TEDDY TODAY: Freitag Februar 16

Die Berlinale ist jetzt in vollem Gange und wir vom TEDDY AWARD haben den glamourösen roten Teppich des CineStar genossen, wo gestern unser lieber Zsombor Interviews führte. Diese und all unsere weiteren Interviews mit Filmemachern und Stars und Sternchen des TEDDY AWARDs sind auf unserem YouTube-Kanal zu finden: https://www.youtube.com/channel/UCD1iOuMk-g6JvV76Rj_qBkw.

Unser heutiges Programm stellt eine Reise durch die lateinamerikanische queere Filmwelt dar. Startpunkt ist in Paraguay, wo das lesbische Drama von Marcelo Martinessi spielt, in dem eine ältere Dame ihre sexuelle Lust wiederentdeckt. Weiter geht es nach Brasilien, wo Evangelia Kranioti mit ihrem sphärischen Dokumentarfilm queeres und Trans-Leben inmitten des Karnevals von Rio de Janeiro abbildet. Der letzte Stopp unserer Reise ist Argentinien, wo wir in die komplexe Kunst des Malambo-Tanzens eingeführt werden.

Las herederas (The Heiresses)
Director: Marcelo Martinessi
Paraguay/Uruguay/Germany/Brazil/Norway/France, 2018, 95′, Spanish

Screening: 15.30, Berlinale Palast

Chela und Chiquita sind schon lange ein Paar. Mit den Jahren haben sie sich in einer festen Rollenverteilung eingerichtet. Die extrovertierte
Chiquita regelt das gemeinsame Leben. Chela hingegen verlässt eher ungern das Haus, lieber verbringt sie den Tag hinter ihrer Staffelei. Finanzielle Schwierigkeiten zwingen sie dazu, Teile ihres geerbten und geliebten Mobiliars – allesamt Erinnerungsstücke – zu verkaufen. Als Chiquita
wegen Überschuldung ins Gefängnis kommt, ist Chela plötzlich auf sich allein gestellt. Mit ihrem alten Daimler bietet sie einen Taxi-Service für wohlhabende ältere Damen aus der Nachbarschaft an. Beim Chauffieren lernt sie auch eine von deren Töchtern kennen, die junge, lebensfrohe Angy. Diese Begegnung lockt die eher passiv auftretende Chela aus der Reserve und lässt sie ihre eigenen Sehnsüchte neu entdecken. So zurückhaltend und vorsichtig wie seine Heldin erkundet der Film die Außenwelt und richtet den Blick zunehmend auf eine Gesellschaftsschicht, die seltsam abgeschottet von der Wirklichkeit in den Tag hineinlebt. Wenn Chela ihre Freundin im Gefängnis besucht, entfaltet sich dagegen ein ganz anderes Bild von den Verhältnissen in Paraguay.

Obscuro Barroco
Director: Evangelia Kranioti
France/Greece, 2018, 60′, Portuguese

Screening: 19.30, CineStar IMAX

Langsam und elegisch gleitet die Kamera erst über einen in dichten Nebel gehüllten Wald, dann über das Panorama von Rio de Janeiro. Rio sei eine Fabrik der Träume und Alpträume, sagt eine Stimme aus dem Off, eine Stadt der Transformationen. In ihrem essayistischen Film Obscuro Barroco folgt die griechische Regisseurin Evangelia Kranioti den poetischen Worten ihrer transidenten Erzähler*in Luana Muniz, Ikone der queeren Subkultur Brasiliens. In einem schlafwandlerischen Fluss von Kamerabildern begibt sie sich in die pulsierende Welt der Nachtgestalten. Ein Bewusstseinsstrom aus dem Underground Brasiliens fließt mitten hinein in den Straßenkarneval der Stadt. Zwischen Masken und Make-up, jungen, nackten und neuen Körpern und dem Spektakel des Feuerwerks kommen Menschen zum Vorschein, deren Transformationen kein klares Geschlecht mehr kennen. Ein weißer Clown führt uns durch den Film, in dessen Bildwelten unvermittelt auch Proteste gegen die Regierung ihr ungeschminktes Gesicht zeigen. In geschlossenen Räumen fallen die Hüllen, die „Transvestiten“ werden besungen und feiern sich selbst, bis der Traum in eine tänzerische Ekstase mündet.

Malambo, el hombre bueno (Malambo, the Good Man)
Director: Santiago Loza
Argentina, 2017, 71′, Spanish

Screening: 20.00, CinemaxX 7

Würdevoll und stark sieht er aus, unangreifbar und voll erotischer Anziehungskraft: Der junge Malambo-Tänzer Gaspar ist eins mit seiner Leidenschaft, der Tanz ist sein Beruf. Doch Regisseur Santiago Loza lehrt uns bereits zu Anfang seines Films, dass der argentinische Wettbewerbstanz Malambo auch ein kompromissloser Kampf gegen die Zeit ist. Man verschreibt ihm sein Leben. Gewinnt man den großen Zweikampf, ist man danach dazu verdammt, als Trainer den Nachwuchs zu unterrichten oder zur Abendunterhaltung auf Kreuzfahrtschiffen zu tanzen. Ein Weiterleben im Wettbewerb gibt es nicht. In kontrastreichen, magischen Schwarz-Weiß-Bildern entführt uns Loza in die Welt des argentinischen Gauchotanzes. Als Fiktion angekündigt, kommt sein Film wie eine Mischung aus Dokumentarfilm und Märchen, Biografie und Essay daher und stellt dabei die Schönheit des Kampfes der harten Alltagsrealität seines Tänzers gegenüber. Gaspars Hingabe fordert erste körperliche Opfer. Etwas anderes als Malambo scheint es nicht mehr zu geben. In raren Begegnungen mit dem Leben abseits des Tanzes trifft Gaspar Familienmitglieder, Kontrahenten oder seinen Mitbewohner in der Hitze seiner kleinen Wohnung.

