sie bewohnen ein schönes, altes Haus in den Wiener Weinbergen und arbeiten als Disponent und Musiker im selben Orchester. Die Leidenschaft für die Musik, der große Kollegen- und Freundeskreis und ihr pelziger Gefährte prägen den Alltag der beiden Männer. Doch eines Morgens erschüttert ein unvorhergesehener Gewaltausbruch Stefans die harmonische Beziehung der beiden. Skepsis und Entfremdung bestimmen von diesem Zeitpunkt an den Beziehungsalltag und stellen eine nur schwer überwindbare Hürde dar. Während Stefan den Boden unter den Füßen verliert, ringt Andreas weiter mit seinem Misstrauen und um seine Liebe zu Stefan. Nach seinem preisgekrönten Debüt „März“ inszeniert Händl Klaus in seinem zweiten Werk die Vertreibung zweier Liebender aus dem Paradies. Mit viel Feingefühl für die männliche Seele und den blinden Fleck, den wir in uns tragen, erzählt diese musisch-poetische Ballade von der Fragilität der Liebe. Die Darsteller Philipp Hochmair und Lukas Turtur sind zwei Theatertiere, die mit ihrem naturalistischen Schauspiel zu beeindrucken wissen.
Kiki
Kiki
Schweden/ USA 2016
95´
Director: Sara Jordenö
25 Jahre nachdem Paris is Burning, Teddy-Gewinner 1991, dem Berlinale-Publikum die Ballroom-Szene in New York nahe brachte, gibt uns Kiki Einblicke in die Welt der heutigen jungen black LGBT-Community, wirft einen Blick auf die Bälle, bei denen die Teilnehmenden in VoguingWettbewerben um Trophäen kämpfen, und lässt deren Protagonisten über ihre Wünsche und ihren Alltag berichten. Anders als zur Zeit von Paris is Burning entstehen diese Bälle nicht aus der Subkultur, sondern werden von queeren Jugendhilfeprogrammen organisiert. Es fällt auf, wie aufgeklärt die Jugendlichen heutzutage genderpolitische Fragen diskutieren und wie selbstverständlich sie mit Begriffen wie Heteronormativität und Geschlechterdekonstruktion umgehen. Mögen sich die Stadt, die Strukturen und das genderpolitische Bewusstsein seit den Achtzigern verändert haben, geblieben ist die Sehnsucht nach Akzeptanz und einem sicheren Ort, an dem jeder seine Einzigartigkeit zelebrieren kann. Auch wenn das Coming-Out für einige der Protagonisten heute leichter zu sein scheint und die Homo-Ehe in den USA durchgesetzt ist, bringt Co-Autor Twiggy Pucci Garçon es auf den Punkt: „There is so much left to fight for.“
Little Men
Little Men
USA 2016
85´
Director: Ira Sachs
Cast: Greg Kinnear, Paulina Garcia, Jennifer Ehle, Theo Taplitz, Michael Barbieri
«Warum sind sie immer noch böse auf uns?» · «Unsere Eltern sind in geschäftliche Angelegenheiten verstrickt und langsam wird‘s hässlich. Also lassen sie es an uns aus.» Ein Sommer in Brooklyn. Jakes Eltern sind in das vom Großvater geerbte Haus gezogen, Tonys Mutter ist schon lange Mieterin des Geschäfts im Erdgeschoss. Schnell entdecken die beiden 13-Jährigen ihr gemeinsames Interesse für Kunst, Computerspiele und Mädchen. Zusammen träumen sie davon, im Herbst auf die renommierte La Guardia High School zu wechseln. So werden sie bald Verbündete, nicht nur gegenüber den anderen Jungs im Viertel, sondern auch im erbitterten Mietstreit ihrer Eltern. Mit einem eigenwilligen Protest versuchen sie den unaufhaltsamen Einfluss der Erwachsenenwelt auf ihre aufrichtige Jugendfreundschaft abzuwenden. Erneut beweist der renommierte Independent Filmemacher Ira Sachs ein Gespür für emotionale Tiefen, mit dem er die familiären und moralischen Konflikte auslotet.