TEDDY TODAY: Donnerstag Februar 15

Hallo und herzlich willkommen zu den 32. TEDDY AWARDS! Verteilt über die kommenden zehn Tage haben wir für euch einen Hochgenuss kinematographischer Besonderheiten vorbereitet. Mit TEDDY-Veteranen wie Barbara Hammer und Gus Van Sant neben Erstfilm-Regisseuren aus aller Welt weisen die Filme 2018 eben diese Diversität und Innovation auf, die unseren Preis auszeichnen. Körperpolitik, Intersektionalität und das Zelebrieren von Sinnlichkeit sind nur einige der bedeutsamen Themen, auf die ihr euch freuen könnt.

Mit unseren TEDDY AWARD-Posts werden wir euch durch die queere Welt der Berlinale geleiten und auf dem neuesten Stand halten, welche Filme ihr sehen solltet, zu welcher Zeit und wo. Als Auftakt startet das Panorama mit dem Eröffnungsfilm ‚River’s Edge‘. Dieser umwerfende Spielfilm des japanischen Filmemachers Isao Yukisada beginnt passenderweise mit dem Bild eines Mädchens, das sich an den Teddybären aus ihrer Kindheit klammert. Diese Szene ist eine Vorausblende, auf welche die übrige Erzählung sich zurankt, indem sie sich einen Weg durch die Leben einer Gruppe von Teenagern bahnt. Macht euch gefasst auf mutige, unerschrockene Abbildungen der sexuellen und psychologischen Geheimnisse, welche die jungen Generationen der heutigen Zeit quälen…“

River’s Edge

Director: Isao Yukisada
Japan 2018 118′, Japanese

CinemaxX 7, 21:00

Displaying Ryo Yoshizawa, Shuhei Uesugi © River’s Edge Film Partners, TAKARAJIMASHA : Kyoko Okazaki.jpg

Tokio 1994. In einem Videointerview redet eine junge Frau über die Bedeutung eines Teddybären. Kurz darauf stürzt in der Nacht ein brennendes Objekt aus einem Hochhaus. Ein gefesselter, nackter junger Mann fällt aus einem Spind. Zwei Fischer reden über einen Wassergeist. In Isao Yukisadas außergewöhnlichem Drama River’s Edge werden viele Fährten gelegt und die Wechsel zwischen den Erzählsträngen sind so sprunghaft und unberechenbar wie die Figuren: Ichiro ist schwul und Opfer der Gewalt seiner Mitschüler, zieht aber Stärke aus seinen Blessuren. An einem nahe gelegenen industrieverseuchten Fluss macht er einen grausigen Fund und zeigt ihn seiner besten Freundin Haruna. Kannonzaki liebt brutalen Sex und überschreitet dabei immer weitere Grenzen. Ein in sich zurückgezogenes Mädchen liest obsessiv in den Tagebüchern ihrer schwangeren Schwester und das bulimische Model Kozue vergräbt sich nachts in Bergen aus Essen. Alle diese und andere Geschichten werden virtuos zum atemlosen Sittengemälde einer getriebenen, scheinbar verlorenen Jugend montiert, wobei die Begegnungen mit Gewalt unabdingbar scheinen.

TEDDY Showacts

Die Showacts der 32. TEDDY AWARD Preisverleihung

verpasst bloss nicht das diesjährige Showprogram der TEDDDY Preisverleihung und der anschliessenden After Show. Hier ein Vorgeschmack des Abends mit Jack Woodhead, Sookee, Irmgard Knef, Duo Sienna, Linn da Quebrada, Markus Pabst, Tim Kriegler, Das blaue Wunder, 2Faro, DJ Mashino, VJ Alkis

Jack Woodhead, host of 32nd TEDDy AWARD ceremony
Jack Woodhead, host of 32nd TEDDY AWARD ceremony

Im Gespräch mit Mahmoud Hassino

“Ich sehe mich nicht als schwulen Flüchtling“

Dies bemerkt Mahmoud Hassino beiläufig in den ersten Minuten unseres Gesprächs. Oscar und ich schauen einander fragend an: Mahmoud ist ein Mann, der sich mit der Gründung des ersten schwulen syrischen Blogs Mawaleh, mit seiner Hauptrolle in dem Dokumentarfilm Mr Gay Syria und durch seinen unermüdlichen Kampf für LGBT- und Flüchtlingsrechte einen Namen gemacht hat. Wie kann er also den Begriff „schwul“ so leicht verleugnen, wenn dieser eine so wichtige Grundlage für den Aktivismus, auf dem sein Asylrecht beruht, darstellt? Die Antwort ist, dass es sich nicht um eine Ablehnung seiner homosexuellen Identität handelt, sondern um eine ermächtigte Entscheidung, die eigenen Identitätsbegriffe selbst zu wählen, anstatt sie sich aufzwingen zu lassen: “Homosexualität ist nur irgendeine Sache, irgendein Teil meiner Identität… Wir haben viele Möglichkeiten, uns vorzustellen; ich kann mich als Journalist oder Blogger oder Schriftsteller bezeichnen. Manchmal wählst du etwas, das notwendiger ist.” Im Gespräch mit Mahmoud Hassino weiterlesen