Mãe só há uma
Don´t Call me Son
Brasilien 2016
82´
Director: Anna Muylaert
Cast: Naomi Nero, Dani Nefussi, Matheus Natchergaele, Daniel Botelho, Luciana Paes
Pierre ist 17 und steckt mitten in der Pubertät: Er spielt in einer Band, hat Sex auf Partys und heimlich probiert er vor dem Spiegel Frauenkleider und Lippenstift. Seine Mutter Aracy hat ihn und seine jüngere Schwester Jacqueline seit dem Tod ihres Mannes umsorgt und verwöhnt. Als er erfährt, dass sie ihn als Neugeborenes aus einem Krankenhaus gestohlen hat, ändert sich Pierres Leben schlagartig. Von einem Tag auf den anderen bricht seine Welt zusammen, und seine Mutter Aracy wird verhaftet. Seine leiblichen Eltern Gloria und Matheus haben 17 Jahre lang nach ihm gesucht und wollen nun die verlorenen Jahre mit dem ältesten Sohn, den sie Felipe nennen, so schnell wie möglich nachholen. Kritisch beäugt von seinem jüngeren Bruder Joca zieht Pierre/Felipe bei seiner wohlhabenden, neuen Familie ein, die ihn nach ihren Idealen formen will. Aber Pierre hat seinen eigenen Lebensentwurf. Regisseurin Anna Muylaert gewann 2015 den Panorama Publikumspreis mit Que horas ela volta? (Der Sommer mit Mama). In diesem Film untersucht sie die Beziehung zwischen Mutter und Kind aus der Perspektive des rebellischen Sohnes, dessen Welt über Nacht aus den Fugen gerät.
Nunca vas a estar solo
You’ll Never Be Alone
Chile 2016
82´
Director: Alex Anwandter
Cast: With Sergio Hernandez, Andrew Bargsted, Jaime Leiva, Benjamin Westfall, Antonia Zegers
Der in sich gekehrte Juan, Manager in einer Schaufensterpuppenfabrik, lebt allein mit seinem 18-jährigen schwulen Sohn Pablo. Während Pablo unbeschwert Tanz studiert, hofft Juan auf eine Chance, nach 25 Jahren Geschäftspartner seines Chefs zu werden. Als Pablo nach einem brutalen, homophob motivierten Angriff schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wird, wird seinem Vater bewusst, wie weit sie sich innerlich voneinander entfernt haben. Fehlende Tatzeugen und hohe Arztrechnungen zwingen Juan, die stillen Konstanten seiner Existenz endgültig zu verlassen, um sich in einer diskriminierenden Realität zu positionieren. Immer wieder laufen seine Bemühungen ins Leere, bis er in den nächtlichen Straßen Santiagos seinen eigenen Gesetzen folgt, um seinen Sohn zu retten. Im März 2012 schockierte die Ermordung des offen schwul lebenden Chilenen Daniel Zamudio durch Neo-Nazis ganz Lateinamerika. Der Fall inspirierte Alex Anwandter zu seinem beeindruckend vielschichtigen Debüt: Mit großem Feingefühl spürt er in der Zurückgezogenheit des Vaters dem gewaltsamen Druck eingeschworener Männlichkeitsnormen nach – und löst sie im bunten queeren Lebenstraum Pablos auf.
O Pássaro da Noite
L’Oiseau de la Nuit
Portugal/ Frankreich 2015
20´
Director: Marie Losier
Cast: Cast: Fernando Santos aka Deborah Krystal, Cindy Scrash, Alda Cabrita, João Pedro Rodrigues
Im neuesten ihrer Porträts internationaler Underground-Legenden führt uns Marie Losier in die Weltvon Fernando, aka Deborah Krystal, dem glitzernden Dichter-Performer des Lissaboner Clubs Finalemente. In den letzten dreißig Jahren ist Fernando jeden Abend in goldenen Kleidern im Finalemente aufgetreten. O Pássaro da Noite enthüllt die vielen Facetten Fernandos, die unter den Fasern seiner farbenfrohen Gewänder liegen. Unterstützt von zahlreichen Freunden_innen und Filmemacherkollegen_innen lässt Marie Losier Lissaboner Mythen zum Leben erwachen. Mit seinen wechselnden, transformatorischen Auftritten als Meerjungfrau, Vogel oder Löwe führt uns Fernando auf eine Reise in eine Welt des durch Metamorphosen und Mythen ausgelösten Begehrens und Träumens. Diese Reise führt uns vom hellen Sonnenlicht eines farberfüllten Strandes zu den spukhaften Schatten eines Museums bei Nacht.
21.30 Uhr, Akademie der Künste
Rara
Rara
Chile/ Argentinien 2016
88´
Director: Pepa San Martin
Cast: Mariana Loyola, Julia Lübbert, Agustina Muñoz, Emilia Ossandó
«Also … küssen deine Mama und Lia sich in der Öffentlichkeit?» · «Manchmal. Nicht so häufig.» Seit der Trennung ihrer Eltern lebt Sara mit ihrer jüngeren Schwester bei der Mutter, die jetzt mit einer Frau zusammen ist. Der Alltag der vier unterscheidet sich eigentlich kaum von dem anderer Familien. Für Sara ist die Situation eigentlich ganz in Ordnung. Doch nicht alle sehen es so, insbesondere ihr Vater hat Bedenken. Als Saras 13. Geburtstag ansteht, ist sie überfordert: die erste Verliebtheit, ein Körper, der sich verändert, und jetzt auch noch Loyalitätskonflikte mit den Eltern, alles wirkt falsch. Das einfühlsame Spielfilmdebüt der Regisseurin Pepa San Martín beruht auf wahren Ereignissen.
San Fu Tian
Dog Days
Hong Kong, China 2016
95´
Director: Jordan Schiele
Cast: Huang Lu, Tian Mu Chen, Luo Lanshan, Xing Dan Wen
Nicht enden wollende Hundstage lasten bleiern auf dem ärmlichen Außenbezirk von Changsha, wo die junge Mutter Lulu als Tänzerin in einem billigen Nachtklub arbeitet. Als sie spät nachts nach Hause kommt, ist ihr Freund Bai Long mit dem gemeinsamen Säugling verschwunden. Ihre verzweifelte Suche führt sie in ein Travestielokal, wo der schwule Sunny auftritt, der weiß, wo sich der Kindsvater aufhält. Es kommt zu einem Deal zwischen dem ungleichen, von nun an schicksalhaft miteinander verstrickten Paar: Lulu will ihr Kind zurück und im Gegenzug der homosexuellen Beziehung zwischen Bai Long und Sunny nicht im Wege stehen. In einem Hotel in Schanghai überschlagen sich die Ereignisse; emotionale und erotische Irrungen und Wirrungen häufen sich. Es stellt sich heraus, dass Bai Long seinen Sohn unter dem Vorwand, dass dessen Mutter gestorben sei, an ein wohlhabendes Arztehepaar verkauft hat. Wie wird die Zukunft für Lulu und ihr Kind aussehen?
Uncle Howard
Uncle Howard
Großbritannien/ USA 2016
96´
Director: Aaron Brookner
Cast: Jim Jarmusch, Sara Driver, Tom DiCillo, Brad Gooch, Frederic Mitterand
Nachdem Howard Brookner, Regisseur von zwei Dokumentar- und einem Spielfilm, 1989 im Alter von 34 Jahren an den Folgen von Aids gestorben war, drohte sein schmales Lebenswerk in Vergessenheit zu geraten. Sein Neffe Aaron nahm sich vor, das Erbe des Onkels zu bewahren und dessen ersten Film, den Kultfilm Burroughs: The Movie (1983) zu digitalisieren. Diese Arbeit führte zur Entdeckung einer Reihe weiterer Schätze, die rund 30 Jahre im mythenumwobenen „Bunker“ des Beat-Literatur-Paten in der New Yorker Bowery lagerten. Ein reiches Archiv an Material, das der Filmbesessene zwischen 1978 bis Ende der Achtzigerjahre drehte, und einzigartiges Dokument der unglaublich vitalen New Yorker Downtown-Kunstund Schwulenszene dieser Dekade. Aaron Brookners Film Uncle Howard schildert eine abenteuerliche, künstlerische und sehr persönliche Reise zurück, begleitet von Unterhaltungen mit Familienangehörigen und engen Freunden seines Onkels (darunter Robert Wilson, Jim Jarmusch, Brad Gooch und James Grauerholz). Das Ergebnis ist ein liebevolles und intensives Porträt dieses allzu früh verstorbenen Unvollendeten.
20.00 Uhr, Hebbel am Ufer (HAU 1)
Who’s Gonna Love Me Now?
Who’s Gonna Love Me Now?
Großbritannien/ Israel 2016
84´
Director: Tomer Heymann, Barak Heymann, Alexander Bodin Saphir
Saar hat den Erwartungen seiner Eltern nie entsprochen. Seit er sich vor 17 Jahren den Regeln seines Kibbuz widersetzte und von der Siedlungsgemeinschaft ausgeschlossen wurde, war er für seine Familie nicht mehr existent. Er verließ Israel, um in London ein freies schwules Leben zu beginnen. Nach dem Ende einer dreijährigen Partnerschaft suchte er exzessive Sex- und Drogenabenteuer, bis er HIV-positiv getestet wurde und gezwungen war, sein Dasein zu überdenken. Im London Gay Men’s Chorus hat er schließlich ein Zuhause gefunden und schöpft dort aus der Musik den Mut für eine Wiederbegegnung mit seiner Familie. Einfühlsam, mit Humor und Charme dokumentiert der Film, wie sich der inzwischen Vierzigjährige und seine ihm entfremdeten Eltern und Geschwister auf den Weg machen, sich gemeinsam ihren Zerwürfnissen und Ängsten zu stellen. Unerwartete Nähe und tiefe Zurückweisung werden zur Herausforderung. Beiläufig beleuchtet Saars sehr persönliche Geschichte auch die faszinierende Vielfalt kulturell und religiös geprägter kollektiver Lebensweisen und inspiriert zur aufrichtigen Identitätsfindung. Zahlreiche energetisch aufgeladene Chorszenen verleihen dieser Botschaft leidenschaftlich Ausdruck.
Zona Norte
Zona Norte
Deutschland 2016
90´
Director: Monika Treut
Fünfzehn Jahre nachdem Monika Treut in ihrem Film Kriegerin des Lichts (Panorama 2002) die Menschenrechtlerin Yvonne Bezerra de Mello bei ihrer Arbeit mit Straßenkindern porträtierte, kehrt sie nach Rio de Janeiro zurück, um die Entwicklung und Nachhaltigkeit des alternativen Schulprojekts Uerê zu dokumentieren. Täglich versorgt de Mello in ihrer Einrichtung mittlerweile etwa 250 Kinder mit Essen und bietet ihnen ein liebevolles, sicheres und effektives Lernumfeld an. Ihre alternative Pädagogik ermöglicht den Kindern, die aus massiven Gewalterfahrungen resultierenden Lernprobleme zu überwinden. Doch inzwischen haben die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele und der massive Militäreinsatz gegen die Bewohner der Favelas bürgerkriegsähnliche Zustände provoziert. Stets nah an den Menschen und sensibel in der Bildsprache untersucht Treut die Auswirkungen der stadtsoziologischen Veränderungen. In Zona Norte begibt sie sich auf die Suche nach den Protagonisten von damals. Die Schüler, die sie 2001 in ihrem Film porträtierte, schienen keine Zukunft zu haben, doch die Wiederbegegnung zeigt, dass de Mellos Projekt den Kindern langfristig bessere Perspektiven eröffnet.
17.30 Uhr, Cubix 7
Girl Talk
Girl Talk
USA 2015
4´
Director:Wu Tsang
Cast: Fred Moten
Girl Talk zeigt den Dichter und kritischen Theoretiker Fred Morten beim Zeitlupentanz in „dragged time“ zu einer Accappella-Version des Jazz Standards „Girl Talk“. Das Lied von Betty Carter wird hier in einer Neuinterpretation des Musikers Josiah Wise vorgetragen. Moten dreht sich euphorisch in einem sonnendurchfluteten Garten, sein juwelenbesetzes Samtgewandt reflektiert das Licht in pinken, blauen und grünen Strahlen. Moten und Tsang, Dichter und Künstler, untersuchen die Figur der Drag Queen und sind selbst an keine Persona gebunden.
10.02-22.0 2. / täglich 19:00 – 21:00 Akademie der Künste als Installation